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Fachgespräch im Stuttgarter Landtag

Ganztagsschulen: Angebot an Schüler soll nicht überfrachtet werden

Die Liste der Wünsche hat Überlänge: In einem Fachgespräch im Stuttgarter Landtag hat die Grünen-Landtagsfraktion zusammengetragen, welche Anforderungen Beteiligte an gute Ganztagsschulen haben. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) wartet mit einem Finanzierungsversprechen im Volumen von 800 Millionen Euro auf.

Bei einem Fachgespräch zur Ganztagsschule steht auch Kultusministerin Schopper den Teilnehmern Rede und Antwort.

Lena Lux)

Stuttgart. „Niemand muss das Rad neu erfinden“, sagt Franziska Freihart vom Städtetag Baden-Württemberg und verweist auf die Zusammenarbeit vieler Städte. Sowie auf den Austausch untereinander zum Thema Ganztagsschule, der längst gut entwickelt sei im Südwesten. Die Kinderstimmen, die die Freiburger Grünen-Abgeordnete Nadyne Saint-Cast zur Einstimmung per Film präsentiert, rücken aber sehr wohl Neues und Anderes in den Blick.

Schüler kommen beim Fachgespräch auch zu Wort

Mehr Grün wünscht sich ein Mädchen, mehr Teppiche ein Junge wegen der rutschigen Böden, ein zweiter, dass Schule erst um neun Uhr beginnt, ein dritter möchte mehr Räume, um mal Ruhe zu finden, „damit der Kopf nicht überhitzt“. Es geht um besseres Essen statt zu weicher Nudeln, um Extrastunden für Theater oder Zirkus. Eine Schülerin lobt jene Lehrkräfte, die die Klasse auf einen hohen Baum klettern lässt: „Die haben Vertrauen in uns.“

Auf den Boden harter Tatsachen holt die Debatte viele der Fachleute zurück. Denn beim Rechtsanspruch auf eine Ganztagsgrundschule ist weiterhin vieles ungeklärt, so zum Beispiel, wie die Umsetzung in den 800 sehr kleinen Grundschulen im Land funktionieren soll. Offene Fragen zur Einbindung von Vereinen werden gestellt. Sabine Wölfle, Präsidentin des Oberbadischen Blasmusikverbands und früher SPD-Landtagsabgeordnete, erinnert daran, dass gerade im ländlichen Raum Kinder ihre Musiklehrkräfte aufsuchen, nicht umgekehrt. Die Bildungsorte außerhalb der Schulen müssten also mitgedacht werden. Eine Vertreterin des Kinderschutzbunds fordert Weiterbildungen und Schutzkonzepte: Alle, die am Ganztag beteiligt sind, müssten eine „gemeinsame Haltung“ haben. Eine Beamtin aus dem Landwirtschaftsministerium greift einen der Kinderwünsche auf: „Mir kommt das Essen hier zu kurz.“ Ihrem Haus sei nachhaltige Ernährung „ganz wichtig“ – ohne gut geplante Räume und gute Ernährung seien Lernen oder Bewegung nicht möglich.

Expertin betont Notwendigkeit individueller Förderung

Christoph Palm, Präsident des Landesmusikverbands und früherer Oberbürgermeister von Fellbach und CDU-Landesabgeordneter, mahnt mehr pädagogische Verbindlichkeit für die ehrenamtliche Mitarbeit an: „Wir brauchen Fortbildungen nicht in eine wolkige Richtung, sondern zielgerichtet.“ Joshua Meisel, Vorsitzender des Landesschülerbeirats, greift einen Aspekt aus dem Vortrag der Bildungswissenschaftlerin Anne Sliwka auf, wonach Kinder aus bildungsbürgerlichen Familien bis zum Schuleintritt etwa 45 Millionen Worte gehört haben, Kinder aus bildungsfernen Familien dagegen nur 15 Millionen. „Wir brauchen eine Vorlese-Offensive, um diesen Mangel zu beheben.“

Sliwka liefert den wissenschaftlichen Überbau, etwa zur dringenden Notwendigkeit individueller Förderung, um Ganztagsunterricht erfolgreich zu gestalten. Die Heidelberger Professorin hat zur Illustration zwei Bilder mitgebracht: eines mit drei Kindern, die über eine Mauer zu einem Spielplatz wollen und auf drei gleich großen Würfeln stehen, und ein zweites, auf dem jedes Kind die passenden Hilfen bekommt, etwa unterschiedliche Leitern, zur Überwindung der Mauer. „Jedes Kind hat das Recht auf ökonomische, politische, soziale und kulturelle Teilhabe an der Gesellschaft“, sagt Sliwka. Gemeinsam müsse in der Schule das Fundament dafür gelegt werden.

Schulbau und Sprachförderung werden massiv aufgestockt

Über die Entwicklung guter Ganztagsangebote könne dazu die notwendige Schultransformation insgesamt gelingen: durch die Teamarbeit von Lehrkräften, Zeitstrukturen, eine kluge Raumnutzung und moderne Methoden der Leistungsbewertung. Auch der Landesschülerbeirat erhofft sich einen veränderten Blick auf Leistungsbewertung und Noten. „Es muss klar sein“, verlangt Meisel, „dass wir nicht wegen der Noten in der Schule sind, sondern um uns weiterzuentwickeln.“

Den finanziellen Überbau hat Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz bereits vor der Veranstaltung umrissen. So wird nach den Vereinbarungen mit der CDU  die Schulbauförderung um 50 Millionen auf 250 Millionen Euro im Jahr erhöht. Und in die als so wichtig identifizierte Sprachförderung fließen im Doppelhaushalt 2025/2026 rund 230 Millionen Euro. Schopper denkt über diese Frist hinaus, wenn sie sogar jene 800 Millionen Euro öffentlich macht, die aus Landesmitteln in den Ganztagsausbau gesteckt werden sollen – „verteilt auf mehrere Haushaltsjahre“.

Was der Gemeindetag will

Für den Gemeindetag betonte Patrick Holl beim Fachgespräch die Bedeutung der Nachmittagsbetreuung neben der Ganztagsschule und die finanziellen Herausforderungen. Man stehe in der Verantwortung, gegebene Versprechen einzulösen und „das Vertrauen der Leute nicht wieder einmal zu enttäuschen“. Gerade in der Fläche werde die Umsetzung schwierig. Und der Bildungsexperte mahnte die Landesregierung, die Finanzierung der Betriebskosten zeitnah mit den Kommunen zu lösen.

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