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Digitalisierung in der Verwaltung

Auf die Führungskräfte kommt es besonders an

Defizite bei der Digitalisierung der Verwaltung werden weithin beklagt. Damit diese gelingt, ist aber mehr notwendig als funktionierende Technologie, meint Professorin Claudia Schneider von der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg. Alle Teilbereiche der Organisation müssen ihren Beitrag leisten – auch und gerade die Führungskräfte. 

Damit die Digitalisierung gelingt, ist in der Verwaltung eine neue Gestaltung von Organisation und Geschäftsprozessen nötig, so die These von Claudia Schneider.

Dpa-tmn/C. Klose)

Ludwigsburg. Die Digitalisierung der Verwaltung wird oft ausschließlich als technologisches Problem gesehen oder behandelt. Tatsächlich ist aber eine Vorgehensweise, die alle Teilbereiche einer Organisation integriert, der Schlüssel. Eine ganzheitliche Strategie und ein nachhaltiges Umsetzungscontrolling der vereinbarten Maßnahmen sind dafür erforderlich. Sonst droht ein aktionistisches Digitalisierungspatchwork. Nicht nur bei der Umsetzung des OZG-Gesetzes mit seinen 575 Leistungsbündeln hat sich gezeigt, dass es erhebliche Defizite bei der Digitalisierungsfähigkeit der Verwaltung gibt.

Steuerung im ganzheitlichen Sinn fehlt oft bei der Digitalisierung

Was sind Ursachen für diese Defizite? Einige wesentliche davon betreffen die Führungskräfte. Sie sollen hier thesenartig geschildert werden.

Das digitale Commitment der Verwaltungsführung unterliegt in den Kommunen einer großen Streuung. Einige Führungskräfte treiben die Digitalisierung voran;  andere blockieren sie. Folge sind Diskontinuitäten in der Entwicklung einzelner Organisationsbereiche. Dadurch wird die Organisation insgesamt langsamer, die Digitalisierungsbemühungen erodieren – falls die Führung wechselt – oder scheitern an der Zuständigkeitsgrenze.

Durch Laissez-Faire-Haltung und Konfliktscheu in der Verwaltungsspitze wird zu wenig Veränderungsdruck auf die nachgeordneten Führungsebenen ausgeübt. Der Führungserfolg wird auch selten an der konkreten Erreichung von Digitalisierungszielen gemessen. Man setzt zu oft auf den guten Willen – auch bei denen, die diesen nicht haben.

Ein besonderes Problem betrifft Bürgermeister in der ersten Amtsperiode: Diese richten sich oft zu stark an der öffentlichen Wahrnehmung aus. Ohne eine solide verwaltungsinterne Basis treiben sie daher öffentlichkeitswirksame Projekte voran – zulasten einer notwendigen, aber oft unpopuläreren Grundlagenarbeit.

Oft ist die Strategiearbeit nicht handlungsleitend

Generell fehlt es oft an wirksamer Steuerung der Digitalisierungsbemühungen.  Das Erarbeiten einer Digitalisierungsstrategie wird als externe Berateraufgabe verstanden oder an einzelne Personen innerhalb oder außerhalb der Organisation delegiert, etwa als Auftrag an Studierende im Rahmen einer Abschlussarbeit. Doch die durchgängige Unterstützung durch die Verwaltungsspitze, die Management-Attention, fehlt.

Denn Strategiearbeit ist bei vielen losgelöst vom Tagesgeschäft und wird nicht handlungsleitend. Es geht nur darum, ein Konzeptpapier vorweisen zu können. Steuerung im ganzheitlichen Sinne – also schrittweise von der Gesamtstrategie zur Teilbereichsstrategie über die Umsetzungsplanung bis hin zum Umsetzungscontrolling – wird nicht gelebt.

Der fehlende Mut, klare Prioritäten zu setzen und auch einmal Nein zu sagen, etwa zu Forderungen von Gemeinderäten, hat oft fatale Folgen: Die Organisationen werden mit „strategischen Initiativen“ überfrachtet. Vieles wird dann angefangen, besonders, wenn es ein Förderangebot dafür gibt. Es wird aber nicht oder nur suboptimal zu Ende gebracht.

Auch die Agilität und Durchlässigkeit der Organisationsstruktur lässt häufig zu wünschen übrig, Stichwort „Ämtersilo“. Dieses Grundproblem wird durch den einen oder anderen (mehr oder weniger agilen) Krisenstab nicht behoben. Dazu kommt oft die Angst vor Verlust der Daseinsberechtigung auf den Führungsebenen im Kontext von New-Work-Ansätzen. Fehlendes Zutrauen in die Mitarbeitenden spielt auch eine Rolle.

Defizite gibt es auch bei den Geschäftsprozessen.

Vorschläge zum Abbau von Digitalisierungshürden

Oft fehlt die Professionalisierung für Geschäftsprozess- und Projektmanagement. Daher bleiben auch Ergebnisse externer Expertise, eingekauft über Kooperationen, stellenweise über Jahre hinweg ungenutzt.

Ohne Digitalisierungsstrategie gibt es auch keine strategische Personalentwicklung. Die aktuelle Antwort der Verwaltungen besteht derzeit häufig darin, Digitalisierungsbeauftragte zu beschäftigen und Multiplikatoren zu implementieren. Doch das genügt nicht.  Nehmen die oberen Führungsebenen ihre Aufgabe als Personalentwickler nicht wahr, gefährden sie die gesamte Verwaltungsorganisation. Denn bei der Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung ist eine Verzögerungen von drei oder vier Jahren eine Ewigkeit. Und die kompetenten nachgeordneten Fach- und Führungskräfte haben dann längst das Weite gesucht.

Professionalisierung aller Führungsebenen ist nötig

Was ist zu tun?

Ein konsequentes, strategisches Personalmanagement mit Fokus auf Digitalkompetenz im umfassenden Sinne ist zu etablieren, abgeleitet aus der Gesamtstrategie der jeweiligen Verwaltung.

Die umfassende und verpflichtende Professionalisierung aller Führungsebenen ist nötig, mindestens bei Geschäftsprozessmanagement, Projektmanagement, Innovationsmanagement und strategischer Steuerung. Idealerweise erfolgt dies interkommunal, noch besser auch mit der Wirtschaft.

Die Innovationsfähigkeit muss gezielt gefördert werden, etwa durch neue Ansätze beim Onboarding. Wie wäre es mit einem halben Jahr Tätigkeit in der Wirtschaft, ehe jemand eine Führungsposition in der Verwaltung übernimmt? Auch sollten verstärkt Quereinsteiger rekrutiert werden und jedes Programm zur Nachwuchsentwicklung muss Innovationsaufgaben umfassen.

Quelle/Autor: Claudia Schneider

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