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Nachgehakt: Politik des Gehörtwerdens

Die Beteiligung der Bürger wird einfacher

Bürgerbeteiligung ist in Baden-Württemberg erheblich unter Druck, seit die verbandsübergreifende „Entlastungsallianz“ hierin eine Möglichkeit sieht, um Bürokratie abzubauen. Die Servicestelle für Bürgerbeteiligung kontert mit einer Vereinfachung der „Politik des Gehörtwerdens“ für Städte und Gemeinden.

Die Politik des Gehörtwerdens ist Ministerpräsident Kretschmann ein wichtiges Anliegen. Die Bürgerbeteiligung wird daher nun vereinfacht.

Staatsministerium Baden-Wuerttemberg)

Worauf können die Kommunen zurückgreifen?

Es geht um die sogenannte dialogische Bürgerbeteiligung, um Verfahren, die verhindern können, dass lokal nur noch schwer handhabbare Interessenkonflikte entstehen. „Zweck der dialogischen Bürgerbeteiligung ist es, Bedürfnisse, die innerhalb der Bevölkerung für ein konkretes Thema oder Vorhaben bestehen, zu erkunden“, heißt es in dem 2021 verabschiedeten Gesetz. Dies geschehe durch Dialoge der Behörde mit der Öffentlichkeit.

Das Land bietet nun einen Rahmenvertrag an, um, wie die Staatsrätin Barbara Bosch sagt, den Bedürfnissen der Kommunen und Behörden bei der Bürgerbeteiligung entgegenzukommen.

Wo liegt der Nutzen?

Bisher hat jede Behörde oder jede Kommune für die Moderation einer Bürgerbeteiligung selbst ein Vergabeverfahren durchführen müssen, um einen professionellen externen Dienstleister mit Erfahrung zu finden. Das koste Zeit und Geld, so Bosch, die erwartet, dass Baden-Württemberg mit dem neuen Angebot „europaweit Musterland bleibt“. Die Staatsrätin kann darauf verweisen, dass das Vorgehen mit potenziell Interessierten an Bürgerforen oder Zufallsgremien vor Ort abgesprochen ist. Es habe eine entsprechende Befragung vor der Ausschreibung für den Rahmenvertrag stattgefunden. 185 Unternehmen hatten sich interessiert geäußert, 68 beteiligten sich schlussendlich am Vergabeverfahren. „Dies zeigt, dass unser partizipativer Ansatz für viele Unternehmen attraktiv war“, erklärt Bosch die hohe Resonanz. Den Zuschlag erhielten 23 Unternehmen, auf die Städten und Gemeinde jetzt den direkten Zugriff haben, je nachdem, ob es um lokale, regionale oder Online-Beteiligung geht. Abrufbar sind die Kontakte zu den externen Dienstleistern bei der Servicestelle Bürgerbeteiligung.

Deren Chef Ulrich Arndt sieht eine „große Entlastung“ für Städte und Gemeinden, auch finanziell, weil dank des Rahmenvertrags künftige Verfahren zu „sehr günstigen Preisen“ stattfinden können.

Ist die Wirkung der dialogischen Bürgerbeteiligung belegt?

Die verschiedenen Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung, von Zufallsforen bis zum Entscheid, sind vielfach untersucht. Die Universität Hohenheim hat mehr als 4000 Menschen befragt. Die dialogischen Möglichkeiten werden nach der vor drei Jahren präsentierten Studie auf kommunaler Ebene von 90 Prozent der Befragten als „sehr wichtig“ erachtet, mehr als auf Landes- und Bundesebene (78 und 65 Prozent). Entscheide werden dagegen von nur bis zu 20 Prozent als wünschenswert genannt.

Was wollen Städte und Gemeinden in der „Entlastungsallianz“ erreichen?

Es bestehen Befürchtungen, dass aus Winfried Kretschmanns (Grüne) „Politik des Gehörtwerden“ erwachsene Formen der Bürgerbeteiligung Prozesse und Genehmigungen verzögert und Partikularinteressen bedient werden. Joachim Walter, Präsident des Landkreistags, kritisiert grundsätzlich, dass oft zu sehr auf die laute Minderheit gehört und dieser nachgegeben werde.

In den vorgelegten, aber noch nicht umgesetzten Vorschlägen für die „Entlastungsallianz“ verlangen die Kommunalen Spitzenverbände, unterstützt auch vom Handwerk, dass Bürgerentscheide „dort ausgeschlossen sein sollen, wo es um gemeinwohlbezogene Infrastruktur, etwa in den Bereichen Schule, Kita, ÖPNV sowie bezahlbares Wohnen geht“. CDU-Fraktionschef Manuel Hagel unterstützt die Forderungen. In der CDU träfen sie „einen echten Nerv und auf offene Türen“. Die Servicestelle verweist dagegen darauf, dass Bürgerentscheide bei Schulen oder Kitas in der Regel ohnehin ausgeschlossen sind.

Mehr zum Thema: Baden-Württemberg als Vorbild für EU bei Bürgerbeteiligung | Staatsanzeiger BW

Ein Bürgerforum soll helfen

In der Region Stuttgart fallen beim Bau große Mengen an Abbruch- und Aushubmaterial an. Seit Ende April läuft eine dialogische Bürgerbeteiligung nicht in der Standortfrage, sondern um Kriterien für die Auswahl und damit für einen belastbaren Vergleich zu erarbeiten. Das Losverfahren nach Größe der Kommunen ist entwickelt. 10 000 Bürger werden angeschrieben. Nach den Sommerferien wird ein Bürgerforum zur Klärung heikler Fragen stattfinden, die dann eine Grundlage für die Suche ist.

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