Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Die Bildungsreform im Südwesten nimmt Gestalt an
Stuttgart. Der Erfolg der G-9-Elterninitiative ist sichtbar: Der Volksantrag mit über 100 000 Unterschriften hat die Landespolitik umdenken lassen, das neunjährige Abitur kommt ab 2025/26. Allerdings sind Gespräche der Gruppe „G9 jetzt“ mit der Landesregierung gescheitert, weil die Initiative auf einem sofortigen Umstieg für alle Klassen beharrt. Das sorgt indes intern für Diskussionen. Corinna Fellner und Anja Plesch-Krubner, die bislang die Triebfedern waren, steigen aus, sie hätten lieber einen Kompromiss ausgehandelt. Der Rest der Gruppe sammelt nun Unterschriften für ein Volksbegehren.
Demokratie und Medienbildung stehen bald auf dem Lehrplan
Unterdessen hat sich Grün-Schwarz in dieser Woche nach zähem ringen auf ein Konzept verständigt. Die Eckpunkte: Werkrealschulen laufen aus, die Demokratie- und Medienbildung wird gestärkt, der Aufbau der neuen verpflichtenden Sprachförderung und des G9 ist im Zeitplan.
Am Ende soll es nochmals hoch her gegangen sein samt der Drohung, dass bei verzögerten Beschlüssen die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium ab den Schuljahr 2025/2026 für die Klassen fünf und sechs wieder auf der Kippe stehe. Dann führten die wochenlangen Verhandlungen in der Koalition und eine Gesprächsrunde am Mittwochmorgen aber doch zum Kompromiss. Schopper spricht von einem „Meilenstein“. Gerade in der frühkindlichen Bildung seien beherzt Reformen angegangen wurden: „Wir haben die Chancen und damit die Zukunft der Kinder, die nicht begünstigt sind, wirklich verbessert.“
Wo kommen die zusätzlichen Schulräume her?
Viele Details, zum Beispiel die Raumsituation in den Schulen mit künftigen Juniorklassen, müssen noch geklärt werden. Die seien „der eigentlichen Grundschule vorgelagert und haben zur Aufgabe, zielgerichtet auf die Anforderungen dieses Bildungsgangs vorzubereiten“, heißt es im grün-schwarzen Gesetzentwurf. Vorgesehen seien zwei unterschiedliche Wege, „die von dem Förderbedarf des Kindes abhängen“. Ist der hoch bei Kindern, die zurückgestellt sind, greift die Verpflichtung zum Besuch der zusätzlichen Klasse vor der eigentlichen Grundschule. Wenn nicht, „obliegt es der Entscheidung der Eltern, in welcher Weise das Kind bis zur Aufnahme in den Bildungsgang der Grundschule verbringt“, wie es heißt.
Zu den in Paragrafen gegossenen Vereinbarungen gehört, die Werkrealschule auslaufen zu lassen und deren Abschluss letztmalig im Schuljahr 2030/2031 anzubieten. Gemeinschaftsschulen werden wie Gymnasien mit Coachingstunden gestärkt, zudem sollen Verbünde ermöglichen, dass „die gymnasiale Oberstufe an der kooperierenden Schule zugleich als Oberstufe der Gemeinschaftsschulen gilt, an denen keine gymnasiale Oberstufe eingerichtet ist“. Vorgelegt ist auch neue Stundentafel fürs G9, an der sich auch das G8 zu orientieren hat. Denn: „Der Basiskurs Medienbildung, das Pflichtfach Informatik/KI/Medienbildung sowie die Elemente zur Stärkung der Demokratiebildung und das Mentoring werden übernommen.“ Für das neue G9 müssen jetzt erst noch Bildungspläne erarbeitet werden.
Bis 2033 werden 860 zusätzliche Lehrerstellen gebraucht
„Wir haben ein zusätzliches Jahr innovativ zu füllen“, sagt die Ministerin. Erwartet wird, dass vorerst, weil der Unterricht gestreckt wird, keine zusätzlichen Bedarfe entstehen, sondern im Gegenteil Lehrkräftestunden frei werden. Erst im Endausbau 2032/2033 sollen für gut 14 zusätzliche Wochenstunden 860 Deputate und damit Mehrkosten von jährlich 93 Millionen Euro anfallen.
Die Grundschulempfehlung bekommt wie angekündigt eine größere Verbindlichkeit. Für den Geist, in dem künftig die Entscheidung fürs Gymnasium getroffen werden soll, steht eine Formulierung in der Gesetzesbegründung: „Das Gymnasium kann seinem Auftrag (…), nur dann wirkungsvoll erfüllen, wenn der Zugang nicht voraussetzungslos möglich ist, sondern von einem entsprechenden Leistungsvermögen abhängig gemacht wird.“
Noch im Juli wird entschieden
In der letzten Kabinettssitzung vor der Sommerpause, am 23. Juli, soll die Novelle beschlossen werden. Den Landtag muss das Schulgesetz spätestens im Februar 2025 passiert haben, weil dann die Einschulungen für 2025/2026 beginnen. Von einem „großen gemeinsamen Schritt“ in der Koalition spricht die Ministerin Schopper.
Der ist auch nötig: Die bundesweiten Vergleichsarbeiten (Vera) zeigen, dass viele Schüler im Südwesten noch Nachholbedarf beim Rechnen, Lesen und Zuhören. So erreichen 24 Prozent der 80 000 Drittklässlerinnen und Drittklässler beim Lesen nicht die Mindeststandards, die für den Abschluss der Grundschule nach Klasse 4 vorgesehen sind.