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Soziokulturelle Zentren

Friedrichshafen: Dem Kulturhaus Caserne droht das Aus

Seit 30 Jahren gibt es das Kulturhaus Caserne in Friedrichshafen, ein Musterbeispiel für viele soziokulturelle Zentren im Land. Inzwischen ist der Sanierungsdruck für den einstigen Militärbau so hoch, dass die Schließung droht. Was die Stadt als Eigentümerin des Gebäudes über viele Jahre nicht geschafft hat, soll jetzt ein kleines Team von Kulturmachern richten.

Der Blick auf das Gebäude-Karree: Das Kulturhaus Caserne besteht seit 30 Jahren und beherbergt unter anderem ein Kino, ein Theater und ein Restaurant.

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Friedrichshafen. An fast jedem Tag ist im Kulturhaus Caserne Programm geboten. Theater, Jazz, Lesungen, zwei Ausstellungen, Kabarett, Konzerte, Partys: 15 verschiedene Angebote standen allein im Februar auf dem Plan der Caserne gGmbH als Veranstalter. „Es gibt kein anderes Haus in der Region, das ein kulturelles Angebot in dieser Bandbreite für alle Altersgruppen abdeckt“, sagt Mitgründer und Geschäftsführer Claus-Michael Haydt. Und das mit Erfolg: Im vergangenen Jahr zählte das Kulturhaus 44 000 Besucher bei über 400 Veranstaltungen, so viel wie noch nie.

ie Caserne ist eines von über 70 soziokulturellen Zentren in Baden-Württemberg, die das Land fördert (siehe Kasten). Als Haydt zusammen mit seinem Freund Frank Przybilla aus einer freien Theatergruppe heraus 1995 die Caserne hemdsärmelig gründete, gab es in ihrer Heimatstadt keinen Raum für Proben oder gar Aufführungen.

Begonnen wurde mit einem auf ein Jahr befristeten Mietvertrag

„Mutig und naiv“, so Haydt, mieteten sie vom damaligen Eigentümer, dem Bundesvermögensamt, Gebäude 17 der ehemaligen Flakkaserne aus dem Zweiten Weltkrieg an. „Wir wollten ein Theater, ein Kino, eine Kulturkneipe und einen Club eröffnen“, erzählt der Caserne-Chef. Mit einem auf ein Jahr befristeten Mietvertrag und ohne Startkapital begannen sie in ihrer Freizeit mi Freunden mit dem Umbau, ohne einen Handwerker zu bezahlen. Im Februar 1996 öffnete das neue Kulturhaus, geführt von einer GbR, die jahrelang privat für das Projekt haftete und weiter nur von Jahr zu Jahr neue Mietverträge bekam. Doch das Konzept ging auf.

Seit 2018 wird das Haus nun von der Kulturhaus Caserne gGmbH betrieben, die Haydt gegründet hat, um den Betrieb mithilfe der Stadt zu professionalisieren. Unter diesem Dach werden seither verschiedene Veranstaltungsräume von der gGmbH bespielt und vermietet – zu kleinen Preisen und zugunsten eines vielfältigen Programms.

Am Ansatz der Caserne hat sich nichts geändert. „Wir wollen Freiräume für Kunst und Kultur schaffen, die Bevölkerung auch an kreativen Prozessen und nicht nur an deren Ergebnissen teilhaben lassen“, sagt Claus-Michael Haydt. Das wird anerkannt: Im vergangenen Jahr beispielsweise erhielt die Caserne den mit 5000 Euro dotierten Kulturpreis der Kunst- und Kulturstiftung des Bodenseekreises für „den weit über die Region hinaus strahlenden Beitrag des Kulturhauses“, wie Landrat Luca Prayon in seiner Laudatio sagte.

Doch schwingt im 30. Jahr des Bestehens eine große Sorge mit. „So, wie es heute ist, gebe ich dem Haus keine fünf Jahre mehr“, sagt der Caserne-Chef. Es gibt zwei zentrale Probleme: Das Gebäude muss von Grund auf saniert werden, vor allem das Dach. Und das kostet Geld, sehr viel Geld. Claus-Michael Haydt spricht von rund 25 Millionen Euro. Die Stadt ist seit fast 30 Jahren Eigentümerin, ließ den Gebäudekomplex aber immer weiter verrotten. Dabei beschloss der Gemeinderat vor fünf Jahren, 4,4 Millionen Euro als erste Tranche für die Sanierung bereitzustellen. Passiert ist wenig. Ganz im Gegenteil: Im Oktober 2020 untersagte das Rathaus monatelang die Nutzung und verordnete der Kulturstätte eine Zwangspause. Das Programmkino und die Diskothek sind seither dauerhaft zu, weil es an Fluchtwegen oder Brandschutz mangele.

