Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Martin Schulz: Der Buchhändler aus Würselen kann es noch immer

Der ehemalige SPD-Chef Martin Schulz spricht in Ludwigsburg.
Michael Schwarz)Ludwigsburg. Nein, das ist nicht Würselen im Rheinland und auch nicht Siersburg im Saarland , wo Martin Schulz am Mittwochabend gastieren wird. Doch einmal muss er schon hier gewesen sein, der gelernte Buchhändler, aus dem erst Bürgermeister, dann Europaabgeordneter, Präsident des Europaparlaments, einstimmig gewählter SPD-Vorsitzender und SPD-Kanzlerkandidat wurde, der allerdings so schlecht abschnitt, dass er danach nur noch Bundestagsabgeordneter war, bevor er Chef der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde. Dabei war Schulz‘ Wahlergebnis, wie wir inzwischen wissen, gar nicht so schlecht. Es geht immer noch schlechter.
Ludwigsburg, immerhin, das hat Martin Schulz drauf, liegt in Baden-Württemberg. Und dieses Bundesland sei einzigartig; das einzige, was dem Südwesten fehle, sei eine SPD-Regierungsbeteiligung. Dann ist er allerdings schon wieder in Würselen, der Stadt, der er ein Leben lang treu geblieben ist. Dort kauft er immer noch im Supermarkt ein und neulich, kurz nach der für die SPD so historischen Wahl – selbst 1933, als die Nazis an die Macht kamen, hatte man mehr Prozente – hat er ein kurzes Schwätzchen mit der Frau an der Kasse geführt. Man kennt sich schon lange, sie spricht ihn immer noch als „Herr Bürgermeister“ an.
Die Frau habe ihr Leid geschildert: Ihrem Mann gehe es nicht gut, trotzdem arbeite er noch und sie verdiene dazu, weil es sonst nicht reiche. Wie soll das erst werden, wenn die beiden in Rente gehen? Die Frau jedenfalls habe auf Schulz‘ Frage, wen sie denn am 23. Februar gewählt habe, gesagt: Sie sei gar nicht zu Wahl gegangen. Und da habe Schulz geantwortet, dass ihn das enttäusche, ob sie denn nicht wisse, dass die SPD für einen Mindestlohn von 15 Euro kämpfe. Anschließend habe er ihn vorgerechnet, wie viel für die Kassiererin im Monat dazukäme, wenn ihr Lohn entsprechend steigt, nämlich 240 Euro im Monat. Etwa so viel, wie ihr und ihrem Mann am Monatsende fehlten. Und damit dieses Ziel auch wirklich eines Tages umgesetzt werde, riet Schulz der Dame, „müssen Sie das Kreuz da machen, wo Sie es immer gemacht haben“.
Es sind Geschichten wie diese, derentwegen Schulz einst die sozialdemokratischen Herzen zuflogen. Und weshalb er immer noch in der Lage ist, einen Saal zu rocken, jedenfalls beim Politischen Aschermittwoch in Ludwigsburg vor etwa 600 Gästen. Wo er vor ein paar Jahren schon einmal sprach und ein weiteres Mal angekündigt war: 2018 war das, als gerade eine andere schwarz-rote Koalition gebildet wurde und er in Berlin unabkömmlich war. Damals vertrat ihn ein gewisser Lars Klingbeil. Und nun ist er in die Bresche gesprungen, weil Klingbeil kurzfristig absagen musste.
Drei Begriffe stellt er an den Anfang seiner Rede: „Wir brauchen mehr Toleranz, wir brauchen mehr Respekt, wir brauchen mehr Würde.“ Das Gegenteil also von dem, was Trump und Weidel repräsentierten. Nicht zu dieser Kategorie gehöre dagegen einer, mit dem die SPD gerade verhandelt und den Schulz schon lange kennt: „Friedrich Merz muss zivilisiert werden.“ Und dafür sei es nie zu spät, sagte Schulz in Bezug auf die geplante Aufweichung der Schuldenbremse: „Der ist zur Vernunft gekommen.“
Schulz ist nicht der einzige, der die Sondierungsgespräche lobt und die Abend zuvor bekannt gewordenen Pläne in Sachen Verteidigung, Investitionen und Schuldenbremse. Für Landeschef Andreas Stoch hat sich die SPD zu mehr als 70 Prozent durchgesetzt. Und auch die erste parlamentarische Geschäftsführerin im Bundestag, Katja Mast, spricht von einem „starken Verhandlungsergebnis“.
Weitere Artikel vom Politischen Aschermittwoch:
Südwest-CDU gibt sich mit Carsten Linnemann selbstbewusst | Staatsanzeiger BW