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Besonders Berufsschüler bleiben oft der Schule fern

Es kann viele Gründe geben, warum Schüler wiederholt oder gänzlich dem Unterricht fernbleiben. Doch nicht einmal die Zahlen werden amtlich erhoben.
dpa/ZB/Jens Kalaene)Stuttgart. Die SPD-Landtagsfraktion wollte Genaueres wissen vom Kultusministerium. 14 Fragen umfasst die parlamentarische Anfrage zum Schulabsentismus: Dem unrechtmäßigen Fernbleiben vom Unterricht. Denn die Konsequenzen seien „für Schülerinnen und Schüler oft folgenreich“ mit „erheblichem Einfluss auf deren Zukunftsperspektiven“, heißt es in der Begründung. Verlangt wird, präventive Strukturen und Rahmenbedingungen zu stärken und frühzeitig im familiären wie im schulischen Umfeld zu handeln.
Seit der Pandemie 2021 gibt es eine Handreichung zum Umgang mit Jugendlichen, die ihrer Schule zu entgleiten drohen. „In Baden Württemberg ist Schulabsentismus kein Thema der offiziellen Schulstatistik“, heißt darin, „man könne aber davon ausgehen, dass er auch im Südwesten stark verbreitet sei“. Auch vier Jahre später muss das Kultusministerium einräumen, dass keine genauen Zahlen vorliegen, weder zu den Kindern und Jugendlichen, die nicht in die Schule gehen, noch den Bußgeldern, die Eltern zahlen müssen.
Die amtliche Schulstatistik erhebt dazu dazu keine Zahlen
„Sie sind nicht Teil der amtlichen Schulstatistik und wurden bisher auch nicht außerhalb der Schulstatistik erhoben“, schreibt Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) in ihrer Antwort. Es sei nicht beabsichtigt, „diese weiteren Berichtspflichten aufzuerlegen, da sie mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden wären“. Ferner kennten die Schulen vor Ort die Fehlzeiten und seien deshalb in der Lage, „die notwendigen konkreten Schritte einzuleiten“.
Stefan Fulst-Blei, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, ist unzufrieden mit solchen „großen Lücken“. Dabei kämen in seiner Fraktion immer wieder Beschwerden von Schulen an, die die Bußgelder als viel zu gering ansähen, um abschreckend zu wirken. Erstaunlich sei auch, dass das Land über keine Einschätzung der volkswirtschaftlichen Folgen von Schulabsentismus verfügt. Offensichtlich erachte es das Ministerium nicht für notwendig, sich etwa bei der Bundesagentur für Arbeit darüber zu informieren, weil es ihm an der notwendigen Sensibilität fehle.
Auch beim Thema Schulsozialarbeiter gibt es keine Zahlen. Die Gesamtverantwortung inklusive der Planungs- und Finanzierungsverantwortung liege bei den Trägern der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe, antwortete das Ministerium auf die Anfrage der SPD-Fraktion. Dies seien in Baden-Württemberg die Stadt- und Landkreise sowie die Stadt Konstanz als örtliche Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe sowie der Kommunalverband für Jugend und Soziales als überörtlicher Träger. Das Land fördere die Schulsozialarbeit „nach Maßgabe des Staatshaushaltsplans als Freiwilligkeitsleistung“.
Im Doppelhaushalt 2025/26 stünden dem Sozialministerium Mittel zur Seite Verfügung, „mit denen auch ein weiterer Ausbau an Schulen in öffentlicher Trägerschaft gefördert werden kann“. Auch das ist der SPD-Fraktion zu defensiv. Das Kultusministerium verharre weiter im Nebel, so Fulst-Blei. Der Ausbau der Schulpsychologie sei offenbar nicht geplant.
Verband fordert Unterstützung durch Verwaltungskräfte
Ebenfalls strittig ist die Finanzierung der Berufseinstiegsbegleitung, die von der grün-schwarzen Koalition wegen der knappen Kassen eingestellt wurde. Das sei 2022 beschlossen worden, so Schopper, eine Wiederaufnahme der Landesbeteiligung sei nicht vorgesehen. Fulst-Blei kritisiert das.
Im Leitfaden zum Schulabsentismus wird das innerschulische Unterstützungssystem als besonders wichtig bezeichnet, da Lehrkräfte die ersten Ansprechpersonen seien. Der regelmäßige Austausch der Unterstützenden mit der Schulleitung könne „weiteren Bedarf der Schule aufzeigen und eine passgenaue Weiterentwicklung initiieren“. Schulleitungen seien ohnehin schon hoch belastet, so der Berufsschullehrerverband. Und dann hätten sie auch noch die mühsame Aufgabe, verschwundene Schülerinnen und Schüler zu erreichen, so Vize-Vorsitzende des Berufsschullehrerverbands (BLV), Michaela Keinath. Das sei nicht zu leisten, sondern es brauche mehr Unterstützung, etwa durch Verwaltungskräfte. Die allerdings ist im Doppelhaushalt nicht vorgesehen.
Den Eltern drohen sogar Zwangsgelder
Der Schulbesuch liegt in der Verantwortung von Eltern und Erziehungsberechtigten. Laut Schulgesetz sollen sie Sorge für eine regelmäßige Teilnahme tragen. Die Verletzung dieser Pflicht, so teilt das Kultusministerium mit, ist eine Ordnungswidrigkeit. Diese meldet die Schule an die untere Verwaltungsbehörde weiter, die dann ein Bußgeldverfahren einleitet. Gegen die Eltern können die Regierungspräsidien auch ein Zwangsgeldverfahren durchführen (§ 86 SchG).