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Hauk: „Schulmensen sind mehr als die Orte der Nahrungsaufnahme“
Stuttgart. Ministerpräsident Günter Oettinger (CDU) hatte nach seinem Wahlerfolg 2006 die zündende Idee. Er wollte seinen Vorschlag, den Südweststaat zum Kinderland umzubauen, konkret mit Leben füllen und dachte laut über eine auskömmliche Landesförderung für gesundes Schulmittagessen nach.
Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hatten da schon Fonds eingerichtet, um den Eigenanteil für Eltern auf einen Euro zu reduzieren. Oettinger erinnerte daran, dass für immer mehr Kinder das Schulessen die einzige warme Mahlzeit am Tag sei und immerhin zwischen 1,80 und 3,50 Euro koste. Deshalb sah er neben den Kommunen das Land in der Pflicht. Durchsetzen konnte er sich nicht, der schöne Plan wurde wieder eingesammelt. In den Haushaltsberatungen 2007 wollte die SPD-Fraktion ihn aufwärmen und verlangte, den Kommunen 16 Millionen Euro pro Jahr zuzuschießen. Die Landtagsmehrheit von CDU und FDP lehnte das ab.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) beklagt, dass der Schulerfolg noch immer viel zu sehr von der sozialen Herkunft und dem Geldbeutel der Eltern abhänge, er nennt die Hausaufgabenbetreuung in einer Ganztagsschule wichtig und „dass die Kinder ein ordentliches Mittagessen bekommen“. Inzwischen ist das Thema nicht nur relevant wegen des Rufs nach mehr Bildungsgerechtigkeit.
Verbessert werden soll auch die Zusammenarbeit zwischen Schulträgern und Produzenten sowie die regionale Vermarktung heimischer landwirtschaftlicher Produkte. Der Fachausschuss des Landtags hatte vor zwei Jahren in französischen Schulen Modellprojekte besucht, zur Essensabfallvermeidung, zur Kreislaufwirtschaft und wie in Kitas und Schulen durch den Betrieb eigener Gemeinschaftsküchen die Einkommenssituation der örtlichen Bauernschaft angehoben werden kann.
Das Land hat mehrere Modellprojekte mitfinanziert
Baden-Württemberg hat ebenfalls modellhaft und unter dem Motto „Gutes Schulessen mit kommunalem Konzept – nachhaltig und biozertifiziert“ Projekte mitfinanziert. Ziel der Kooperation mit kommunalen Schulträgern sei gewesen, die Qualität der Schulverpflegung im Sinne einer mehrdimensionalen Nachhaltigkeit zu optimieren, sagt ein Sprecher des Ministeriums für ländlichen Raum.
Dazu habe die Bereitstellung eines gesundheitsfördernden, ausgewogenen Mittagessens in der Schulmensa und eine ressourcenschonende Bewirtschaftungsweise gehört. Ein großer Erfolg sei gewesen, auch die gesundheits- und klimarelevante Bedeutung der Schulverpflegung herauszuarbeiten. Die Mensa ist eben mehr als ein Ort der Nahrungsaufnahme.
Die Erprobungsphase ist abgeschlossen und die Plattform „Lern BW“ erweitert um Unterstützungsangebote für interessierte Städte und Gemeinden. Schon geplant sind Online-Veranstaltungen Ende Januar und Anfang Februar. Das Land bietet an, wie es heißt, Kommunen und Schulen „bei der partizipativen Erarbeitung von kommunalen Verpflegungskonzepten zu begleiten“.
Einen wichtigen Mitstreiter hat Peter Hauk: Baden-Württembergs Minister für den ländlichen Raum und sein grüner Kollege auf Bundesebene Cem Özdemir sind keineswegs immer einer Meinung, in Sachen Mensen verbindet sie aber das Werben für gutes, regionales Essen.
Ernährungsstrategie des Bundes hat weitreichende Ziele bis 2050
Auch Özdemir unterstützt einschlägige Initiativen, darunter „Ich kann kochen“ der früheren Europaabgeordneten der Grünen und Kochbuchautorin Sarah Wiener, die nach eigenen Angaben mit ihrer Stiftung und der Unterstützung der Barmer Ersatzkasse bis zum Jahr 2026 rund zwei Millionen Kindern bundesweit ein Basiswissen über gesunde Ernährung vermittelt hat. Und der Bund hat eine Ernährungsstrategie aufgelegt, weil tagtäglich in ganz Deutschland 17 Millionen Menschen, darunter sechs Millionen Kinder und Jugendliche, in Kantinen und Mensen essen. „Das ist eine Riesenchance, die Wertschöpfung der einheimischen Landwirtschaft zu stärken und dabei auch Klima und Artenvielfalt zu schützen“, heißt es in einer Beschreibung.
Bis 2050 sollen in der Außer-Haus-Verpflegung, vor allem in Schul- und Kita-Mensen, „pflanzliche, saisonale und möglichst regionale und ökologisch erzeugte Produkte auf die Speisepläne kommen und so angeboten werden, dass junge Menschen sie gerne zu sich nehmen“.
Emotional aufgeladen
Nicht nur die Debatte um den Vorschlag eines „Veggie-Day“, der die Grünen im Bundestagswahlkampf 2013 mächtig unter Druck brachte, belegt, wie kompliziert das Thema Essen in Kantinen sein kann. Auch in Freiburg schlug es hohe Wellen, als der Gemeinderat 2022 beschlossen hatte, in Grundschulmensen nur noch fleischlose Menüs auszugeben. Dabei liegt ein Hauptargument auf der Hand: der sinkende Verwaltungs- und Organisationsaufwand.