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Von Heidelberg aus den Markt erobern

Das Berliner Ensemble ist mit „RCE#RemoteCodeExecution“ von Sibylle Berg in der Regie von Kay Voges zu Gast. FOTO: MARCEL URLAUB
Marcel Urlaub)Heidelberg. „Die eingeladenen deutschsprachigen Gastspiele spiegeln die brandaktuellen, öffentlichen Diskussionspunkte unserer Zeit wider“, sagt Intendant Holger Schultze. Das sei „ein Beweis mehr, dass Theater ein wichtiger Verhandlungsort für unsere demokratischen Werte ist und bleiben muss“. Durchaus passend ist deshalb auch das diesjährige Gastland China.
Der Stückemarkt holt wichtige Uraufführungen nach Heidelberg: Das Berliner Ensemble etwa ist mit „RCE#RemoteCodeExecution“ von Sibylle Berg in der Regie von Kay Voges zu Gast. Fünf Computer-Nerds wollen die Welt der nicht so fernen Zukunft zu einem Neustart bewegen. Sämtliche Lebensbereiche sind digitalisiert und kommerzialisiert. Der umfassende Cyber-Angriff auf die digitalen Lebensgrundlagen führt zum Kollaps – denn „wenn man siegen will, muss man von Menschen lernen, die den Planeten besitzen, ihn ruinieren und im Anschluss verlassen wollen“.
Zahlreiche Stücke setzen politische Statements
Mit dabei sind auch das Deutsche Theater Berlin mit Rosa von Praunheims „Die Insel der Perversen“, das Schauspiel Leipzig, das aktionstheater ensemble Wien und Vorarlberg oder das Schauspiel Frankfurt, das „Leaks. Von Mölln bis Hanau“ präsentiert. Das Dokumentationstheater setzt sich mit den rassistischen Morden in Mölln, mit den NSU-Opfern und der rechten Szene auseinander. „Viele für den Wettbewerb nominierte Stücke sind politische Statements“, sagt Popig. In den letzten Jahren waren die Nachgespräche sehr gut besucht. „Das Publikum will schauen und diskutieren.“
Kernelement des Stückemarkts sind eben auch die Wettbewerbe, die neben den Uraufführungen zur DNA des Festivals gehören. Das findet in diesem Jahr zum 42. Mal statt und hat sich über die Zeit verändert. „Es wurden neue Elemente dazuerfunden“, meint Popig. Der renommierte Autorenwettbewerb mit den Lesungen sei „als Sprungbrett für neue Autoren gedacht. Die Autoren können sich mit einem neuen Stück präsentieren und so „den Markt erobern.“
Dass das gut funktioniert und ein etabliertes Forum ist, zeigt allein schon die Zahl der Einreichungen: 103 Einsendungen, von denen sechs in die Vorauswahl für den Autorinnenpreis gekommen sind, dazu kommen drei Übersetzungen chinesischer Stücke für den internationalen Autorinnenwettbewerb. „Ein Ziel ist es, auch die Stücke aus dem Gastland für den deutschen Theaterbetrieb zu gewinnen und den Markt so zu öffnen“, so Popig. „Der Stückemarkt hat da eine Scharnierfunktion, ähnlich wie andere Festivals, etwa die Mülheimer Theatertage.“
Von diesen wird traditionell auch der Preisträger des Kindertheaterstücks präsentiert. Entsprechend geht der Sieger des seit 14 Jahren etablierten Heidelberger Jugendstückepreises zu den Mülheimer Theatertagen. Für ihn nominiert ist mit „Nice“ von Kristo Šagor auch eine Produktion des Theater Konstanz.
Der SWR Kultur Hörspielpreis wird mittlerweile zum fünften Mal vergeben. Der Nachspielpreis ist mit Blick auf eine nachhaltige Förderung neuer Dramatik eingeführt und mit einer Einladung zu den Autorinnentheatertagen Berlin verbunden.
Erstmals wird ein Preis für Figurentheater vergeben
Erstmals vergeben wird der FIDENA Stückepreis für Figurentheater, „um die Verbindung zwischen neuer Dramatik und Figurentheater zu stärken“. Daher kooperiert das Theater und Orchester Heidelberg mit dem Deutschen Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst sowie dem Musiktheater im Revier Gelsenkirchen.
Mit China habe man „ein kompliziertes Gastland gewonnen“, so Popig. „Es ist ein riesiges Land mit einer vielfältigen Kultur, es ist fast vermessen, das an einem Wochenende vorzustellen.“ Gezeigt werden zwei in China erfolgreiche Produktionen. Ein drittes Stück durfte im Land selbst nicht produziert werden, wird nun in Heidelberg aber als szenische Lesung präsentiert. „Die Szene ist viel lebendiger, widerständiger und aufmüpfiger, als wir uns das vorstellen“, sagt Popig. „Es findet eine moderne kritische Auseinandersetzung mit der chinesischen Tradition statt – und das auf einem technischen Niveau, von dem wir etwas lernen können.“