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Porsche AG: Eine Investition in die eigene Geschichte
Stuttgart. „Es ist immer auch wieder erstaunlich, welche Unternehmen sich Archive leisten“, meint Frank Jung, Leiter des Historischen Archivs der Porsche AG. Bei der diesjährigen 59. Arbeitstagung der Vereinigung der Wirtschaftsarchivare und Wirtschaftsarchivarinnen (VdW) in Stuttgart-Zuffenhausen kommen rund 180 Teilnehmer zusammen, darunter Vertreter von DAX- und M-DAX-Unternehmen.
Das Spektrum an Firmenarchiven ist aber sehr viel breiter: Es reicht vom Historischen Archiv der Firma WALA in Bad Boll/Eckwälden bis zum Bankarchiv Volksbank Karlsruhe oder dem Archiv der metallverarbeitenden Firma Arnold-Umformtechnik in Forchtenberg-Ernsbach, um nur einige aus dem Land zu nennen, die sich auf der Seite Wirtschaftsarchivportal finden. Im Tagungsprogramm selbst tritt etwa auch eine Vertreterin des Circus Archiv Roncalli auf.
„Unternehmen merken, was sie an einem Archiv haben“, so Jung, „es ist eine Investition in die eigene Geschichte, die sich doppelt und dreifach auszahlt.“ Das Unternehmensarchiv von Porsche sei „das Gedächtnis des Unternehmens“ und „Träger der Information“, man solle sie „nicht wegpacken, sondern erforschen, nutzen und kommunizieren“.
Welche Stellung ein Archiv in der Unternehmenskommunikation hat, soll auf der Tagung unter dem Titel „Das Unternehmensarchiv: Turbo der historischen Kommunikation“ diskutiert werden. „Unternehmensarchive übernehmen nach innen wie außen wichtige Aufgaben, sie sind nah an der Wurzel der Marke dran“, sagt Jung. „Die Historie kann nicht kopiert werden, sie macht ein Unternehmen einzigartig.“
So wirkt das Archiv des Autobauers nach innen, indem es etwa die Rechts-, Lizenz- oder Haftungsabteilung oder das Marketing unterstützt: „Im Spannungsfeld zwischen ‚richtig‘ und ‚cool‘ versuchen wir uns da auf die Seite von ‚richtig‘ zu stellen“, meint Jung, wenn es etwa um den historisch korrekten Farbton bei einer Marketinginitiative geht. Nur so ließe sich Markenidentität wahren und ein Image bilden.
Aber auch für (neue) Mitarbeiter habe das Wissen um die Geschichte Bedeutung, da sie sich darüber identifizieren können und sich Motivation aus Vorbildern und Tradition gewinnen lässt. Außerdem wolle man als Unternehmen mit Themen Kernbotschaften vermitteln oder zu aktuellen Themen die eigene Sicht der Dinge darstellen. „Das Archiv macht aus der Behauptung ein Beleg und kann so für die Marke die Identität stärken“, so Jung. Gerade nach außen habe ein Unternehmensarchiv Wirkung: Indem man Kundenfragen beantworte, oder man in die Unternehmenskommunikation eingebunden sei. Hier gelte es, die Gratwanderung zwischen historischen Fakten, PR und Marketing zu meistern.
Wie gehen Unternehmen also mit ihrer Geschichte um? „Es ist nicht schlecht für die Reputation, wenn es sich auch den kritischen Phasen seiner Geschichte stellt“, sagt Felix Krebber von der Business School Pforzheim. Der Kommunikationswissenschaftler beschäftigt sich mit strategischer Geschichtskommunikation von Unternehmen und beobachtet: „Namhafte Firmen schlagen ihre Archive ihren Kommunikationsabteilungen zu. Nicht alle Aufgaben der Archive haben mit Kommunikation zu tun, sie werden dort aber auch genutzt.“ Es gehe darum, verantwortungsvoll mit der eigenen Geschichte – etwa der Rolle im Nationalsozialismus – umzugehen, aber eben auch um Marketingkommunikation mit Geschichtsbezug („History Marketing“). Auch firmenintern werde Geschichte zum Thema.
Ziel könnte sein, Geschichte durch Historiker nach methodischen Gesichtspunkten und faktenorientiert aufzuarbeiten und dann verantwortungsvoll zu kommunizieren.
Eine Strategie, die den historischen Fakten gerecht wird, ist gefragt
„Der Schlüssel ist die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Gewerke“, so Krebber. Nur so ließe sich eine adressaten- und faktengerechte Vermittlung erreichen. „Das Unternehmen erzählt seine eigene Geschichte aus der eigenen Perspektive.“
Den Unternehmensarchiven kommt hier eine wichtige Rolle zu: Um eine Strategie zu entwickeln, die den historischen Fakten gerecht wird und die Unternehmensgeschichte im Kontext der Firmenkommunikation zu einem tragenden Element macht. Oder wie es Jung fasst: „Das Unternehmensarchiv ist ein Baustein im Unternehmenspuzzle.“
3,5 Kilometer Akten
Die Bestände des Archivs der Ferdinand Porsche AG reichen bis ins Geburtsjahr von Ferdinand Porsche 1875 zurück. Es umfasst etwa 3,5 Kilometer Akten, rund fünf Millionen Bilder, 4500 Bücher, 3000 Stunden Filmmaterial und rund 30 000 Exponate vom Bauplan bis zum Windkanalmodell. Aufgabe ist, die Unternehmensgeschichte für zukünftige Generationen nachvollziehbar zu machen. „Wenn ich durch Evolution Bestand habe, kann ich durch Rückblicke Tradition erzeugen“, sagt Archivar Frank Jung.