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BUND und Nabu fordern Mitbestimmung bei Rodung von Streuobstwiesen
RADOLFZELL. Der Schutz von Streuobstwiesen soll von der Landesregierung, den Gemeindeverwaltungen und Landratsämtern endlich ernst genommen werden, fordern Sylvia Pilarsky-Grosch, BUND-Vorsitzende von Baden-Württemberg und der Nabu-Landesvorsitzende Johannes Enssle. Die Biotope leisten einen großen Beitrag für die Artenvielfalt. Trotzdem würden noch zu viele Streuobstwiesen Bauprojekten zum Opfer fallen. Dabei sind diese von Seiten des Biodiversitätsstärkungsgesetzes besonders zu schützen und zu erhalten.
„Für viele Kommunen scheint es offenbar einfacher, auf der grünen Wiese zu planen, als im Innenbereich der Siedlungen nachzuverdichten“, so die beiden Landesvorsitzenden. Eine Praktik, die auch den Zielen der Landesregierung zum Arten- und Klimaschutz sowie zur Erreichung der Netto-Null bis 2035 beim Flächenverbrauch widerspräche. In den seltensten Fällen entsteht auf den gerodeten Flächen sozialer Wohnungsbau. Meistens würden Straßen gebaut, die neuen Verkehr verursachen, sowie Gewerbegebiete und Einfamilienhäuser.
Naturschutzverbände werden oft zu spät informiert
Landratsämter winken Anträge von Kommunen zur Rodung von Streuobstwiesen mehr oder weniger durch, kritisiert Enssle. „Wir als Naturschützer werden darüber viel zu spät informiert.“ Ein Beispiel dafür ist die Fällung von teils über 100 Jahre alten Bäumen mit Bruthöhlen und Refugien für seltene Vogel- und Fledermausarten in Bretten-Gölshausen im Kreis Karlsruhe. Der Nabu konnte nicht rechtzeitig Widerspruch einlegen, da sich die Zustellung des Bescheids verzögert hatte. Er wurde erst vom Landratsamt Karlsruhe über die Rodungen informiert, als die Bagger schon auf der Wiese standen. Daraufhin reichte der Nabu eine Fachaufsichtsbeschwerde gegen das Landratsamt ein.
Um solche Fälle in Zukunft zu vermeiden, fordern BUND und Nabu ein Recht zur Stellungnahme in den Verfahren. Auch wollen sie von den Behörden über die Entscheidungen verbindlich in Kenntnis gesetzt werden. Pilarsky-Grosch und Enssle nehmen zudem wahr, dass die Landratsämter vermehrt im Sinne ihrer Kommunen entscheiden und den naturschützenden Aspekt eher außer Acht lassen. Deshalb schlagen sie vor, dass in Zukunft nicht mehr die Landratsämter über eine Rodung von Streuobstwiesen entscheiden sollen, sondern die Regierungspräsidien.
Laut § 33a Naturschutzgesetz dürften Rodungen von Streuobstwiesen nur in Ausnahmefällen genehmigt werden. Auch sind Ausgleichmaßnahmen vorgeschrieben. Dies sei allerdings laut den Naturschützern kein gleichwertiger Ersatz. Es bräuchte Jahre, bis die neu angelegten Bäume dieselbe Wirkung wie der Altbestand erreichen würden.
Naturschutztage 2023
Zum 46. Mal veranstalten der Nabu und der BUND die Naturschutztage Baden-Württemberg. Vom 5. bis 8. Januar treffen sich Interessierte zu Austausch und Weiterbildung in Radolfzell am Bodensee. Neben Flächenfraß geht es unter anderem um die Zeiten- und Klimakrise und weitere Naturschutzmaßnahmen.
Seit den 1970er Jahren gibt es die Naturschutztage bereits. Aus der Taufe gehoben wurde die Veranstaltung durch BUND-Mitbegründer Gerhard Thielcke und den langjährigen BUND-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Friedrich. Seit 1987 veranstalten die baden-württembergischen Landesverbände von BUND und Nabu die Naturschutztage gemeinsam.
Mit zuletzt 1500 Teilnehmern im Jahr 2020 gilt die Veranstaltung als größtes Treffen von ehren- und hauptamtlichen Naturschützern im deutschsprachigen Raum.
„Das Biodiversitätsstärkungsgesetz ist ein zahnloser Tiger, wenn die Landratsämter es nicht so vollziehen, wie es gedacht ist. Dann muss es die Landesregierung nachbessern. Aktuell sind auch verschiedene Gerichtsverfahren anhängig, die hoffentlich zur Klärung beitragen, wie das Gesetz zu interpretieren ist“, betont Sylvia Pilarsky-Grosch.
In Bezug auf den Fall in Bretten hat der Nabu übrigens einen Teilsieg verbuchen können. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat in einem Urteil kurz vor Weihnachten auf den Eilantrag reagiert, die weitere Rodung gestoppt und die Vorgehensweise des Landratsamts gerügt. Sie sei eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips.
Weiterer Fall in Allensbach
In Allensbach am Bodensee ist ebenfalls eine Streuobstwiese durch Bebauung bedroht. Auch in diesem Fall hatten die Umweltschützer verzögert von der Umwandlungsgenehmigung des Landratsamts Konstanz erfahren. Der BUND legte daraufhin im August 2022 Widerspruch gegen die Genehmigung ein. „Seit nun mehr als drei Monaten hat das Landratsamt nicht über unseren Widerspruch entschieden“, moniert Sylvia Pilarsky-Grosch.
Quelle/Autor: Alexandra Dombrowski und Pia Hemme