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Aschermittwoch der Grünen muss Konsequenzen haben
Es ist kein Versprechen, zumindest soll es wirken wie eine Feststellung, wenn Winfried Kretschmann sagt, die Ereignisse von Biberach würden sich „nicht wiederholen“. Weil nicht sein könne, „dass der Ministerpräsident in seinem eigenen Land eine Traditionsveranstaltung seiner Partei nicht durchführen kann“. Der Weg wird steinig. Polizeiverantwortliche bestehen darauf, dass der Einsatz in der Einsatzplanung vor Ort taktisch richtig gelaufen ist. Auch Innenminister Thomas Strobl (CDU) stellte sich im Innenausschuss vor die Einsatzkräfte und erklärte, die hätten keine anderen Erkenntnisse gehabt und wären in der Lage gewesen, die Durchführung der Veranstaltung zu ermöglichen. Zugleich zog er als ersten Schluss, dass „solche Termine offenbar mehr Kontrolle und Polizeischutz benötigen“.
Alle, die am Aschermittwoch ab morgens in der Halle waren, wissen allerdings, dass kein einziger der verantwortlichen Beamten vor Ort bereit war, vor Beginn der Veranstaltung bereit war, Rede und Antwort zu stehen mit der Botschaft: Die Kundgebung sei durchführbar.
Parteien finden keinen Umgang mit ausufernden Bauernprotesten
Dabei waren schon kurz vor Weihnachten Stimmung, Parolen und Plakate bei der Bauern-Demonstration vor dem baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium höchst aggressiv. Der FDP-Landtagsabgeordnete Georg Heitinger (FDP) fühlte sich an den Sturm auf das Kapitol in Washington erinnert.
Ebenso aufgewühlt konnte der Grünen-Abgeordnete Martin Hahn am Rednerpult des Landtags seine Tränen nicht zurückhalten, als er von der Sorge um die Demokratie sprach. Wirklich ernstgenommen wurden die Warnzeichen nicht.
Grüne, CDU, SPD und FDP sind zwar geübt im parlamentarischen Schulterschluss gegen die AfD. Ein gemeinsamer Umgang mit dem derart ausufernden Teil der Bauernproteste konnte nicht gefunden werden – noch nicht. Nur so kann, wenn überhaupt, aber gelingen, einen ausreichend großen Teil jener Trekker-Fahrer, die sich ab 2.45 Uhr in Biberach in tiefer Nacht zum Protest formierten, mit Argumenten und Erklärungen wieder zu erreichen. Viele fühlen sich seit Jahren schlecht behandelt.
Zu viele sind bürokratisch entwurzelt
Sie sind undifferenziert wütend, auf Behörden, auf die EU, auf die Ampel. Zu viele sind demokratisch entwurzelt. Gerade deshalb muss in der realen Welt Kretschmanns Staatsministerium zumindest den Versuch starten, zu einer Gesprächsbasis zurückzufinden. Seit Monaten arbeitet der „Strategiedialog Landwirtschaft“, versteht sich als Plattform für alle „relevanten Akteurinnen und Akteure, um sich zu vernetzen und gemeinsam Lösungsansätze zu erarbeiten“.
Bisher geht es um Wertschöpfung oder Naturschutz als Geschäftsmodell, um Biodiversität und den Einzelhandel. Empfehlungen können nicht verabschiedet werden, ohne auf aktuelle Geschehnisse zu reagieren. Gerade die traditionellen Bauernverbände sind aufgerufen, sich nicht nur von Randalierern zu distanzieren, sondern offensiv vom grassierenden Politiker- und Brüssel-Bashing.
Außerdem ist dringend geboten, sich im Netz umzutun, konkrete Schritte zu unternehmen gegen diesen Trend zu persönlichen Verunglimpfungen, zu Lügen und Unterstellungen, zu einer notorisch anschwellenden Radikalisierung. Auch dafür ist das passende Gremium praktischerweise vorhanden.
„Entschlossen gegen Hass und Hetze“
Schon vor zwei Jahren hat der Kabinettsausschuss „Entschlossen gegen Hass und Hetze“ seine Arbeit aufgenommen, eine Taskforce im Landeskriminalamt (LKA) versteht Innenminister Thomas Strobl (CDU) als einen „ganz wichtigen, ideengebenden und gleichzeitig gestaltenden Motor“. Ganz der Ankündigung im grün-schwarzen Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021 entsprechend.
Bisher ganz und gar zu kurz gekommen ist übrigens, was der Ministerpräsident, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir oder der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin (alle Grüne) auf der Traditionsveranstaltung, deren Sicherheit die Polizei nicht gewährleisten konnte, eigentlich gesagt hätten.
Sie hätten sicher Verständnis für den Bauernstand und dessen Anliegen geäußert, hätten aber auch in den Blick gerückt, dass strengerer Klima- und Naturschutz sein muss, um das Land lebenswert zu erhalten. „Bauerntod bringt Menschen Not“, hieß einer der Trekker-Slogans. Stimmt, aber das gilt mehr noch für die Erderwärmung mit ihren verheerenden Folgen. Erst vor wenigen Tagen haben Forscher aus den USA und Australien eine Studie präsentiert, die davon ausgeht, dass das 1,5-Grad-Ziel bereits um 0,2 Grad Celsius gerissen ist.