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BOS-Tag des Staatsanzeigers

Die Blaulichtfamilie steht vor großen Herausforderungen

Wie groß die Herausforderungen für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) sind, wurde diese Woche beim ersten BOS-Tag des Staatsanzeigers unter Schirmherrschaft des Innenministeriums deutlich. Deutlich wurde unter Moderation von Chefredakteur Rafael Binkowski aber auch, dass man dem etwas entgegensetzt.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) hielt die Keynote, Chefredakteur Rafael Binkowski moderierte den BOS-Tag.

Achim Zweygarth)

Stuttgart. Zeitenwende. Eine große Ankündigung, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgrund Russlands Angriff auf die Ukraine ausgerufen hat. Doch in der Umsetzung, so Kritiker, hapere es bei der Zeitenwende auch noch fast drei Jahre später. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) zufolge könne man nicht nur von der Zeitenwende sprechen, man müsse auch handeln.

Und so kritisierte er Anfang dieser Woche beim ersten BOS-Tag des Staatsanzeigers in Stuttgart, bei dem es auch um die zivil-militärische Zusammenarbeit ging, dass die Bundesregierung die Mittel für den Katastrophenschutz weiter kürzt. Anders Baden-Württemberg. Das Land habe 25 Millionen Euro mehr für seine Katastrophenschützer in die Hand genommen. Und Strobl kündigte an, dass sich mit Blick auf die Sicherheitsbehörden auch der Landeshaushalt 2025/26 werde sehen lassen können.

Berger fordert ein neues Mindset im Umgang mit der Digitalisierung

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Zwar gestanden am Montag viele Teilnehmer dem Innenministerium zu, Probleme erkannt zu haben, vieles gehe in die richtige Richtung. Und doch sieht man sich in der Praxis vor zahlreichen Herausforderungen.

So nutzte etwa Peter Rombach vom Badischen Landesverband des Deutschen Roten Kreuz (DRK) die Gelegenheit, um auf die Erfahrungen mit der „außergewöhnlichen Einsatzlage“ hinzuweisen. Das Land hat im Katastrophenschutzgesetz geregelt, dass Helfer auch unterhalb des Katastrophenfalls leichter freigestellt werden können. Dies wird von den Hilfsorganisationen begrüßt, doch, so sagt Rombach, gingen die Landkreise mit der „außergewöhnlichen Einsatzlage“ unterschiedlich um. Da wünsche man sich Einheitlichkeit. Strobl verspricht, dass er das prüfen lassen werden. Gegebenenfalls werde man auf das Instrument noch einmal hinweisen, sagt er.

Handlungsbedarf zeigte Thomas Berger, Präsident des Präsidiums Technik, Logistik und Service der Polizei auf. Und zwar mit Blick auf die Polizei, auf Sicherheitsbehörden im Umgang mit der Digitalisierung. „Die Polizei war und ist in der analogen Welt Spitze“, so Berger. In der neuen, digitalen Welt sei das nicht mehr so. Zwar habe man die Digitalisierung nicht verschlafen, aber man brauche ein neues Mindset, man brauche eine neue Haltung. „Ich erlebe die Diskussionen auf eine ganz schräge Weise.“ Sonderrechte für die Polizei seien in der analogen Welt vollkommen normal, in der digitalen Welt sei das nicht der Fall. „Es gibt kein Sonder- und Wegerecht im Datenschutz für die Polizei, für niemanden, der für sie Sicherheit der Menschen zuständig ist.“ Ganz im Gegenteil, man misstraue dem Staat mehr als vielen Firmen.

Das mache der Polizei die Arbeit schwer, genauso wie die Technologie-Gaps, mit denen auch Kommunen, Feuerwehren und Rettungsdienste kämpften. Rechtliche Regelungen, etwa zum Datenschutz, Personalmangel, Arbeitszeitverordnungen und fehlende Tools zur Datenauswertung kämen erschwerend hinzu.

„Ich brauche das Blaulicht auch in der Bekämpfung der Cyberkriminalität“

Es brauche einen politischen und gesellschaftlichen Diskurs darüber, ob Sicherheitskräfte die Dinge, die sie in der analogen Welt nutzen dürfen, auch in der digitalen Welt nutzen dürfen sollen. „Ich brauche das Blaulicht auch in der Bekämpfung der Cyberkriminalität.“ Die Hürden für die Sicherheitsbehörden dürften nicht so groß sein, dass sie ihre Arbeit nicht mehr richtig machen können. Schaffe man es nicht, umzudenken, „werden wir scheitern“. Und: „Wenn wir scheitern, dann ist das demokratiegefährdend, davon bin fest überzeugt.

Lichtblick sei, dass die Landesregierung erkannt habe, dass zu wenig Ressourcen in die Digitalisierung gesteckt wurden. Was sich, wie es aussieht, mit dem neun Haushalt ändern dürfte. Berger sprach sich auch für eine Standardisierung im BOS-Funk aus. Damit lief er bei einigen Teilnehmern offene Türen ein.

