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Essay

Das Strobl-Polizei-Puzzle ist noch lange nicht komplett

Ob aus Untersuchungsausschüssen Konsequenzen gezogen werden, ist auch Glücksache. Manche Zeugen können sich erinnern, manche nicht, manche Minister stolpern, manche nicht, konstatiert Johanna Henkel-Waidhofer in ihrem Essay.

Innenminister Strobl wurde im Untersuchungsausschuss zur Polizei-Affäre als Zeuge gehört.

dpa/Bernd Weißbrod)

Untersuchungsausschüsse sind wie Wundertüten – man weiß nie genau, was rauskommt. In der Vergangenheit mussten Ministerinnen und Minister zurücktreten, Regierungschefs, allen voran Lothar Späth in der „Traumschiff-Affäre“, wurden entzaubert, nie für möglich gehaltene Missstände aufgedeckt wie bei der Atomaufsicht, es ging um Spektakuläres wie den Millionen-Betrug von Flowtex oder den tragischen Tod der vom NSU in Heilbronn erschossenen Polizistin Michèle Kiesewetter.

Immer hängt der Erfolg dieses parlamentarischen Gremiums davon ab, wie bereitwillig und mutig Zeugen auspacken, statt sich auf ihr angeblich so löchriges Gedächtnis zurückzuziehen. Vor 20 Jahren beendete auf dieses Weise ein Karlsruher Ermittler in Sachen Organisierte Kriminalität im Zeugenstand des Flowtex-Ausschusses mit seiner Aussage zu einem Randaspekt die politische Karriere von Walter Döring (FDP), stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister.

Diesmal sitzt ein Hauptbetroffener, Innenminister Thomas Strobl (CDU), weiter fest im Sattel. Dies trotz der Weitergabe eines Anwaltsbriefs im Disziplinarverfahren gegen den früheren Inspekteur der Poliztei (IdP) an eine Zeitung und der Behinderung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stützt seinen Vize, ebenso die CDU-Fraktion.

Wenig wahrscheinlich ist, dass Strobl am Ende fällt, wenn irgendwann in der zweiten Hälfte 2025 oder sogar später das Ende gekommen ist für den Ausschuss mit dem langen Namen „Handeln des Innenministers und des Innenministeriums im Fall des Verdachts der sexuellen Belästigung gegen den Inspekteur der Polizei Baden-Württemberg und Beurteilungs-, Beförderungs- und Stellenbesetzungsverfahren in der Polizei Baden-Württemberg (UsA IdP & Beförderungspraxis)“ .

Das Puzzle ist also noch lange nicht komplett, aber nach den nicht weniger als 28 öffentlichen Sitzungen durchaus aussagekräftig. Die Strukturen des Besetzungssystems befördern Günstlingswirtschaft, Abhängigkeiten von Untergebenen oder intransparente Karrieren.

Derzeit befasst sich der Ausschuss mit diversen zweifelhaften Vorkommnissen und Zuständen ausgerechnet bei der Eliteeinheit der baden-württembergischen Polizei, dem Sondereinsatzkommando in Göppingen, die zuerst nicht ernsthaft aufgeklärt wurden und dann in Gehorsamsverweigerungen im Alltag gipfelten. Eine inzwischen ausgewechselten Kommandoführung wurde von unzufriedenen von Teilen der Truppe nicht einmal mehr gegrüßt. Nur schwer zu glauben sind die Beteuerungen, dass sich solche Zerwürfnisse nicht ausgewirkt haben auf die Zusammenarbeit in den in der Regel hochkomplexen und gefährlichen Einsätzen.

Manches erinnert an jenen Untersuchungsausschuss, der sich vor gut zehn Jahren mit den Beamten zu befassen hatte, die Ku-Klux-Klan-Ableger in Baden-Württemberg gegründet hatten. Auch damals blieb das schale Gefühl, dass zentrale mitverantwortliche Vorgesetzte nicht zur Rechenschaft gezogen wurden.

Allerdings kann eine parlamentarische Durchleuchtung dies gar nicht leisten. „Wir sind keine Staatsanwälte“, stellte Wolfgang Drexler (SPD), Vorsitzender der beiden NSU-Ausschüssen, mehrfach fest. Durch viele kleine und große Details müssen die Abgeordnete sich trotzdem wühlen, und sie müssen aufpassen, wie Nico Weinmann (FDP) zu Wochenbeginn nach der letzten Sitzung vor der Sommerpause warnte, „dass wir den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“. Immerhin: Ausgeräumt sind Verdächtigungen, es habe rechtsextremistische Tendenzen im Sondereinsatzkommando gegeben.

Zugleich wird deutlich wie selten zuvor in einem solchen Ausschuss, dass der Wald, um im Bild zu bleiben, gar nicht hätte wachsen müssen, wenn die in Sonntagsreden beschworenen Tugenden und Werte für Verwaltungen, im Ministerium, im Landespolizeipräsidium und in der Polizei im Alltag mehr Beachtung fänden. Gerade in letzterer ist der Grat ein schmaler, weil Kollegen sich aufeinander verlassen können müssen.

Wenn aus Vertrauen aber blinder Korpsgeist wird, wenn die, die auf Missstände hinweisen, am Pranger stehen anstelle derer, die Missstände zu verantworten haben, läuft gehörig viel schief. Da sind nicht Landtagsabgeordnete gefragt, sondern in erster Linie Vorgesetzte. Würde zumindest diese Lehre aus dem IdP-Ausschuss gezogen, wäre schon viel gewonnen.

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