US-Wahl

Als die Sonne herauskommt, hat Trump es geschafft

Am Ende ist Donald Trump wieder der Partycrasher – wie schon bei der Stuttgarter „Election Night“ vor acht Jahren. Der 45. wird auch der 47. Präsident der USA, was viele der 500 nächtlichen Besucher beunruhigt.

Wäre es nach der Mehrzahl der Besucher der Stuttgarter Wahlparty gegangen, hätte Donald Trump keinen Sieg verkünden können – weder am Mittwochmorgen noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt.

dpa/Tayfun Coskun)

Stuttgart. Am Aschermittwoch ist bekanntlich alles vorbei, aber dass man auch an einem gewöhnlichen Mittwoch verkatert sein kann, lässt sich an diesem Novembermorgen im „Look 21“, einer Eventlocation im Stuttgarter Norden, beobachten. Der vollverglaste, geschwungene Bau, in dem auch der Arbeitgeberverband Südwestmetall untergebracht ist, hat eine unruhige Nacht erlebt. Dabei hat es keinen Streit gegeben, weil es dazu immer zwei braucht. Und Donald-Trump-Fans sucht man bei der „Election Night“ des Deutsch-Amerikanisches Zentrums (DAZ) und der Landeszentrale für politische Bildung fast vergebens.

Dan Schumacher gehört gewiss nicht dazu. Der 23-jährige Geografiestudent ist am Vorabend mit einer gehörigen Portion Optimismus angereist. Doch um 6 Uhr ist aus Hoffnung Frust geworden – darüber, dass es für Kamala Harris wohl nicht reicht. Nun bleibt nichts anderes übrig, als zurück nach Freiburg zu reisen: Um 10.30 Uhr ist Vorlesung.

Ganz so streng ist Carlas Klassenlehrerin nicht. Die Zwölfjährige ist mit ihrem Vater und einer Freundin in die Türlenstraße unweit des Stuttgarter Hauptbahnhofs gekommen. Am Tag danach dürfen die beiden Mädchen die Schule schwänzen. Sie bleiben bis zum Frühstück, das, wie es sich für eine Election Night gehört, aus Rührei, gebratenem Speck, Muffins, Brötchen und Müsli besteht.

„Wir Demokraten glauben an das, woran wir glauben“

Da zeigt sich am Stuttgarter Himmel bereits ein leichter Anflug von Morgenröte, doch so richtig sonnig wird es den ganzen Tag über nicht, oder nur kurz, als Trump am Vormittag die Schallmauer der 270 Wahlmänner durchbricht. Es ist ein trüber Novembermittwoch. Der goldene Herbst, der am Vortag noch die Schwaben verwöhnte, macht Pause.

Dabei hatte alles so schön begonnen. Die Veranstaltung sei im Nu ausgebucht gewesen, wie DAZ-Direktorin Christiane Pyka berichtet. 500 Gäste tummeln sich am Dienstagabend um kurz nach acht im großen und im kleinen Saal und in der weitläufigen Lobby. Erst die Grußworte, dann die Podiumsdiskussion: Studierende streiten über Fluch und Segen des US-Wahlmännersystems. Dem schließt sich eine zweite, politischere Debatte an. Unter der Leitung des langjährigen SWR-Amerikakorrespondenten Arthur Landwehr diskutieren Michael Pierce vom Verband „Republicans Overseas“ und Lauren Frick von „Democrats Abroad“.

Spätestens da wird auch den deutschen Zuhörern klar, wie unversöhnlich sich die politischen Lager in den Vereinigten Staaten von Amerika gegenüberstehen. Und wie sehr derjenige polarisiert, der in dieser Nacht zum 47. amerikanischen Präsidenten gewählt wird. Frick, die mit einem Deutschen verheiratet ist und in Stuttgart Englisch unterrichtet, denkt gar nicht daran, aus taktischen Gründen Überzeugungen über Bord zu werfen. „Wir Demokraten glauben an das, woran wir glauben“, schleudert sie dem Moderator entgegen, als der sie darauf hinweist, dass 40 Prozent der hispanischen Frauen Trump wählten, weil sie anders als die Demokraten gegen Abtreibung seien.

Lauren Frick nennt Donald Trump wiederholt einen Faschisten. Fast kann einem da ihr Gegenüber leidtun. Zum einen verfügt Michael Pierce, der aus den USA zugeschaltet ist, über eine denkbar schlechte Leitung. Zum anderen ist er sogar bereit, auf seine Kontrahentin zuzugehen. So etwa beteuert er, er sei auch dafür, dass Frauen über ihren Körper entscheiden dürfen. Trump habe die Frage doch lediglich delegiert, gibt er zu bedenken – an die Einzelstaaten.

