Bürokratie-Abbau: Opposition fordert mehr Tempo
Stuttgart. Die Kritik ist ziemlich beißend. „Das war wirklich eine prachtvolle Regierungserklärung, die das ganze Haus fasziniert hat“, spottete der FDP-Fraktionschef im Landtag, Hans-Ulrich Rülke . Der Regierungschef hatte berichtet, die der Stand bei der „Entlastungsallianz“ zum Bürokratieabbau mit den Verbänden und Kommunen ist. „Das sind wolkige Worte, gehört haben wir nichts“, kritisierte der liberale Vormann, „nageln Sie mal einen Pudding an die Wand, das wird schwierig.“
In der Tat war die kurze Rede von Kretschmann wenig aussagekräftig. Er verwies noch mal darauf, dass im Sommer d ie Allianz gegründet worden sei: „Alle entscheidenden Akteure sind an Bord.“ Man habe in einem ersten Schritt 200 Probleme und Möglichkeiten für Entlastung identifiziert. Und dazu Arbeitskreise gegründet.
Und natürlich habe man schon in der vergangenen Legislaturperiode Bürokratiekosten von 350 Millionen Euro gespart: „Aus einer Behörden-Odyssee ist eine Behörden-Audienz geworden.“ Sonst führte er noch zum wiederholten mal an, dass die Genehmigungsdauer von Windrädern reduziert wurde. Und appellierte an die Bürger: „Übersteigertes Sicherheitsdenken provoziert Bürokratie.“
Steffen Jäger vom Gemeindetag hofft auf schnelle Ergebnisse
Wie ist die Lage tatsächlich? Steffen Jäger, der Präsident des Gemeindetages, der vor einem Jahr den Brandbrief initiiert hatte, sagt dazu: „Die Beratungen im Landtag waren ein klares Signal. Deutlich wurde aber auch, dass es noch Skepsis zu gewählten Format gibt.“ Es liege nun an den Akteuren zu zeigen, dass die Arbeitsgruppen zu Zielen kämen: „Mit dem nötigen Maß und Geschwindigkeit.“
Auch beim Landkreistag sagt der Geschäftsführer Alexis von Komorowski : „Es ist gut, dass es jetzt endlich losgeht. Die Erwartungen der Landkreise seien hoch, einen „weiteren missglückten Versuch“ könne man sich nicht leisten. Und Ralf Groß, Geschäftsführer des Städtetages, mahnt: „Die großen Herausforderungen werden wir nur bewältigen, wenn wir das Vertrauen in diejenigen stärken, die vor Ort am nächsten dran sind.“
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Die SPD fordert mehr Tempo
Die Geschwindigkeit ist das Thema, das auch von den Abgeordneten aufgegriffen wird. „Sie sagen uns: Packen wir’s an, wir dachten, Sie hätten es schon längst getan“, kritisiert der Oppositionsführer im Landtag, der SPD-Fraktionschef Andreas Stoch . Man habe den Eindruck, dass Kretschmann „im Sommer die überbordende Bürokratie entdeckt“ habe.
Es habe ein dreiviertel Jahr gebraucht, bis man die Arbeitskreise gegründet habe, noch vor Jahresende sollten Ergebnisse vorliegen. Nun versende das Land an Schulen ein elfseitiges Schreiben, wie man mit der so genannten Kuchensteuer umzugehen habe. Fazit: Viel zu langsam, es wird mehr als weniger Bürokratie. Tatsächlich gibt es auch innerhalb der grün-schwarzen Koalition unterschiedliche Vorstellungen, was unter Bürokratieabbau zu verstehen ist.
Grüne und CDU sind sich nicht ganz einig
Und das soll, wie zu hören ist, auch ein Grund für die Verzögerungen sei. Während der grüne Staatsminister Florian Stegmann sein Augenmerk vor allem auf einfachere Verwaltungsabläufe und Digitalisierung richtet, sieht die CDU das stärker Ziel, Vorschriften abzuschaffen, Gesetze zu vereinfachen. Oder, wie es im Brandbrief vor einem Jahr hieß, „die Standards in Frage stellen.“
Dieser feine Unterschied wurde auch in den Redebeiträgen von Grünen und CDU deutlich. Der grüne Fraktionschef Andreas Schwarz griff zunächst die FDP an („Das nervt, Sie wissen immer alles besser“). Und dann führte er aus: Es brauche klare Regelungen, für Umweltschutz, Fairness und Gerechtigkeit: „Deswegen gibt es Bürokratie. Wir müssen mit Maß und Mitte vorgehen.“ Ein Beispiel sei der Erprobungsparagraf für Kindertagesstätten, der Kommunen Spielräume beim Personalschlüssel gebe.
Die CDU drängt auf eine weitergehende Vereinfachung
Der frisch gebackene CDU-Landeschef Manuel Hagel hingegen erwähnte die Erfindung des Automobils durch Gottlieb Daimler: „Das war ein historischer Moment für Baden-Württemberg, ohne Bürokratie.“ Der Aufwand der Wirtschaft für Bürokratie liege bei 6,967 Milliarden Euro: „Alles muss weg, was weg kann.“