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Inklusion an Schulen

Aus allen das Beste herauszuholen ist das Ziel

Katrin Steinhülb-Joos, früher selbst Leiterin der Stuttgarter Altenburgschule und Andreas Stoch (beide SPD), früher Kultusminister, haben die inklusive Gemeinschaftsschule mit ihren 50 Lehr- und 30 pädagogischen Fachkräften besucht. Dabei wurde deutlich, wo dringender Handlungsbedarf besteht.

Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Einschränkungen ist seit 2015 im Südwesten an allgemeinbildenden Schulen möglich - aber in der Praxis selten. Foto: dpa/Tobias Kleinschmidt

Tobias Kleinschmidt)

Stuttgart.  Die Mangelverwaltung im baden-württembergischen Bildungssystem ist vielfach beschrieben: Unterricht fällt regelmäßig aus, Lehrkräfte fehlen, Aufstieg durch Bildung findet nicht statt, und die internationalen Vereinbarungen zur Integration von Kindern und Jugendlichen mit Einschränkungen werden Tag für Tag in der Praxis gebrochen. Seit 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft, im selben Jahr wurden die Länder für die Umsetzung zuständig. In Baden-Württemberg hat erst Grün-Rot 2015 die Sonderschulpflicht per Gesetz abgeschafft. Seither stehen die allgemeinbildenden Schulen allen Kindern und Jugendlichen offen.

Altenburgschule hat schon lange Inklusion im Regelunterricht

Die Altenburgschule gehört zu den Vorreitern. Rund 650 Schüler und Schülerinnen sind in dem Gebäudekomplex auf der linken Cannstatter Neckarseite untergebracht. Als Gemeinschaftsschule hat sie sich zum Ziel gesetzt, „aus allen das Beste herauszuholen“, wie es in der Selbstbeschreibung heißt. Jeder und jede solle eine Chance bekommen und in der „gesamten Persönlichkeit gestärkt und gefördert werden“. 144 Kinder mit besonderen Bedürfnissen habe es gegeben, erinnert sich Katrin Steinhülb-Joos an ihre Zeit als Rektroin. Die Herausforderungen seien „groß, aber zu bewältigen“ gewesen.

Heute berichten die früheren Kolleginnen von nur noch drei Dutzend Kindern, die vom inklusiven Angebot Gebrauch machen können. Sonderpädagogen sind an die Förderschulen abgezogen worden, die heute Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) heißen. Denn dort ist der Lehrkräftemangel noch größer. Für den Umgang zum Beispiel mit gehörlosen Kindern nicht ausgebildete Pädagogen müssen den gemeinsamen Regelunterricht für alle stemmen. „Wir können aber nicht zaubern“, klagt eine der Lehrerinnen, dass der eigentliche Anspruch verloren geht. Der gemeinsame Unterricht soll nicht nur alle Kinder auf die Herausforderungen in einer heterogenen Welt vorbereiten.

Vielmehr sollen inklusive Kinder so gefördert werden, dass sie besondere Unterstützung nicht brauchen. Eine der Altenburg-Schülerinnen hat nicht nur die Inklusion hinter sich gelassen, sondern in einem Brief gerade berichtet, dass sie mit Optimismus ins Abitur im nächsten Jahr geht.

Der Stellenwert, den der gemeinsame Unterricht in einem System hat, ist ein Gradmesser dafür, wie es um das Aufstiegsversprechen bestellt ist. „Wir brauchen einen Kulturwandel“, sagt auch Ex-Kultusminister Stoch, „und an dem versuchen wir als SPD-Fraktion zu arbeiten.“ Als Minister hat er den radikalen Schnitt mit einer schrittweisen Auflösung zumindest vieler SBBZen auch nicht gewagt. Ein Förderschwerpunkt ist Lernschwäche. Steinhülb-Joos glaubt, dass zumindest Kinder und Jugendliche  mit dieser Diagnose bei entsprechender Unterstützung und angemessener Ausstattung der Schulen Fuß fassen können im Regelunterricht.

Personelle Hilfe bekommt eine Schule meist erst nach einem Jahr

Der Alltag ist davon weit entfernt; nicht einmal die Antragsfristen passen zur Realität. Wird ein Kind mit festgestelltem Unterstützungsbedarf aufgenommen, kann die Schule in der Regel erst im nächsten Jahr mit entsprechender personellen Hilfe rechnen – wenn die notwendigen Sonderpädagogen vorhanden sind. „Niemand kann aber 27 Schülern und Schülerinnen gerecht werden, wenn darunter sechs Inklusionskinder sind“, berichtet eine Lehrerin. Also müsse tagtäglich versucht werden, „das irgendwie hinzubekommen“.

Mittelfristig Abhilfe würden noch mehr zusätzliche Studienplätzen bringen, bessere Ausstattung mit multiprofessionellen Teams, Schulsozialarbeiterinnen, pädagogischen Assistentinnen und Hilfekräften im Freiwilligen Sozialen Jahr. Steinhülb-Joos erneuert daher die SPD-Forderung nach einer Bildungsmilliarde, die zusätzlich ins baden-württembergische Schulsystem gesteckt werden müsse. „Es ist so bitter“, sagt sie, „wie wir engagierte Lehrkräfte ganz allein lassen.“ Denn: „Wir verschenken die Kompetenzen unserer Kinder.“ Das müsse endlich aufhören.

Was die UN-Konvention fordert

Das Deutsche Institut für Menschenrechte überwacht die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und der für die Länder verbindlichen Prinzipien – Nicht-Diskriminierung, Chancengleichheit, Selbstbestimmung, Inklusion – und Verpflichtungen, etwa Bewusstseinsbildung, Zugänglichkeit. Ziel sei „der volle und gleichberechtigte Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen“.

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