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Glosse

Armlehnen-Diplomatie im Zug: Mit Ballgefühl und Ellenbogen

Zwei Ellenbogen, eine Armlehne – mehr braucht es nicht, um den politischen Betrieb in Miniaturform zu erleben. Eine Zugfahrt wird zum Spiegel von Macht, Taktik und der Kunst, sich niemals freiwillig zurückzuziehen.

Ein cleverer Eckstoß wird zur Metapher für taktische Brillanz – auf dem Spielfeld und im politischen Alltag.

IMAGO/Mika Volkmann)

Die Mittelarmlehne im Zugabteil ist das perfekte Trainingslager politischer Karriereplanung: neutral, schmal, aber strategisch entscheidend. Zwei scheinbar harmlose Menschen sitzen nebeneinander, doch hinter der vordergründigen Gelassenheit beginnt ein erbitterter Kampf um Zentimeter. Still setzt das subtile Drängen ein. Erst ein vorsichtiges Antasten mit der Ellenbogenspitze, dann folgt das entschlossene, taktisch geschickte Nachsetzen. Langsam, aber unnachgiebig rückt der Arm des Sitznachbarn näher.

Wer nachgibt, verliert – so lautet das ungeschriebene Gesetz der Armlehnen-Diplomatie. Ein Zentimeter weniger Armlehne bedeutet schließlich ein Stück weniger Würde, ein klein wenig weniger Souveränität. Wer hier Schwäche zeigt, hat schon verloren – ganz so, als würde man einem politischen Gegner höflich die Redezeit überlassen. Politische Karrieren sind daran gescheitert, diplomatisch den Ellenbogen zu früh einzuziehen.

So mutiert die Armlehne im Regionalexpress zur Probebühne politischer Machtspiele. Auch auf dem Fußballplatz zeigt sich, wie clever Ellenbogenmentalität sein kann: Deutschland trickst Italien dank eines blitzschnellen Balljungen mit einer Ecke aus. Früher hätte man das unsportlich genannt – heute heißt es taktische Brillanz. Eine klare Empfehlung auch an den politischen Betrieb: Wer höflich wartet, verliert den Ball. Also lieber Ellenbogen raus und durchziehen. Heute ist es nur eine Armlehne, morgen vielleicht schon ein Ausschussvorsitz, übermorgen das Ministeramt. Wer den Ellenbogen beherrscht, dem gehört schließlich auch der Rest.

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