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Neunutzung von Kirchen bietet Chancen für die Allgemeinheit
Stuttgart. Für Barbara Saebel, Landtagsabgeordnete und Sprecherin für Denkmalschutz und Kulturerbe der Grünen-Fraktion, ist das ein schöner Termin: Die Besichtigung der Schlosskirche im Alten Schloss in Stuttgart. Diese wird seit Oktober restauriert unter Federführung von Vermögen und Bau Stuttgart.
„Die Kirche ist einer der kunsthistorisch wertvollsten Räume in Stuttgart“, sagt Saebel. „Hier finden Gottesdienste statt, aber sie wird auch schon heute mehrfach genutzt, etwa für Konzerte. Es ist sehr erfreulich, wenn der Unterhalt einer Kirche gesichert ist und wenn so profunde Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden, dass der Originalzustand möglichst auch für kommende Generationen erhalten werden kann.“
Das ist tatsächlich nicht immer der Fall, besonders jüngere Kirchen stehen angesichts ausbleibender Nutzung und steigender Kirchenaustritte zur Disposition. Ein großer Teil steht unter Denkmalschutz, für viele besteht Sanierungsbedarf. Die evangelische Landeskirche hat sogar eine Gebäudeampel eingeführt, die die Kirchen einstuft, inwieweit die Gebäude noch wirtschaftlich tragbar sind.
Barbara Saebel ist der Erhalt von Denkmalen und im besonderen Kirchenbauten ein Anliegen. Sie ist Initiatorin und Vorsitzende des Dachverbands für Denkmalpflege und Denkmalschutz denkmalnetz BW, der im Juli dieses Jahres gegründet wurde. Eine Arbeitsgruppe (AG), die sich noch in der Gründung befindet, will sich des Themas Kirchen annehmen. „Kirchen sind sakrale Räume und haben in der Seelsorge eine ganz wichtige Funktion. Aber sie haben auch eine Funktion im öffentlichen Raum: als Rückzugsraum sowie als Orte der Begegnung über gesellschaftliche Schranken hinweg“, sagt Saebel. Oftmals seien sie, wie auch Pfarr- und Gemeindehäuser, der Mittelpunkt von Ortschaften.
Deshalb sei es wichtig, so Saebel, diese Orte auch in Zukunft als öffentliche Räume zu erhalten. Etwa, indem man sie umnutzt, zum Veranstaltungsort für Konzerte, Lesungen, Basare oder für Kurse in Meditation oder Yoga macht. Denkbar ist vieles. Gute Beispiele gibt es auch. Etwa die Trinitatiskirche in Mannheim, die seit 2017 Spielstätte für zeitgenössischen Tanz und interdisziplinäre Projekte ist. Die Gründung des „Ein-Tanz-Hauses“ wurde ermöglicht durch die Zusammenarbeit von unterschiedlichen Akteuren und Akteurinnen aus Kunst, Kirche und Stadt. Oder die Elisabethkirche in Freiburg, die als Wohngebäude genutzt wird. In den Umnutzungsprozessen, die einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen, ist das Landesamt für Denkmalpflege einbezogen.
Die ehrenamtlich Engagierten der AG Kirchen wollen Beispiele der Umnutzung sammeln, sich mit bereits bestehen Initiativen wie etwa jene zum Kirchenmanifest (siehe Kasten) austauschen und interessierte Bürger, Vertreter der Kirchen und Kommunen sowie Fachleute zusammenbringen. Im Februar ist das nächste Treffen anberaumt, alle am Thema Interessierten sind willkommen. „Wir sollten die Kirchen mit diesem Problem deshalb nicht alleine lassen“, befindet Saebel.
Eine Möglichkeit sieht sie in der Einrichtung von Runden Tischen mit Interessierten und Akteuren. „Ziel wäre die Bildung von Verantwortungsgemeinschaften vor Ort, die sich zum einen überlegen, wie die Räume genutzt werden könnten, zum anderen, wie das bezahlt werden kann. Jede Gemeinde muss hier ihren eigenen Weg finden.“
Im Mai 2025 soll das Thema von Land und Kirche erörtert werden
Im Oktober stellte Saebel mit anderen eine Landtagsanfrage zum Thema „Weiternutzung und Zukunft kirchlicher Gebäude im Land“ (Drucksache 17/07620). Hier heißt es seitens des Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen: „In fachlicher Hinsicht steht das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (LAD) im Austausch mit den vier Landeskirchen, sofern es sich um die Umnutzung von denkmalgeschützten kirchlichen Gebäuden handelt. “ Im Mai 2025 soll das Thema in einer großen Dienstbesprechung zwischen der Landesdenkmalpflege und kirchlichen Bauämtern erörtert werden. „Wir werden nicht alle Kirchen retten können, aber: schlecht wäre es, gar nichts zu tun“, so Saebel. „Wenn diese besonderen Orte verschwunden sind, etwa durch Abriss oder Privatisierung, stehen diese den kommenden Generationen nicht mehr zur Verfügung – darüber muss man sich im Klaren sein.“
Das Schicksal der Schlosskirche in Stuttgart steht indes nicht zur Disposition. Sie wurde im Südwestflügel des Alten Schlosses von 1558 bis 1562 erbaut, 1865 im Stil der englischen Spätgotik neugestaltet, mehrfach renoviert und steht unter Denkmalschutz. Im Innenraum fallen vor allem der strahlend blaue Sternenhimmel und die vielen Stuckarbeiten ins Auge. Die Restaurierung soll rund ein Jahr dauern, danach wird eine neue Orgel installiert. Die verspricht einen noch schöneren Klang – nicht allein für die Gottesdienste, sondern auch für profane Konzerte.
Kirchenmanifest fordert Stiftung zum Erhalt von Kirchen
Das Kirchenmanifest wurde Anfang Mai 2024 veröffentlicht. Initiatoren sind unter anderen Vertreter von Baukultur Nordrhein-Westfalen, der Bundesstiftung Baukultur und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Das Manifest betont den Wert von sakralen Bauten. Die Initiatoren und Unterzeichner fordern eine gesamtgesellschaftliche Diskussion zum zukünftigen Umgang mit Kirchengebäuden sowie die Einrichtung einer Stiftung.