Letztlich entscheidet das Thema Abtreibung aber wohl doch nicht die Wahl. Das tut schon eher die Inflation. Sie liegt derzeit zwar nur bei zwei Prozent, bewegte sich aber unter Biden schon in ganz anderen Höhen. Die Demokratin Frick widerspricht nicht, als der Moderator sie darauf hinweist, dass das Steak im Supermarkt jetzt zehn Euro koste und unter Trump noch sieben. „Ich war schockiert, als ich im Sommer meine Mutter in Florida besuchte und die Preise sah“, räumt die Englischlehrerin ein. Da spielt es auch keine Rolle, dass unter Trump die Staatsverschuldung doppelt so schnell angestiegen sei wie unter Biden, wie der ehemalige Amerikakorrespondent relativiert. Und dass die US-Wirtschaft im Weltmaßstab gut dastehe.

Inzwischen ist Mitternacht und die Wahl endet – jedenfalls hier. Das Votum der Gäste fällt wenig überraschend aus. 84 Prozent haben Harris ihre Stimme gegeben, 13 Trump, drei Prozent gehen an andere Kandidaten. Nur ist dieses Ergebnis völlig belanglos – anders als jene, die ab ein Uhr morgens eintreffen. Allmählich färbt sich die US-amerikanische Landkarte rot, also republikanisch. Nur rechts wird es blau, später auch links. Doch es will einfach nichts geschehen, was auf eine demokratische Mehrheit hindeutet.

„Ich hoffe nur, wir haben Donald Trump nicht vergrault“

Gegen halb sechs macht sich am Stand der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung Frust bemerkbar. „Ich finde es so schade, dass Amerika so wenig bereits ist für eine Frau“, sagt Janine Gast, Vorsitzende der Liberalen Frauen Mittelbaden. „ Es kommt doch nur auf die Swing States an“, wirft der Kollege der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung ein. Eine weitere Kollegin hat ganz andere Sorgen: „Ich hoffe nur, wir haben Donald Trump nicht vergrault.“

Bei den Ständen der Grünen- und SPD-nahen Stiftungen hält man sich vornehm zurück, was auch damit zu tun hat, dass sie zu dieser Uhrzeit fast verwaist sind. Das ist kurz nach vier noch anders: Da sitzen die Vertreter aller Stiftungen zusammen und spielen Karten, damit ihnen die Augen nicht zufallen.

Gegangen ist zu diesem Zeitpunkt schon die politische Prominenz, die allerdings so prominent nicht ausfällt. Am auffälligsten ist da noch das Trio der drei sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Sascha Binder, Nicolas Fink und Florian Wahl. Wobei Wahl augenzwinkernd einräumt, dass seine Präsenz möglicherweise nicht förderlich ist. Schließlich war er schon einmal bei einer langen Wahlnacht in Stuttgart dabei, 2016 bei der IHK. Damals wurde der 45. Präsident gewählt, der bekanntlich auch Donald Trump hieß. Auch ein paar Grüne begegnen einem – etwa Johannes Kretschmann, Kreisrat in Sigmaringen und Sohn des Ministerpräsidenten.

Gegen Morgen, es befindet sich nur eine Handvoll Besucher im großen Saal, wird der Reporter dann doch fündig. Eine ältere Dame outet sich als Trump-Anhängerin und dies „seit 30 Jahren“. Gut finde sie auch den ehemaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus, der wie sie aus Mühlacker stammt und ebenfalls bei Alcatel arbeitete. Doch im Übrigen sei sie von der CDU abgekommen – wegen Angela Merkel. Sie neige inzwischen eher zur FDP. Zögerlich ist sie zu dem Zeitpunkt noch, was die Gewinnaussichten von Trump angeht: „So sicher ist das alles noch nicht.“

Doch irgendwann weicht der Zweifel der Gewissheit und die lange Nacht dem neuen Tag. Auf der Heilbronner Straße, die vor dem Gebäude verläuft, ist wieder viel Verkehr – anders als um drei, als man noch, ohne auf die Ampel zu achten, über die Straße gehen kann.

Clara holt sich eine Mandarine vom Frühstücksbuffet. Es hat sich also gelohnt, zu bleiben, auch wenn nicht alle Blütenträume reifen. Aber was will man auch erwarten, wenn im Spätherbst auf der anderen Seite des großen Teichs gewählt wird?

Der Termin soll ja deshalb gewählt worden sein, weil Anfang November die Ernte eingebracht war und die Bauern für andere Dinge Zeit hatten. Auch eine Sache, die man nicht wüsste, hätte man sich nicht die Nacht um die Ohren geschlagen.

Wahlpartys machen müde, zumindest, wenn man so lange aufbleibt wie Johannes Kretschmann (unten rechts), Sohn des Ministerpräsidenten. Die Sozialdemokraten Sascha Binder, Nicolas Fink und Florian Wahl (Mitte, von links) sind da längst gegangen, wie viele der 500 Besucher. Fotos: Michael Schwarz (2), dpa/Christoph Schmidt

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