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Olschowski: „Niemand hat hier ganz den Hut auf“
Stuttgart. Gastgeberin Susanne Herre, Hauptgeschäftsführerin der IHK Region Stuttgart, präsentiert gleich zu Anfang im IHK-Haus in Stuttgart einschlägige Zahlen: Die Kreativwirtschaft hatte 2023 einen Umsatz von rund 29 Milliarden Euro. Im Vergleich: Die Pharmaindustrie hatte einen Umsatz von 27 Milliarden Euro, das Gastgewerbe 13 Milliarden Euro. Stuttgartlastig wurde es dann mit dem neuen Film über den Choreographen John Cranko, der das Stuttgarter Ballett in den 1960er-/70er-Jahren zu Weltruhm brachte.
Der Film feierte gerade mit viel Prominenzanwesenheit und rotem Teppich seine Premiere. Auch Olschowski und Schoner waren da.
Fünf Prozent vom Gesamthaushalt sind für die Kultur veranschlagt
„Hält Stuttgart Cannes stand?“, fragt Herre dazu. „Läuft die Kreativwirtschaft hier nicht häufig unter dem Radar?“ Stuttgart habe sich an diesem Abend tatsächlich selbst gefeiert, findet Olschowski. Das sei in der Landeshauptstadt aber eher eine Seltenheit. Und ja, die Kreativwirtschaft liefe häufig unter dem Radar, was unterschiedliche Gründe habe. Etwa, dass sie in weiten Teilen beim Wirtschaftsministerium verortet ist, aber auch beim Kunstministerium. „Niemand hat ganz den Hut auf“, so Olschowski. Auch hätten die unterschiedlichen Sparten verschiedene Bedarfe. „Die Szene ist nicht homogen, sie spricht selten mit einer Stimme.“
Herre bringt das Gespräch auf den Doppelhaushalt des Landes. Von 136 Millionen fielen lediglich fünf Prozent auf das Kunstministerium. Ob das ok sei, will sie von Schoner wissen. „Die Frage ist, wie schaffen wir es, diese Energie, die in der Cranko-Zeit herrschte, in die nächsten 30 Jahre zu übersetzen? Was macht eine Region besonders?“, so Schoner. Eine Region, nicht zuletzt ihre Wirtschaftskraft, sei von einem „kreativen Environment“ abhängig. Olschowski ergänzt: „Da geht es nicht ums Ausgehen am Abend, sondern um Innovation.“ Die Kreativwirtschaft lebe von Innovation, Dynamik. Sie sei besonders für jüngere Menschen interessant, die man ja als Fachkräfte in die Region ziehen und hier halten wolle.
„Stuttgart ist spannend, es ist toll hier, Kunst zu machen“, so Schoner auf die Frage, ob Stuttgart überhaupt international wettbewerbsfähig sei. Man habe hier das beste Publikum der Welt. „Wenn die Leute in Stuttgart ein Stück nicht verstanden haben, gehen sie ein zweites Mal rein. In München gehen sie nach der Pause türenschlagend raus.“ Neugier, Innovation mache die Stadt besonders. „Und wie kriegen wir diesen Spirit nach außen?“, fragt Herre. „Darauf habe ich all die Jahre keine Antwort gefunden“, so Olschowski, die in Stuttgart aufgewachsen ist.
Auch die Opernhaussanierung kommt auf den Tisch
Es gebe keine Künstlerkneipe, kein Miteinander zwischen Start-up-Szene und Kulturszene, der Mut zur Selbstständigkeit erliege oft dem schwäbischen Hang zur Sicherheit. Dann kommt die Opernsanierung auf den Tisch, die aufgrund der hohen Kosten in Teilen der Politik und Bevölkerung umstritten ist. „Es soll nicht, es muss saniert werden“, sind sich alle einig. „Wir haben keine Wahl.“ Die Tänzerinnen von Schwanensee zögen sich im Gang um, es gebe nur ein Waschbecken für alle, um sich abzuschminken, schildert Olschowski den Platzmangel. Für die Uraltcomputer müssten Leute zum Reparieren aus der Rente kommen.
Im Landtag säßen nur wenige Leute, die Interesse an der Realisierung der Sanierung hätten, erzählt Olschowski. „Das Badische Staatstheater, die Kunsthalle Karlsruhe, das Badische Landesmuseum – die werden saniert, und die Stadt freut sich“, sagt sie. In Stuttgart beherrsche Neid und Eifersucht die Diskussion, es stehe stets die Frage im Raum, welche Rolle die Landeshauptstadt spielt. Manche Politiker hätten etwa vorgeschlagen, das SI-Centrum in Möhringen abzureißen und dort das Opernhaus zu bauen oder im historischen Opernhaus ein Hotel unterzubringen. Das, so Herre, mache sie depressiv, und erntet Gelächter aus dem Publikum .
Zuletzt wird ein Ausflug in die Hochschullandschaft gemacht, die in der Region ebenfalls stark vertreten ist. „Wir müssen unbedingt junge Leute in die Region ziehen“, so Olschowski, „wir müssen internationaler werden, offener sein.“ Die Kritik, dass im Land ausländische Studierende ausgebildet werden und dann gehen, lässt auch Schoner nicht gelten. „Ich habe in den USA studiert und bin nun hier. Wo ist das Problem?“