Das Problem: Laut Stadt ist das Gebäude-Karree eine Versammlungsstätte und müsse baurechtlich auch so betrachtet werden. Bevor irgendetwas saniert wird, brauche es eine Baugenehmigung für den gesamten Komplex. Erst dann könne man schrittweise loslegen.

Warum die Stadt vor fünf Jahren dann 4,4 Millionen Euro für erste Sanierungsarbeiten bereitgestellt hat, erschließt sich tatsächlich nicht. Aktuell stehen von dieser Summe noch rund 3,8 Millionen Euro zur Verfügung. Doch größere Maßnahmen stellte das Baudezernat im Jahr 2023 zurück, weil allein schon die geplante Neugestaltung und Sanierung des Hauptflügels das beschlossene Budget übersteigt.

Und nun? Die Stadt muss sparen. Vor zwei Jahren gab es grünes Licht für die Suche nach einem Investor, ohne Erfolg. „Aktuell spricht die Verwaltung mit der Kulturhaus Caserne gGmbH über die Möglichkeit einer Übernahme des Gebäudes durch die gGmbH“, bestätigt das Rathaus. Die Rede ist von Erbpacht. Die noch vorhandenen 3,8 Millionen Euro könnten durch einen Modernisierungsvertrag ans Kulturhaus gehen.

Dem Haus fehlt es auch an Mitarbeitern und Budget

Der Vorteil: Die Sanierung ginge schneller, weitere Gelder könnten über Crowdfunding und Sachspenden akquiriert werden. Außerdem sei privates Bauen in der Regel günstiger als öffentliches Bauen.

Claus-Michael Haydt bestätigt die Gespräche. Doch so einfach sei die Sache nicht. „Personell laufen wir am Limit“, erklärt der Caserne-Chef. Vergleichbare Häuser hätten das Doppelte an Mitarbeitern und Budget bei diesem Veranstaltungsangebot. Ohne den Freundeskreis im Hintergrund sei das auch nicht mehr zu schaffen. Parallel noch eine Riesen-Baustelle zu planen und zu betreuen, das brauche Fachpersonal.

Außerdem geht es für ihn nicht nur um die Sanierung der Caserne, sondern auch um den Bauunterhalt. „Wir brauchen die Ressourcen. Allein die Dachsanierung ist mit sechs Millionen Euro veranschlagt“, sagt er. Wie mit 3,8 Millionen Euro der gesamte Gebäudekomplex flott gemacht werden soll, was die Stadt mit ihren Mitteln in den letzten 20 Jahren nicht geschafft hat, dafür fehlt es ihm an Vorstellungskraft.

Die Aussichten für den Weiterbetrieb sind trüb. Auf die Frage, was die Stadt Friedrichshafen unternimmt, damit das Kulturhaus bis zum 35. Geburtstag nicht wegen Baufälligkeit komplett geschlossen werden muss, gibt es eine klare Aussage. „Die Möglichkeiten der Stadt sind finanziell und personell begrenzt. In den kommenden Haushaltsjahren wird es kaum Spielräume geben“, stellt eine Sprecherin klar, „gerade in Zeiten von Pflicht vor Kür.“ Die Übergabe in Erbpacht sei „eine große Chance“. Es klingt wie das letzte Angebot.

Förderung des Landes

Das Land Baden-Württemberg unterstützt seit vielen Jahren Kulturinitiativen und soziokulturelle Zentren in ihrer Arbeit. Über ein eigenes Förderprogramm gewährt das Land Zuschüsse entweder für die laufende Programmarbeit im Rahmen einer institutionellen Förderung oder für Projekte, Ausstattungs- und Baumaßnahmen. Die Höhe des Zuschusses beträgt pro Förderjahr maximal 350 000 Euro für eine Kulturinitiative oder ein soziokulturelles Zentrum.

Die Caserne Friedrichshafen erhält seit 2022 vom Land die Hälfte des Zuschusses, den die Stadt Friedrichshafen pro Jahr gewährt. Das waren zuletzt 360 000 Euro von der Stadt plus 180 000 Euro Landesförderung.

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