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Museumsarbeit

Die Sammelpraxis in Museen hat sich gewandelt

Das Sammeln ist eine der vier Säulen der Museumsarbeit. Angesichts der rasanten Entwicklung unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahren haben sich die Umstände des Sammelns verändert. Förderprogramme, Ausstellungshäuser, die Herbsttagung des Museumsverbands Baden-Württemberg sowie aktuell eine Konferenz in Stuttgart beschäftigen sich mit dem Thema.

Das neue Schaudepot in Wangen zog die Teilnehmer der Herbsttagung des Museumsverbands in Bann.

Museumsverband Baden-Württemberg)

Stuttgart. Einst war das Sammeln von Kunstwerken und Kulturgütern die Sache des Adels, ab Mitte des 19. Jahrhunderts schossen von Bürgern gegründete Geschichts- und Heimatvereine aus dem Boden und das Bürgertum fing an, zu sammeln. Und noch im 20. Jahrhundert gab es kaum einen, der nicht Briefmarken, Bierdeckel oder Porzellanenten gesammelt hat. Mit dem Zeitalter der Digitalisierung hat sich das Sammeln ins Virtuelle verlagert – es werden Selfies und Likes gesammelt – mit einer vergleichsweise kurzen Halbwertszeit. Aber auch die Sammlungspraxis der Museen hat sich gewandelt.

„Es ist wichtiger geworden, Sammlungskonzepte als Teil des Leitbilds der Sammlung zu erstellen. Wie sammle ich was? Wo wird nicht mehr gesammelt? Nach welchen Kriterien sammle ich, wie gehen wir vor und wie gehen wir damit um?“, sagt Sabine Mücke, Direktorin des Museums Humpis-Quartier in Ravensburg und Präsidentin des Museumsverbands Baden-Württemberg. „Wie berücksichtigen wir die immer diverser werdende Gesellschaft und bedenken wir die verschiedenen Gruppierungen gerecht und fair?“

Wissenschaft und Forschung in den Vordergrund stellen

Die Herbsttagung des Museumsverbands Baden-Württemberg Ende September in Wangen im Allgäu stand dann auch unter dem Motto „Sammeln heute“. Dabei ging es um die Psychologie des Sammelns, Sammlungsqualifizierung und -management, Sammlungsstrategien und digitale Möglichkeiten. „Das Motto bezieht sich auch darauf, mit Konzept und Strategie zu sammeln und Wissenschaft und Forschung in den Vordergrund zu stellen“, so Mücke. „Provenienzforschung, Nachhaltigkeit, die Fragen nach der Aufbewahrung und die Digitalisierung sind dabei zentrale Themen. Für die Provenienzforschung kann mithilfe von Fördermitteln oft extra Personal angestellt werden. So kann man die eigene Sammlung gründlich anschauen und besser kennenlernen.“

Zum Thema Aufbewahrung besichtigten die Teilnehmenden das neue Wangener Schaudepot. „Das ist ein wunderbares Beispiel, wie man intelligent mit begrenzten Mitteln und einer gut eingesetzten Förderung zu einem tollen Depot kommen kann“, so Mücke. Die Digitalisierung der Bestände ist ein wichtiges Instrument, um die Sammlungen sichtbarer zu machen. „Sie bietet eine andere Möglichkeit für interessierte Laien, aber auch für Wissenschaftler in diesen Sammlungen zu stöbern und zu recherchieren“, sagt Mücke. „Die Idee dahinter ist auch, kollaborativer zu sammeln, sich abzusprechen, was wohin gehört.“

Einen etwas anderen Zugang zum Thema „Sammeln heute“ entwickelte Pia Müller-Tamm, bis 2023 Leiterin der Kunsthalle Karlsruhe in einem Text mit gleichnamigen Titel. Sie macht Leerstellen, spezifisch für die Kunsthalle, aber auch andere Museen, aus. So sei die Kunst des europäischen Ostens vernachlässigt – „ein fast durchgängiges Defizit der Kunstmuseen in Deutschland“, so Müller-Tamm. Auch werde kaum Fotografie ausgestellt. Sie fordert eine „Öffnung der Medienfrage“. Ein Defizit aller älteren Kunstmuseen: „Es fehlen die Künstlerinnen. Etwa 95 Prozent der Werke des Museums wurden von männlichen Künstlern geschaffen.“

Sehen, was fehlt – das scheint für die Sammlungspraxis von Museen heute ausschlaggebend zu sein. Dabei geht es um Diversität, das Abbilden der verschiedenen Künste, Kulturen sowie Gesellschaftsgruppen. Das Programm „Neues Sammeln“ der Kulturstiftung der Länder initiierte dafür ein Förderprogramm. Für die Initiative „zur interkulturellen Diversifizierung von Museumssammlungen in Deutschland“ wählte eine Jury vier Museen aus, darunter das Museum der Alltagskultur in Waldenbuch, wo die Sammlungen „um Perspektiven einer (post-)migrantischen Gesellschaft“ erweitert werden sollen, wie es seitens des Museums heißt.

Eine Sammlungswerkstatt für Familie und Migration

Im Rahmen der Förderung wurde eine offene Sammlungswerkstatt zum Thema Familie und Migration etabliert, die auf „Leerstellen“ in der Sammlung aufmerksam machen soll. Die Öffentlichkeit ist aufgerufen, sich am „Sammeln“ zu beteiligen und ihre eigenen Migrationsgeschichten zu erzählen. Vier Community-Kuratorinnen und -Kuratoren setzen sich mit den gesellschaftshistorischen Kontexten der Exponate auseinander.

Das Programm der Kulturstiftung der Länder war ein Testlauf. In Zukunft sollen auch kolonialgeschichtliche Kontexte sowie Fragen globaler Kunstproduktion berücksichtigt werden.  Bei der bundesweiten Konferenzreihe „Zugang gestalten! – Mehr Verantwortung für das kulturelle Erbe“, die in dieser Woche im Landesmuseum in Stuttgart stattfand, war ebenfalls Diversität das große Thema. Unter dem Motto „Das Erbe antreten“ ging es um das kulturelle Erbe, seine Bedeutung für unsere Gesellschaft und die Herausforderungen seiner Bewahrung.

Seminare zum Umgang mit der Sammlung

Die Museumsakademie Baden-Württemberg ist eine Serviceeinrichtung der Landesstelle für Museen Baden-Württemberg. Das Angebot steht allen über 1200 Museen im Land zur Verfügung. Im Land gibt es mehr als 750 ehrenamtlich geführte Museen. „Gerade diese Kolleg*innengruppe ist stark auf unsere fachliche Unterstützung angewiesen“, sagt Shahab Sangestan, Leiter der Landesstelle für Museen. Die Landesstelle bietet kostenlose Seminare auch zum Umgang mit der Sammlung an. Weiterhin werden Seminare zum konservatorisch richtigen Umgang mit den Objekten veranstaltet.

https://www.landesstelle.de

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