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Interview Bürgerbeauftragte Beate Böhlen

„Bei der Polizei geht es fast immer um Führungshandeln“

Beate Böhlen war viele Jahre Vorsitzende des Petitionsausschusses in Baden-Württemberg. Seit 2019 ist sie Bürgerbeauftragte des Landes. Kürzlich hat sie ihren Tätigkeitsbericht vorgelegt.

Beate Böhlen ist die Bürgerbeauftragte des Landes Baden-Württemberg. Sie wird aktiv, wenn Bürger Probleme mit der Verwaltung haben. Foto: Achim Zweygarth

Achim Zweygarth)
Staatsanzeiger: Als Vorsitzende des Petitionsausschusses hatten Sie sich für die Schaffung des Amts eines Bürgerbeauftragten eingesetzt. Nun sind Sie die zweite Bürgerbeauftragte des Landes. Wie zufrieden sind Sie mit der Ausgestaltung des Amts?

Beate Böhlen: Da gibt es durchaus noch Luft nach oben. Die Bürgerbeauftragten in anderen Bundesländern sind wesentlich besser ausgestattet. Etwa wenn man nach Rheinland-Pfalz blickt, was ja auch Vorbild für das Amt in Baden-Württemberg war.

Was bedeutet bessere Ausstattung?

Die Bevölkerungszahl ist dort mit 4,2 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen etwas weniger als halb so hoch wie in Baden-Württemberg. Doch dort gibt es 23 Vollzeitstellen. Wir sind zu sechst und kommen mit den 837 Fällen, die wir im vergangenen Jahr bearbeitet haben, langsam an unsere Kapazitätsgrenze.

Gibt es auch inhaltliche Unterschiede zum Bürgerbeauftragten in Rheinland-Pfalz?

Anders als bei uns gehen dort bei der Bürgerbeauftragten alle Eingaben ein. Legislativeingaben und Petitionen, bei denen man sich mit der Verwaltung nicht einigen kann, gehen dann in den Petitionsausschuss.

Dort erfolgt quasi eine Vorsortierung?

Genau. Das halte ich auch für sinnvoll. In meiner Zeit als Petitionsausschussvorsitzende hätte ich ein solches Vorgehen dankbar angenommen. Denn das führt dazu, dass sich der Petitionsausschuss, der ja Verfassungsrang hat und neben dem ständigen Ausschuss der wichtigste Ausschuss im Landtag ist, sich schwerpunktmäßig auf Legislativeingaben, große Infrastrukturprojekte und strukturellen Themen konzentrieren und damit befassen kann.

Eine solche Vorsortierung gibt es in Baden-Württemberg nicht. Besteht da nicht die Gefahr von Doppelstrukturen?

Um das zu verhindern, machen wir einmal pro Woche eine Petitionsabfrage. Denn im Gesetz in Baden-Württemberg ist festgeschrieben, dass die Bürgerbeauftragte Fälle nicht bearbeitet, bei denen eine Petition anhängig oder abgeschlossen ist. Umgekehrt gibt es allerdings die Möglichkeit, dass Bürger sich zuerst mit ihrem Anliegen an uns wenden und danach noch eine Petition einreichen können.

Als Sie noch Vorsitzende des Petitionsausschusses im Landtag waren, haben Sie sich dafür eingesetzt, dass der Ausschuss auch Bürgerfragestunden im Land anbietet und dort stärker präsent ist. Wie ist das in Ihrer jetzigen Position? Sind Sie im Land präsent?

Wir beginnen jetzt langsam damit. Bis 2022 war es wegen Corona nicht möglich. Danach waren wir nur zu dritt und konnten wegen steigender Eingaben nicht noch Bürgerstunden im Land anbieten. Allerdings hat sich durch Corona auch etwas verändert. Wir haben festgestellt, dass gerade auch für ältere Menschen Videokonferenzen gut funktionieren. Deshalb ist die Nachfrage nach Sprechtagen außerhalb von Stuttgart zurückgegangen. Aber wir werden demnächst im Zollernalbkreis eine Sprechstunde anbieten. Eine weitere ist in Nordwürttemberg geplant.

Sie sind auch Ansprechpartnerin für die Polizei intern. Noch sind es wenig Fälle, aber die Zahlen steigen langsam. Um welche Themen geht es?

Fast immer um Führungshandeln bis dahin, dass sich die Polizeibeamten mit empfundenem Führungsversagen konfrontiert sehen.

Welche Möglichkeiten haben Sie da? Oft wird es ja schwierig sein, mit den Führungskräften zu sprechen, auch aus Angst vor Repressalien.

Oftmals reicht es, wenn wir mit den Betroffenen sprechen, gemeinsam überlegen, wie deren Strategie für den Umgang mit den Problemen aussehen kann. In manchen Fällen wird auch gewünscht, dass wir konkret tätig werden. Dann prüfen wir einzelfallbezogen und zielorientiert die notwendigen Schritte, um eine gute und konstruktive Lösung zu finden.

Trägt der Untersuchungsausschuss des Landtags zur Polizeiaffäre dazu bei, dass sich bei Ihnen mehr Polizeibeamte melden?

Das Thema Führungsverhalten in der Polizei ist dadurch in den Fokus gerückt und wird dadurch auf jeden Fall stärker thematisiert. Polizeibeamte trauen sich eher, auf uns zuzukommen und Probleme anzusprechen. Denn es besteht leider immer noch die Angst, als Nestbeschmutzer zu gelten. Man darf nicht vergessen, Beamte und Beamtinnen etwa im Streifendienst bilden eine Gefahrengemeinschaft. Sie müssen sich bei Gefahr gegenseitig beistehen und sich sicher sein, sich aufeinander verlassen zu können und dennoch konstruktiv kritisch miteinander umzugehen. Vor dieser Herausforderung der Umsetzung der Führungs- und Wertekultur steht die Polizei Baden-Württemberg. Bei unserer Arbeit hilft es sicher, dass unser Berater für Polizeiangelegenheiten selbst 43 Jahre bei der Polizei tätig war.

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