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Interview: OB Harry Mergel

„Wir haben die Kraft der zwei Herzen“

Heilbronn arbeitet an seinem Bild als Wissensstadt. Der Ableger der TU München oder die Pläne für ein KI-Zentrum nähren das Selbstverständnis. OB Harry Mergel (SPD) kann dabei auf eine Stiftung bauen.  

Heilbronns SPD-Oberbürgermeister Harry Mergel kann seine Stadt dank finanzieller Unterstützung der Dieter-Schwarz-Stiftung entwickeln.

Achim Zweygarth)
Staatsanzeiger:  Bildung scheint in Heilbronn fast alles zu sein. Warum?

Harry Mergel:  Bildung ist die Basis für alles, was wir erreicht haben und erreichen werden. Für uns gilt die Formel, Wissen schafft Wirtschaftskraft und durch Wirtschaftskraft entsteht Wohlstand. Zudem ist Bildung wichtig, wenn es um gesellschaftliche Stabilität geht. Nun ja, und vielleicht haben wir 1967 auch einen kleinen Knacks abbekommen…

Was geschah vor fast 60 Jahren?

Die Frage ist eher, was 1967 nicht in Heilbronn geschah. Baden-Württemberg hat letztmals eine Universität gegründet, in Ulm. Wenn man die Entwicklung Ulms betrachtet, dann zeigt sich, welches jahrzehntelange Infrastrukturdefizit wir hatten. Das holen wir aktuell in Riesenschritten auf.

Wie wollen Sie das schaffen?

Die Tradition einer Universitätsstadt haben wir in Heilbronn noch nicht, aber man kann uns sicher als Universitätsstadt der Zukunft bezeichnen. Wir haben eine enge Vernetzung von Lehre, Forschung und Wirtschaft und sind mit unserer Lage, Neckar und Weinbergen, von der Natur reich beschenkt. Auch beim Studentenleben entwickeln wir uns stetig: mit neuen kulturellen Angeboten oder der Neckarmeile, mit der wir attraktive Treffpunkte mitten in der Stadt geschaffen haben. Diese Entwicklung wird sich künftig auf dem erweiterten Bildungscampus West fortsetzen.

In Heilbronn haben Unis außerhalb Baden-Württembergs Außenposten. Gibt es Kooperationen mit Unis im Lande?

Das wäre für den Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg sicher gut. Aktuell sieht es eher so aus, dass die Dieter-Schwarz-Stiftung sich um eine stärkere Internationalisierung des Universitätsstandorts bemüht. Die ETH Zürich konnte neben der TU München als weitere renommierte Universität gewonnen werden.

Die Dieter-Schwarz-Stiftung, die auf den gleichnamigen Lidl- und Kaufland-Eigentümer zurückgeht, hat in Heilbronn gerade durch den Bildungscampus einen großen Einfluss. Können Sie da noch unabhängig entscheiden?

Ja, das können wir. Im Gemeinderat fragen wir uns bei jeder anstehenden Entscheidung, ob wir einen Mehrwert für unsere Stadt aus der Zusammenarbeit generieren. Dies konnten wir bisher in der Regel einstimmig bejahen. Wir haben das Glück, neben den kommunalen Möglichkeiten der Stadtentwicklung noch einen zweiten Entwicklungsstrang durch die Dieter-Schwarz-Stiftung zu haben – sozusagen die Kraft der zwei Herzen.

Auch beim neusten Projekt, dem Innovation Park Artificial Intelligence, IPAI, ist die Schwarz-Stiftung unersetzbar.

Mit dem IPAI verfolgen wir das sehr ambitionierte Ziel, das relevanteste Innovationsökosystem für anwendungsorientierte Künstliche Intelligenz in Europa zu entwickeln. Die Stiftung ist hier der entscheidende Motor. Wir sind froh, dass wir als Standort mit unserem Gesamtpaket überzeugt und die Förderung für den IPAI erhalten haben. Das ist eine Art Lebensversicherung für die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts.

Künstliche Intelligenz – KI – ist in der Bevölkerung umstritten. Wie schaffen Sie Akzeptanz?

Künftig wird es kein Unternehmen geben, das ohne den Einsatz von KI konkurrenzfähig bleibt. Zudem wird KI in alle Lebensbereiche vordringen. Unser Ziel ist, dass Heilbronn sich nicht nur als Stadt profiliert, in der KI effizient eingesetzt wird, sondern auch als Standort, an dem Technologie keine Spaltung hervorruft, an dem alle mitgenommen und Chancen und Gefahren transparent diskutiert werden. Hierzu leisten wir heute schon mit verschiedenen Formaten und einer offensiven Bürgerbeteiligung einen Beitrag.

Sie haben Spitzenforschung und High-Tech – wie sieht es aber mit dem schulischen Unterbau aus?

Wir haben 2007 die Entwicklung zur Wissensstadt mit dem ersten kommunalen Bildungsplan Süddeutschlands begonnen. Uns ging es darum, die Bildungsbiografie unserer Kinder als Kommune zu unterstützen. Deshalb erhebt Heilbronn keine Kindergartengebühren. In Baden-Württemberg besuchen rund 30 Prozent der Kinder eine Ganztagsgrundschule, in Heilbronn sind es 76 Prozent. Und mit der digitalen Bildungsoffensive werden wir bis 2030 jedes Kind, jeden Jugendlichen und jede Lehrkraft unserer Heilbronner Schulen kostenfrei mit einem Tablet oder mobilen Endgerät ausstatten.  Wir sind also auf einem guten Weg.

Kostenlose Kita, Ganztagsgrundschule, das klingt nach einem sozialdemokratischen Bildungsparadies.

In Heilbronn gilt der Grundsatz: Zuerst die Stadt, dann die Partei. Damit sind wir in den vergangenen Jahren gut gefahren. Nicht zuletzt hat es uns der Konsens in wichtigen Feldern der Kommunalpolitik ermöglicht, 2019 eine erfolgreiche Bundesgartenschau zu veranstalten.

Das Interview führten Philipp Rudolf und Peter Schwab

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