Migration

CDU gegen Bürgergeld für neue Ukraine-Flüchtlinge

Der Umgang mit ukrainischen Flüchtlingen wird komplizierter. In mehr als der Hälfte der Kommunen sind die Aufnahmebereitschaft und die Stimmung in der Bevölkerung gesunken. Justizstaatssekretär Siegfried Lorek (CDU) will deshalb neu ankommende Kriegsflüchtlinge finanziell mit Asylbewerbern gleichstellen.

Auch für Flüchtlinge aus der Ukraine wird der Platz knapp. Viele Kommunen sehen sich am Rand der Kapazitäten.

dpa/ANP/Ramon van Flymen)

Stuttgart. 644 der 1101 Kommunen im Baden-Württemberg haben sich an einer vom Städtetag durchgeführten Umfrage beteiligt, die ein pessimistisches Bild der aktuellen Lage zeichnet. So sind nur in zehn Prozent der Städte und Gemeinden Aufnahmebereitschaft und Haltung in der Bevölkerung in Bezug auf die ukrainischen Flüchtlinge stabil geblieben. Im Detail erhoben ist, in welchen Bereichen es eng und enger werden wird. Vor allem fehlen Wohnungen und Kita-Plätze. Es gibt Engpässe im Integrationsmanagement und bei den Ausländerbehörden.

Landkreistag: 90 Prozent der Landkreise sind am Limit

Auch vom Landkreistag kommen ähnliche Signale. Benannt werden Schwierigkeiten „bei der Gewinnung von neuen Unterkünften für die vorläufige Unterbringung sowie die Überlast in allen Systemen, beginnend bei den Kitas und Schulen, über das Gesundheitswesen bis hin zum allgemeinen Wohnungsmarkt und zu den Ausländerbehörden“. Über 90 Prozent der Landkreise hätten „im Ergebnis bestätigt, dass ihnen aufgrund der hohen Zugangszahlen letztlich die notwendigen Ressourcen fehlen, um in den Bereichen vorläufige Unterbringung und Ausländerbehörden ihre Aufgaben angemessen wahrzunehmen“, so Hauptgeschäftsführer von Komorowski.

Insgesamt hat Baden-Württemberg nach den neuesten Zahlen des Justizministeriums seit Kriegsbeginn knapp 177 000 Kriegsflüchtlinge aufgenommen, zuletzt pro Monat rund 3000. Im laufenden Jahr sind es fast 32 000, und damit immer noch mehr als Asylbewerber (28 500). Praktiker vor Ort drängen vermehrt auf eine getrennte Betrachtung beider Gruppen. Bei den Ukrainern stellen, wie man vor Ort erfahren kann, Themen wie Wohnung, Kita und Schule die größte Herausforderung dar. Außerdem erweist es sich als Problem, dass viele Mütter daheim keiner Beschäftigung nachgegangen sind.

Stuttgarter Sozialbürgermeisterin für Pragmatismus

Es gibt aber auch viele Appelle, gerade angesichts der schwierigen Stimmung pragmatisch mit der Situation umzugehen. „Wir müssen uns dauerhaft darauf einstellen, dass Menschen zu uns kommen“, sagt Alexandra Sußmann (Grüne), Stuttgarts Bürgermeisterin für Soziales und gesellschaftliche Integration.

Und es gibt auch positive Beispiele: vom Radio-Projekt im Kreis Tübingen bis zum Rhein-Neckar-Kreis, der Integrationsprojekte nicht nur auf Geflüchtete, sondern auf die gesamte Bürgerschaft ausrichten möchte.

Rund um Heilbronn, aber auch in Konstanz und Tuttlingen muss, wie es heißt, „das sehr heikle Thema“ beraten werden, dass zunehmend Sinti und Roma ankommen. Und Ralf Broß, Geschäftsführer des Städtetags, verweist auf ein weiteres Problem. Zeitnah sei zu klären, wie unbegleitete minderjährige Geflüchtete gleichmäßig verteilt werden können. „Es gibt keine einfache Lösung und keinen einfachen Hebel.“

Landkreistag und FDP stimmen Justizstaatssekretär Lorek zu

Auch die möglichen Auswirkungen eines Rechtskreiswechsels für Neuankömmlinge aus der Ukraine würden intensiv diskutiert, berichtet ein Bürgermeister aus dem Schwäbischen Wald. Bislang bekommen Ukrainer Bürgergeld, sind also finanziell bessergestellt als andere Flüchtlinge. Sollte sich Justizstaatssekretär Lorek durchsetzen, würde dies nur noch für jene Ukrainer gelten, die bereits im Land sind, während Neuankömmlinge weniger Geld erhalten würden. Diesen Vorschlag unterstützt auch Hans-Ulrich Rülke, Fraktionschef der FDP-Fraktion, die derzeit die Lage mit einer Reihe von Landtagsanfragen erkundet.

„Als Landkreistag plädieren wir dafür, den Rechtskreiswechsel für neu nach Deutschland kommende Ukrainer zurückzunehmen und stattdessen die Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme weiter zu verbessern“, sagt auch von Komoroski und hat einen Vergleich parat: „Wenn in Polen geflohene Ukrainer in diesem Jahr mutmaßlich mehr Steuern entrichten werden, als sie den Staat kosten, und in Deutschland demgegenüber nur 18 Prozent der ukrainischen Flüchtlinge einer Arbeit nachgehen, dann zeigt dies, dass es beträchtlichen Nachbesserungsbedarf gibt.“

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