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Brauchen wir überhaupt Beamte?
Volker Stich: Der Beamtenstatus hat sich in Deutschland bewährt. Beamte sind in höherem Maß zur Loyalität verpflichtet als Angestellte. Das haben wir bei der Flüchtlingskrise erlebt. Da mussten die Landratsämter am Wochenende sofort Quartiere bereitstellen. Die Beamtinnen und Beamten standen bereit. So etwas kann von Tarifbeschäftigten nicht von vornherein verlangt werden. Ich gehe davon aus, dass die Diskussion um den Beamtenstatus ein für alle Mal erledigt ist.
Die Schweiz hat ihren Beamtenstatus abgeschafft. Trotzdem scheint der öffentliche Dienst zu funktionieren. Spricht das nicht gegen Ihre These?Stich: Wir haben in der Schweiz einen hervorragend aufgestellten, deutlich höher bezahlten öffentlichen Dienst. Beides hängt unmittelbar zusammen. Vor diesem Hintergrund konnten es sich die Schweizer leisten, auf den Beamtenstatus zu verzichten. In Deutschland sieht das anders aus.
Rainer Blasius: Das gilt nicht nur für die Schweiz, sondern auch für Österreich. Insofern kann man sich wirklich fragen, ob man den Beamtenstatus braucht. Oder ob man ihn zumindest einschränkt – auf Polizei und Feuerwehr beispielsweise sowie auf Justiz und Auswärtigen Dienst.
Also auf jene Berufe, die hoheitliche Aufgaben ausüben. Da wären doch die Lehrer außen vor, oder?Blasius: In der Tat. Das wäre schon allein deshalb sinnvoll, damit wir nicht mehr dieses furchtbare Nebeneinander haben zwischen beamteten Lehrern und angestellten Lehrern – und die einen bekommen 500 Euro im Monat mehr als die anderen.
Stich: Die Debatte ist doch inzwischen eine andere als noch vor ein paar Jahren. Alle Bundesländer, auch die neuen Bundesländer, sind davon abgerückt, ihre Lehrer anzustellen, weil sie ohne den Beamtenstatus keinen Nachwuchs mehr bekämen. Ich räume ein, dass man bei den Lehrern über die Frage der hoheitlichen Aufgaben diskutieren kann. Doch auch da brauchen wir eine große Konstanz. Dazu kommt, dass das Beamtenrecht mehr Durchgriffsmöglichkeiten bei Versagen im Dienst bietet als das Tarifrecht.
Blasius: Das wage ich zu bezweifeln. Denn heutzutage wollen ja alle Vorgesetzten lieb und nett sein. Da kann es lange dauern, bis es etwa zu Disziplinarmaßnahmen oder einer Entfernung aus dem Dienst kommt.
Brauchen wir, wenn schon keine, so dann doch weniger Beamte?Blasius: Auf jeden Fall. Allein schon deshalb, damit mehr Geld in die Rentenversicherung fließt. In Österreich etwa sind die Renten viel höher, weil alle einzahlen. So etwas brauchen wir auch in Deutschland.
Stich: Da würde ich meinem Freund Rainer Blasius widersprechen. Wir brauchen nicht weniger, wir brauchen mehr Beamtinnen und Beamte. Ich denke da an ein Feld, wo sich gezeigt hat, dass die Gesellschaft schwer in Mitleidenschaft gezogen werden kann: die Lokführer. Der Fehler lässt sich nun leider nicht mehr korrigieren, nachdem Claus Weselsky seinen Jahrhundert-Coup gelandet hat. Die Lokführer verdienen inzwischen so gut, dass sie nicht mehr ins Besoldungsgefüge passen würden. Die Entwicklung, die dem vorausging, also die Nichtübernahme der ostdeutschen Lokführer in den Beamtenstatus und Privatisierung der Bahn, war falsch.
Zieht der Beamtenstatus nicht jene an, die der Staat nicht brauchen kann? Menschen, die keine Risiken eingehen und auf eine Rundumversorgung schielen?Stich: Das Argument kann man nicht einfach zur Seite wischen. Es gibt einen gewissen Anteil, der von solchen Überlegungen geleitet wird. Ich habe in dieser Hinsicht immer auf die Bestenauslese vertraut. Sie funktioniert aber nur, solange wir ausreichend Bewerber haben. Leider ist das derzeit nicht der Fall.
Peter Heesen, der von 2003 bis 2012 den Deutschen Beamtenbund geleitet hat, sprach sich für ein Prämiensystem aus. Fleißige Beamte sollten belohnt werden. Wer maximal Dienst nach Vorschrift macht, sollte weniger Geld bekommen. Das war doch eine gute Idee, oder?Blasius: Peter Heesen wollte den faulen Beamten und die träge Beamtin flott machen. Ich fand das klasse.