Stuttgarts Polizeipräsident Markus Eisenbraun berichtete über das Konzept für einen Blackout, das sein Präsidium angesichts der Gasmangellage 2022 erarbeitet hat. Er ist froh, dass man sich die Arbeit gemacht hat. Denn sollte es zu einem längerfristigen Stromausfall kommen, kann seine Behörde ihren originären Aufgaben weiter nachkommen, es ist alles geregelt und festgelegt. Wichtig ist für ihn auch, dass die Kommunikation mit Feuerwehr und Rettungsdienst stets sichergestellt ist. Gerade auch vor dem Hintergrund des Operationsplans Deutschland, mit dem die zivil-militärische Zusammenarbeit verbessert werden soll. Besser man baue Brunnen, bevor man Durst habe.

Gundl: Den Bürgern nichts versprechen, was man am Ende nicht halten kann

Im Falle eines Blackouts etwa können sich Bürger in vielen Kommunen an Notfalltreffpunkte begeben. Das Innenministerium hat eine Rahmenempfehlung für die Planung und den Betrieb von Notfalltreffpunkten ausgearbeitet, die laut Strobl etwa die Hälfte der Kommunen als Grundlage genutzt hat. Andreas Gundl, Leiter der Stabstelle Gefahrenabwehr der Feuerwehr Esslingen, berichtete von den Erfahrungen, die die Stadt mit dem Einrichten der Notfalltreffpunkte gemacht hat. In einer Stadt mit knapp 100 000 Einwohner, wie Esslingen sie ist, bedeutet das freilich einen anderen Aufwand als in einer Kommune mit 300 Einwohnern. Für Gundl klar ist: „Wir versprechen den Bürgern nichts, was wir nicht halten können werden.“ Die Kapazität der Kommune sei hier begrenzt.

David Fritsch, Leiter der Inspektion für operativ-taktische Dienste im Landeskriminalamt erklärte an einem praktischen Beispiel,warum die Krisenkommunikation eine so wichtige Rolle einnimmt. Die Wahrung der Deutungshoheit sei wichtig, auch und gerade für das Wahren der Sicherheit. Er meint damit auch den Umgang mit Falschmeldungen, man müsse dem eine transparente und schnelle Information der Bürger entgegensetzen, zum Leitmedium werden, Vertrauen zurückgewinnen oder auch bewahren. Man müsse zeigen, dass man die Lage im Griff habe.

Landeskommando: Neue Aufgaben kommen auf die Blaulichtfamilie zu

Über Desinformation und Fake-News ging es am Montag im Hospitalhof auch im Vortrag von Uwe Motschilnig, der die Reservistenarbeit beim Landeskommando Baden-Württemberg leitet. Denn dies setze Russland mitunter in seiner hybriden Kriegsführung gezielt ein. Daneben auch Cyberangriffe, Sabotage, Spionage und das Ausspähen und Beschädigen kritischer Infrastruktur.

Die Blaulichtfamilie müsse sich darauf einstellen, dass sie künftig der Bundeswehr Amtshilfe leisten müsse. Mit dem Operationsplan Deutschland würden neue Aufgaben auf diese zukommen. Auch dafür brauche es ein neues Mindset. Letzteres sei vor allem auch bei den Bürgern wichtig. Man müsse alle Menschen im Land resilienter machen, sie darauf einstellen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa real sei.

Thorsten Holsträter, Leitender Oberarzt der Klinik für Anästhesie am Bundeswehrkrankenhaus in Ulm berichtete vom Umgang mit einem Massenanfall von Verletzten aus Sicht der Rettungsdienste und Kliniken. Das sorgte für Unruhe im Saal, sind doch die Rettungsdienste im Normalbetrieb schon überlastet. Das wirft der Kreisbrandmeister des Landkreis Ravensburg ein, Oliver Surbeck. In seinem Landkreis wird das Konzept für einen Massenanfall an Verletzten überarbeitet.

Es zeigte sich an diesem Tag, wie groß die Baustellen an vielen Stellen sind. Es zeigte sich aber auch, dass es viele Menschen gibt, die dem etwas entgegensetzen wollen, die an Lösungen arbeiten. Eine weitere Erkenntnis: Die Kommunikation untereinander muss besser und sichergestellt werden – gerade für den Fall der Krise. Gut, wenn man Strukturen und Köpfe vorher kennt. Dazu hat der BOS-Tag Gelegenheit geboten.

Oliver Surbeck ist Kreisbrandmeister im Landkreis Ravensburg. Foto: Achim Zweygarth
Chefredakteuri Rafael Binkowski im Gespräch mit Tim Gerhäusser vom Landkreistag und Politikredakteurin Jennifer Reich. Foto: Achim Zweygarth
Der erste BOS-Tag des Staatsanzeigers fand im Hospitalhof in Stuttgart statt. Foto: Achim Zweygarth

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