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Raus aus der Kunstbubble hin zu anderen Welten
Heidelberg/Stuttgart. „Hören mit Helmholtz“ bedeutet: Neue Musik trifft Wissenschaft. Die dritte Biennale für Neue Musik in der Metropolregion Rhein-Neckar vom 31. Januar bis 16. Februar lebt von der Begegnung von Klang und theoretischem Austausch. Hermann von Helmholtz, Physiker im Heidelberg des 19. Jahrhunderts, steht Pate für die thematische Auseinandersetzung, die unterschiedlichste Institutionen zusammenführt. Gemeinsamer Kern: die Neue Musik.
„Wir wollen Mauern im Kopf einreißen“, sagt Dominique Mayr vom KlangForum Heidelberg: Zunächst einmal mit dem Ansatz der Biennale, „das bisherige Paralleldasein“ der Institutionen, die alle Neue Musik in ihrem Portfolio haben, zu durchbrechen. Zusammengetan haben sich unter anderen das Nationaltheater Mannheim, das Theater und Orchester Heidelberg, KlangForum Heidelberg, die Gesellschaft für Neue Musik Mannheim, das Ernst-Bloch-Zentrum sowie das Institut für Theoretische Physik und das Seminar für Musikwissenschaft der Uni Heidelberg.
Das Programm bietet auch Vorträge und eine Ausstellung
„Wenn wir die Kräfte bündeln und Schwerpunkte suchen, entsteht ein Mehrwert für alle Institutionen, weil sich eine bessere Sichtbarkeit erreichen lässt“, ist Mayr überzeugt. Gefördert wird die Biennale von der Baden-Württemberg Stiftung und mit unterstützt von den Städten Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen.
„Hören mit Helmholtz“ bietet ein breites Rahmenprogramm, um sich dem Thema Musik, Ton-/Klangerfahrung und Wissenschaft zu nähern – vom Vortrag über eigens in Auftrag gegebene Kompositionen und Uraufführungen bis zu Konzerten und einer Ausstellung. „Man kann zu verschiedenen Tageszeiten über die einzelnen Institutionen Zugang zum Thema finden und so auch andere Institutionen kennenlernen“, so Mayr. Gerade weil die Thematik auf den ersten Blick sperrig ist, habe man versucht, „das interdisziplinär zu gestalten, um Öffnungen zu schaffen“.
Mit dem KlangForum Heidelberg und dem Ensemble Recherche aus Freiburg treffen sich in Heidelberg die Spitzen der Neuen Musik aus dem Land. „Die hat hier eine tolle Entwicklung genommen und mit Ensembles in Stuttgart, Heidelberg und Freiburg starke Musikplayer“, sagt Mayr. „Und das Experimentalstudio in Freiburg ist ebenfalls ein Juwel.“ Bisher stehe man, „was die Unterstützung der neuen Musik angeht, im Land noch auf der Sonnenseite“. Dort tummelt sich definitiv auch das Eclat Festival Neue Musik in Stuttgart, das von Musik der Jahrhunderte vom 5. bis 9. Februar veranstaltet wird.
Das Festival hat sich in über 40 Jahren ein internationales Renommee erarbeitet und wird vom Land und der Stadt Stuttgart institutionell gefördert. „Eclat ist ein Hotspot für junge Komponisten, die jenseits der disziplinären Grenzen arbeiten“, sagt Dramaturgin Annette Eckerle. „Die junge Generation ist viel politischer als vor zehn, fünfzehn Jahren und ist stark von der unübersichtlichen politischen Situation beeinflusst.“ Was sich im Programm spiegelt: Gesang ist kombiniert mit Video-Performance in der Trilogie von Uwe Rasch „Mit Ach und Krach“, während Alex Paxton im Eröffnungskonzert „Das Spiel Das Leben“ Stimmen, Ensemble und Elektronik kombiniert.
Im „ABC der Ausrufe“ werden in einer künstlerischen Interpretation des belarussischen Alphabets Comiczeichnung, Dichtung, Komposition und Animationsfilm zusammengeführt, um über „das eigenen und das öffentliche Wertesystem nachzudenken“. Das Programm sei einerseits ein „Abbild der Bewegungen, die sich in der Kunstwelt präsentieren“: Wie funktioniert die Szene? Wer ist interessant? Wer hat die Qualität?, so Eckerle. „Andererseits versteht sich Eclat auch politisch. Es geht darum, wie man Zivilgesellschaft in ihrer Veränderung abbildet. Wir wollen raus aus der Kunstbubble hin zu Welten, die wenig mit uns zu tun haben.“
Deswegen lässt man das klassische Konzertsetting hinter sich. „Die Kunst ist oft in den visuellen, theatralischen Raum erweitert“, so Eckerle. Dadurch kann sich der Raum dafür öffnen, was den Festivalmachern ein Anliegen ist: Die Einladung, über die Stücke dahin zu kommen, „einander zuzuhören“, wie Festivalleiterin Christine Fischer es fasst. Als Zivilgesellschaft habe man „gemeinsam etwas zu erreichen, das wir nicht ‚nach oben‘ delegieren können. Das ‚Wir‘ und das ‚Miteinander‘ müssen viel mehr in den Blickpunkt geraten.“