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Musikschulen

Deutscher Musikrat sieht die Schulen in Bedrängnis

535 Teilnehmende aus Baden-Württemberg waren Mitte Mai beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert in Lübeck vertreten – so viele wie aus keinem anderen Bundesland. Folgt man diesen Zahlen, ist die Arbeit der Musikschulen im Land erfolgreich. Doch die Rahmenbedingungen haben sich für sie verändert.

Die Musikschulen stehen durch das sogenannte Herrenberg-Urteil aus dem Jahr 2022 vor großen Herausforderungen.

imago/Volker Speckenwirth)

Stuttgart. Schlagzeilen der vergangenen Woche wie „Musikschulkatastrophe“ oder „Musikschulen in der Krise“ alarmieren. Die Musikschulen sind durch das sogenannte Herrenberg-Urteil aus dem Jahr 2022 und die neuen Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung zu Soloselbstständigen herausgefordert: Sie müssen ihr bisheriges Modell der – weitgehenden – Beschäftigung von Lehrkräften auf Honorarbasis umstellen (siehe Kasten). Teilweise kam es schon zu erheblichen Nachzahlungsforderungen.

Ingo Sadewasser, Leiter der Musikschule Tübingen und Vorsitzender des Landesverbands der Musikschulen Baden-Württemberg, sagt: „Die Musikschulen im Land stehen im bundesweiten Vergleich gut da, man hat hier bereits verhältnismäßig hohe Quoten an Festanstellung.“ Nach Zahlen aus 2022 liegen diese bei knapp 80 Prozent.

Im Land konnte eine stetige Steigerung erreicht werden

Schon 2017 hatte der Verband deutscher Musikschulen im „Stuttgarter Appell“ die Träger seiner Mitgliedsschulen aufgefordert, den Anteil angestellter Lehrkräfte kontinuierlich zu erhöhen, um die in einem Positionspapier der Kommunalen Spitzenverbände geforderte Qualität zu gewährleisten. Im Land konnte eine stetige Steigerung der Festanstellungen erreicht werden.

Dennoch sind die Musikschulen je nach Stadt sehr unterschiedlich aufgestellt, die Problematik ist heterogen. Als Folge des Urteils bleibt ein großes Rechts- und Haftungsrisiko für die Träger. Auch Norbert Brugger, Dezernent beim Städtetag, betont: „Die Auswirkungen sind nicht einheitlich, da die Musikschulen sich beim Umfang des Einsatzes von Honorarkräften unterscheiden.“ Dort, wo viele Honorarkräfte eingesetzt würden, könne es dazu führen, dass deren Betriebskonzept geändert werden müsse. Wie die neue Lage gehandhabt wird, ist vielerorts noch in der Schwebe. In Geislingen an der Steige sagt Musikschulleiter Stefan Wich: „Wir sprechen gerade mit den politischen Entscheidungsträgern darüber, wie wir mit der neuen Situation umgehen sollen.“ Aus Bad Mergentheim heißt es: Das Thema und die sich abzeichnenden Veränderungen rund um die Musikschullehrkräfte würden verwaltungsintern seit Längerem aufmerksam verfolgt, die Gremien wurden vorinformiert.

„Da sich abzeichnet, dass es keine gemeingültigen Handlungsempfehlungen für die Kommunen geben wird, müssen wir zunächst die Urteilsgrundlagen in Bezug auf unsere Strukturen in Bad Mergentheim auswerten, prüfen und mit Gremien und Betroffenen besprechen“, so Pressesprecher Carsten Müller. Dass insgesamt die Musikschularbeit gefährdet sein könnte, verneine man.

Denn das Urteil hat eine Kostenseite. „Die Umstellung auf eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bedeutet je nach der bisherigen Ausgestaltung erheblich höhere Mehrkosten“, so Sadewasser. „Diese können sich je nach Schule auf 30 000 bis 40 000 Euro, aber auch auf bis zu 300 000 bis 400 000 Euro belaufen.“

Musikschulschüler tragen derzeit fast 46 Prozent der Gesamtkosten

Woher dieses Geld kommen soll, darüber wird nun nachgedacht. „Die Mehrkosten lassen sich in der Regel nur durch eine höheren Eigenanteil oder Zuschuss der Kommunen als Träger oder Gewährsträger finanzieren“, so Sadewasser.

Derzeit tragen Musikschulschülerinnen und -schüler fast 46 Prozent der Gesamtkosten. Das Land übernimmt 12,5 Prozent der anfallenden Personalkosten, also 9,61 Prozent der Gesamtkosten. 2,34 Prozent werden durch andere staatliche Programme finanziert, Kommunen und Landkreise übernehmen 40,3 Prozent. Der Landesverband fordert deshalb vom Land, den bisherigen Fördersatz in der Förderung von 12,5 Prozent der Personalausgaben in der musikalischen Jugendbildung als Mindestfördersatz im Jugendbildungsgesetz festzuschreiben und mittelfristig auf 15 Prozent zu erhöhen.

„Es entstehen Mehrkosten durch die Festanstellung, aber damit erkauft man sich auch mehr Zeit für Aufgaben, die Honorarkräfte nicht erbringen“, sagt Sadewasser. „Festanstellung bedeutet Weisungsrecht der Leitung – mit allen Vorteilen für die Bildungsarbeit der Musikschule.“ Auch das Berufsbild und die Nachwuchsförderung profitierten.

Das Herrenberg-Urteil

„Das Herrenberg-Urteil aus dem Sommer 2022 bringt Musikschulen und ihre Träger zunehmend in Bedrängnis“, so der Deutsche Musikrat. Das Bundessozialgericht urteilte, dass an Musikschulen die Rahmenbedingungen für eine echte unternehmerische Tätigkeit kaum gegeben sind. Die Folge: Die Beschäftigung von Lehrkräften auf Honorarbasis ist wegen sogenannter Scheinselbstständigkeit rechtswidrig. Das Urteil betrifft auch andere Einrichtungen wie Kunst- und Volkshochschulen.

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