Der Landesentwicklungsplan und die Sorgen des ländlichen Raums
STUTTGART . Rund zwei Stunden läuft der Regionaldialog für den neuen Landesentwicklungsplan (LEP) in der Aalener Stadthalle bereits, als der Durlanger Bürgermeister Dieter Gerstlauer aufsteht und schimpft: „Ich bin mit diesem Verfahren nicht einverstanden!“ Er vermisse beim Regionaldialog den Dialog – und überhaupt: Wozu ein neuer Landesentwicklungsplan?
Dabei startet der Vormittag mit Bürgermeistern, Landräten, Vertretern der Regionalverbände, Landtagsabgeordneten, Vertretern des Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen (MLW) und Staatssekretärin Andrea Lindlohr (Grüne) harmonisch. Der Aalener Oberbürgermeister und Gastgeber Frederick Brütting lobt den frühzeitigen Austausch in diesem Verfahren. Bezeichnet es als richtig, das Projekt nach über 20 Jahren anzugehen. Und macht Werbung in eigener Sache. Die Region Ostwürttemberg habe als einzige in Baden-Württemberg kein Oberzentrum. Die Städte Aalen, Schwäbisch Gmünd, Heidenheim und Ellwangen wollen im Landesentwicklungsplan ein Oberzentrum in Netzwerkstruktur verankert wissen. Stuttgart habe bereits Zustimmung signalisiert.
Flächen sparen als zentraler Konfliktpunkt
Das geht an Lindlohr, die lediglich auf Gespräche verweist. Ausführlich stellt sie die Eckpunkte des Landesentwicklungsplans vor. Er soll einfachere und schnellere Planungen ermöglichen. Helfen, Flächen zu sparen. Kompakte Siedlungsentwicklungen ermöglichen. „Qualitätsvoll verdichten“, sagt Lindlohr dazu.
Ministerialdirigentin Ulrike Kessler betont, Ziel des Landesentwicklungsplans seien „gleichwertige Lebensverhältnisse“. Der neue LEP müsse neue Trends und Entwicklungen aufnehmen und so flexibel bleiben, dass er über die nächsten zehn bis 15 Jahre trage. Anders als sein 20 Jahre alter Vorgänger soll der neue LEP themenübergreifende Handlungsfelder gemeinsam betrachten, zum Beispiel Wohnen und Verkehr.
Bürgermeister fordern Entwicklungsmöglichkeiten
Drei Bürgermeister, aus Giengen an der Brenz, Böblingen und der Gemeinde Ahorn, kommen zu Wort. Zentraler Wunsch: Verdichtung ja, aber kein „Korsett“, wie es Dieter Henle aus Giengen nennt. „Die Innenverdichtung nicht pauschal über alle Kommunen stülpen“, fordert Benjamin Czernin aus Ahorn.
Auch aus dem Auditorium ist das der zentrale Konfliktpunkt, die größte Sorge: Das „von Stuttgart“ aus die flächenmäßig großen aber einwohnermäßig kleinen Gemeinden in ihrer Entwicklung eingeschränkt werden. Obwohl „Platz ohne Ende“ da sei.
Die LEP-Macher wiederholen den Dialog, dass sie rausgehen, wie jetzt in Aalen und später auch in die anderen Regierungsbezirke, sich dem Gespräch stellen. Doch ein gewisses Misstrauen bleibt im Raum. Was in dem mehrere hundert Seiten starken Eckpunktepapier stehe, sei nun mal geschrieben und nur schwer aus der Welt zu schaffen, so ein Vorwurf.
Im hinteren Teil des Saals sind Tafeln mit Klebezetteln aufgebaut. Für den Beteiligungsprozess nach dem Plenumteil. „Wir wollen mit dem Ministerium diskutieren und nicht irgendwelche Aufkleber anbringen“, kritisiert ein Bürgermeister. Und Bürgermeister Uwe Hehn aus Creglingen überreicht der Staatssekretärin lieber einen Forderungskatalog im Namen der Flächengemeinden.
Der Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg
Der Landesentwicklungsplan (LEP) ist das zentrale Steuerungsinstrument der Landesregierung für die räumliche Entwicklung Baden-Württembergs. Er dient als „Kursbuch“ und gibt Leitlinien vor, wie die vielfältigen Ansprüche an den begrenzten Raum im Land in Einklang gebracht werden können. Der neue LEP soll unter anderem: Den Herausforderungen des Klimawandels und der Digitalisierung gerecht werden. Die Innenentwicklung stärken und den Flächenverbrauch reduzieren. Den Wohnungsbau fördern und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Die Infrastruktur modernisieren und den öffentlichen Nahverkehr ausbauen. Die gleichwertige Entwicklung aller Regionen in Baden-Württemberg fördern.
Der aktuell gültige LEP stammt aus dem Jahr 2002. In den vergangenen Jahren haben sich jedoch die Rahmenbedingungen grundlegend geändert. Herausforderungen wie der Klimawandel, der Fachkräftemangel und die Digitalisierung erfordern eine Neuaufstellung des LEP.
Die Landesregierung hat bereits Eckpunkte für einen neuen LEP vorgestellt. Der Beteiligungsprozess läuft aktuell und bietet allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, sich einzubringen.