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In Heidenheim stehen die Chancen für ein Kulturzentrum gut
Stuttgart. Bereits vor zehn Jahren befürchtete die Stuttgarter Presse: „Ausverkauf bei den Gotteshäusern“. So weit wird es auch in Zukunft nicht kommen. Allenthalben sind Überlegungen im Gange, dem zunehmenden Veränderungsdruck zu begegnen. Im Blick haben die Beteiligten pastorale, denkmalschutzrechtliche und finanzielle Aspekte.
Nach Lösungen suchen nicht nur Verantwortliche der Kirchen. Auch der jüngst in Karlsruhe gegründete Dachverband für Denkmalpflege und Denkmalschutz denkmalnetz BW will sich einbringen. „Wir wollen einen Dialog zwischen Kirchengemeinden und Gesamtgesellschaft in Gang bringen und den Mehrwert der Kirchen für die Allgemeinheit deutlich machen“, sagt seine Initiatorin und Vorsitzende Barbara Saebel (Grüne). „Es geht vor allem darum, Kirchen als öffentliche Räume zu erhalten und die Nichtverfügbarkeit dieses kulturellen Erbes vor marktwirtschaftlicher Nutzung zu sichern.“
Ein Arbeitskreis will sich mit den Kirchenbauten befassen
Ein Arbeitskreis soll Vorschläge zum „Umgang mit künftig nicht mehr von den vier Landeskirchen genutzten Gebäuden“ ausarbeiten.
Feste Pflöcke hat unlängst die Diözese Rottenburg-Stuttgart eingeschlagen. Innerhalb von drei Jahren sollen in kirchlichen Räumen die beheizten Flächen um 30 Prozent reduziert werden. Auch die „Leitfrage, welche Räume für eine diakonisch-missionarische Kirche der Zukunft wichtig und notwendig sind“, bleibe im Blick, so ein Sprecher.
In der Vergangenheit wurden unterschiedliche Lösungen gefunden. In Wendlingen (Kreis Esslingen) verhinderten Proteste nicht den Abriss der in den 1960er-Jahren erbauten Johanneskirche. An ihrer Stelle wurde von der Evangelischen Kirchengemeinde und der Bruderhaus Diakonie das „Johannesforum“ errichtet. Als Gemeindezentrum nebst Wohnprojekt für Menschen mit Behinderung bleibt es eine Einrichtung mit kirchlichem Bezug.
Es gibt aber auch Beispiele für die Trennung von kirchlichem Besitz: Die evangelische Kreuzkirche in Kirchheim unter Teck wird seit zehn Jahren von der Griechisch-Orthodoxen Gemeinde genutzt, die evangelische Kirche im Göppinger Bodenfeld ging 2014 in das Eigentum der Syrisch-Orthodoxen Kirche über. Aus dem denkmalgeschützten Sakralbau der Mannheimer Trinitatiskirche wurde das von einem eingetragenen Verein betriebene EinTanzHaus. In Stuttgart verwandelten Kommunikationsdesigner eine Neuapostolische Kirche mit der „HuMBase“ in einen Kreativraum.
Bislang eher selten begangene Wege bei der Neu-Nutzung von Kirchengebäuden will man in Heidenheim gehen. Dort läuft seit zwei Jahren ein Beteiligungsverfahren über die Zukunft der Michaelskirche. Gottesdienste finden in dem denkmalgeschützten Gebäude unterhalb von Schloss Hellenstein nur noch zu besonderen Anlässen statt. „Wir sind dabei, ergebnisoffen die Rahmenbedingungen für neue Nutzungen auszuloten“, sagt der Heidenheimer Dekan Gerhard Häußler. „Unser Ziel ist, Kulturschaffenden Möglichkeiten zu bieten und die Bedeutung des historischen Bauwerks als Teil des öffentlichen Raumes zu erhalten. Wir sind bei der Lösung auf einem guten Weg. Es zeigt sich, dass wir dabei dicke Bretter bohren müssen, wozu große Sensibilität notwendig ist.“
In Heidenheim konnte die Bevölkerung Ideen einreichen
Der Start des Beteiligungsverfahrens für die Michaelskirche, hoch über der Altstadt gelegen und über 37 Stufen erreichbar, stand im vergangenen Jahr unter dem schwungvollen Slogan „Auf geht’s Michael“. Verantwortlich zeichnete das Studio Prinzmetal (Köln/Berlin), spezialisiert auf partizipative Prozesse und soziale Raumkonzepte. In einer Ideenbox landeten zuhauf Vorschläge, die Akteure, Ehrenamtliche und Unterstützer im vergangenen und in diesem Jahr im Rahmen von Kulturwochen umsetzten. Konzerte, Ausstellungen, Vorträge, ein Dancefloor und selbst Akrobatik an einem mobilen Turngerüst wurden in dem Kirchenraum realisiert. Jetzt steht die Evaluierung dieses Probelaufs für ein Zukunftskonzept an.
Architekt Gerald Klahr von Prinzmetal sieht perspektivisch ein selbstorganisiertes Kulturzentrum, das von der Kirche gemeinsam mit anderen Trägern und in Kooperation mit der Stadt realisiert wird. So gesehen könnte die Kapelle aus dem 13. Jahrhundert ein Modellprojekt für die Nutzung von Kirchengebäuden als Ort der Begegnung werden.
Das größte Problem ist eine Nichtnutzung
Immer mehr Kirchengebäuden droht der Leerstand. Seit 2000 sind nach Angaben der Kirchenbehörden mehr als 500 katholische Kirchen entweiht. Seit 1990 sind fast 380 evangelische Kirchen abgerissen, verkauft oder umgenutzt worden, so Jan Ermel von der Denkmalakademie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Das größte Problem sei die „Nichtnutzung“. Kirchen, die in den 1960er- und 1970er-Jahren erbaut worden seien, würden seltener umgenutzt. „Bei Leerstand stehen sie schnell auf der Abrissliste“, so der Denkmalschützer.