Herr Stich, Sie waren dagegen. Warum?Stich. Weil das im öffentlichen Dienst erhebliche Schwierigkeiten bereitet hätte, allein Instrumentarien zur Beurteilung zu entwickeln. Das ist etwas ganz anderes als in der Wirtschaft. Beim Beamten entscheidet letztlich der Vorgesetzte und es muss alles rechtlich überprüfbar sein. Mir ging es immer darum, Gerechtigkeit herzustellen. Das ist im Beamtenbereich schwierig.
Dann folgte die Leistungszulage. Doch sie erfüllte auch nicht den Zweck, für den sie gedacht war. Was lief schief?Blasius: Die Vorgesetzten waren zu feige. Statt einem Beamten oder einer Beamtin, sagen wir, 200 Euro mehr zu zahlen, weil er oder sie Herausragendes leistet, bekamen nun zehn Beschäftigte 20 Euro mehr.
Aber zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählt doch auch das Leistungsprinzip. Wie kann der Dienstherr dem Rechnung tragen?Stich: Indem er den Beamten schneller befördert. Allerdings sind die Beförderungsmöglichkeiten begrenzt und das wird auch akzeptiert.
Blasius: Das Problem ist, dass es Aufstiegsmöglichkeiten nur in bestimmten Bereichen gibt. In Ministerien zum Beispiel. Für Lehrer und Lehrerinnen am Gymnasium beispielsweise ist dagegen früh Schluss, beim Oberstudienrat oder der Oberstudienrätin Wenige schaffen die A 15.
All dies sind Punkte, die der Deutsche Beamtenbund ansprechen könnte. Stattdessen hat man den Eindruck, dass sich der DBB-Vorsitzende Ulrich Silberbach vorwiegend um Tarifabschlüsse bemüht. Reicht das aus?Blasius: Das frage ich mich auch. Zumal es ja ein Thema gäbe. Wir haben inzwischen eine Zweiklassengesellschaft von Beschäftigten: die Servicebeamten und, ich sage es jetzt mal etwas provokativ, die Sofabeamten, die zwei Tage in der Woche ins Amt gehen und sonst Homeoffice machen. Da werden Bund, Länder und Kommunen ein Bezahlungsmodell mit den Beamtenvertretungen finden müssen, das die Unterschiede ausgleicht, also etwa den Zeitverlust durch lange Anfahrtswege zur Arbeit oder die anstrengende Tätigkeit auf der Straße, im Publikumsverkehr oder im Unterricht in Präsenz.
Der Deutsche Beamtenbund heißt seit 2012 nicht mehr so, er wird seit der Fusion mit dem DBB-Tarifbereich auch nicht mehr von einem Beamten geleitet. Wie sehen Sie die Entwicklung des „DBB Beamtenbund und Tarifunion“?Stich: Peter Heesen setzte sich damals mit dem Argument der höheren Schlagkraft durch. Doch inzwischen besteht die Bundesleitung nur noch zu einem Drittel aus Vertretern des Beamtenbereichs, obwohl zwei Drittel unserer Mitglieder Beamte sind. Ich habe die Sorge, dass der Beamtenbereich unterrepräsentiert ist.
Blasius: Ich habe ja schon vor ein paar Jahren geschrieben: Vielleicht sollte sich der Beamtenbund umbenennen in Deutschen Beschäftigtenbund. Ganz im Ernst: Der Beamtenbund muss wieder zu sich finden. Er kann sich nicht nur dadurch definieren, dass Beamte nicht streiken dürfen. Aber ob das jetzt mit dem aktuellen Beamtenbund-Vorsitzenden möglich ist, wage ich zu bezweifeln.
Wer wäre stattdessen geeignet?Stich: Vor einigen Jahren hätte ich gesagt: Thomas Eigenthaler, der damalige Chef der Deutschen Steuergewerkschaft. Doch der ist auch älter geworden – wie wir und im Ruhestand.
Blasius: Da traue ich mir kein Urteil mehr zu. Wir sind alte weiße Männer.
In Baden-Württemberg ist Kai Rosenberger seit 2017 am Ruder. Setzt Ihr Nachfolger die richtigen Akzente?Stich: Er hat vieles richtig getan und macht vieles richtig. Ich bin von meinem Nachfolger überzeugt. Allerdings hatte er auch Jahre ohne harte Konfrontation mit der Landesregierung. Das war in meiner Amtszeit anders. Ich musste aufgrund der ständigen Konfrontation mit der Landesregierung stark mit Medien zusammenarbeiten. Der Beamtenbund ist eine gesellschaftliche Größe. Er sollte sich zu den Kernfragen, die in unserer Gesellschaft bestehen, zu Wort melden. Und nicht nur zu Besoldung, Tarif und Beihilfe.