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Kreislaufwirtschaft

Wie der Kreis Böblingen Energie aus Abfall gewinnt

Der Kreis Böblingen will Strom, Wärme und Biomethan verstärkt aus lokaler Kreislaufwirtschaft gewinnen. Das ist ein Beitrag für die Energiewende. Ganz neu hinzu kommen nun auch noch Pläne für die Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm.

Der Kugelbehälter dieser Kläranlage in Bonn sammelt Gase beim Faulprozess. Auch der Kreis Böblingen will aus dem Klärschlamm Energie gewinnen.

IMAGO/Reiner Zensen)

Böblingen . Auf einer ehemaligen Deponie im Norden von Sindelfingen entsteht eine Energiedrehscheibe. Eine Kooperation des Landkreises Böblingen mit der Stadt Sindelfingen und deren Stadtwerken macht es möglich. Stadtwerke und Landkreis betreiben hier bereits eine Photovoltaikanlage. Hinzu kommen künftig eine Methanisierungsanlage, eine weitere noch größere Photovoltaikanlage und ein Biomasseheizwerk.

Auch ein Teil der vom Sindelfinger Gemeinderat befürworteten Vorrangstandorte für Windkraftanlagen befindet sich in der Nähe und könnte laut Landrat Roland Bernhard die Energiedrehscheibe Sindelfingen Nord künftig noch ergänzen. Das Ziel: mehr Energiesicherheit und Klimaschutz durch lokale und regenerative Energien. Und dabei spielt die Abfallwirtschaft eine wichtige Rolle.

Neue Vergärungsanlage soll im Herbst fertiggestellt werden

Eine Absichtserklärung für die Energiedrehscheibe wurde im Januar dieses Jahres unterzeichnet. Damit soll der Bau der geplanten Methanisierungsanlage dort schnell vorangetrieben werden. Beliefert wird diese Anlage von einem anderen Standort im Kreis, einer ehemaligen Deponie bei Leonberg. Dort errichten die Landkreise Böblingen und Esslingen über die Bioabfallverwertung Leonberg die derzeit größte Vergärungsanlage für Bioabfälle in Baden-Württemberg. Sie ersetzt die alte Anlage, die vor einigen Jahren abgebrannt ist.

Die neue Anlage soll im Herbst fertiggestellt werden. Sie hat eine Kapazität von 72 000 Tonnen, davon rund 60 000 Tonnen Bioabfälle und 12 000 Tonnen Grünabfälle. Daraus soll jährlich Rohbiogas mit einem Energiegehalt von 46 200 Megawattstunden erzeugt werden. 22 Prozent des Gases werden für die Deckung des Strom- und Wärmebedarfs am Anlagenstandort in einem Blockheizkraftwerk direkt verwendet.

Der größte Teil des gereinigten Gases geht allerdings über eine neue Leitung zur ehemaligen Deponie bei Sindelfingen. In der dort entstehenden Methanisierungsanlage wird das Rohgas in Biomethan verwandelt. Das entstehende CO 2 wird abgeschieden und an gewerbliche Nutzer für industrielle Zwecke verkauft. Das Biomethan nutzen die Stadtwerke Sindelfingen dann zur Erzeugung von Fernwärme. Sie wollen damit bislang genutztes fossiles Erdgas ersetzen.

Restmüllheizkraftwerk produziert Strom und vor allem Fernwärme

Die getrockneten Gärreste aus Leonberg werden ebenfalls weiterverwertet. Sie gehen in den Kreis Esslingen und werden in Kirchheim unter Teck zu Kompost verarbeitet, der etwa an Gärtner oder auch in Geschäften verkauft wird.

Bereits seit Jahren produziert das Restmüllheizkraftwerk in Böblingen Strom und vor allem Fernwärme für das Wärmenetz in Sindelfingen und Böblingen. Thermisch verwertet wird hier Restmüll aus dem Kreis Böblingen, aus Calw, Rottweil, Freudenstadt, zu einem kleinen Teil aus Stuttgart und neu auch aus Esslingen. Die Wärmelieferung soll noch ausgeweitet werden. Denn der Kreis plant zusätzlich eine Klärschlammverwertungsanlage. Diese soll 2027 in Betrieb gehen. Denn ab dann greift eine entsprechende EU-Vorgabe, wonach Klärschlamm nicht mehr auf den Feldern ausgebracht werden darf. Für den Betrieb wird ein eigener Zweckverband gegründet. Vertragspartner sollen Kommunen beziehungsweise deren Klärwerksbetreiber sein. Ziel ist es, Klärschlamm aus dem Bereich Württemberg für die Anlage zu bekommen.

Klärschlammverwertungsanlage soll Phosphor zurückgewinnen

Durch die Verbrennung des Klärschlamms entsteht zusätzliche Fernwärme. Zugleich soll aus der Asche Phosphor rückgewonnen werden. Derzeit wird der Klärschlamm auch häufig in Zementwerken verbrannt. Doch dann geht der Phosphor verloren. Rund 12 000 Tonnen Phosphor werden allein in Baden-Württemberg jedes Jahr benötigt.

Zugleich ist Phosphor eine endliche Ressource, die nicht durch andere Elemente zu ersetzen ist. Die EU hat Phosphor auf die Liste der kritischen Rohstoffe gesetzt. Er wird im Südwesten überwiegend als Düngemittel in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau eingesetzt. Auf diesen Bereich entfallen fast 90 Prozent des Verbrauchs. Weitere fünf Prozent entfallen auf Futtermittel. Kleinere Anteile werden in der Lebensmittelindustrie, in Reinigungsmitteln, in der Trinkwasseraufbereitung und bei der Herstellung von Flammschutzmitteln verwendet.

Mit seiner Phosphorstrategie setzt das Land bereits seit Jahren darauf, Phosphor zurückzugewinnen. Nach Berechnungen des Landes ließe sich der Bedarf von Baden-Württemberg zu rund 50 Prozent von aus Klärschlamm zurückgewonnenem Phosphor decken.

Landrat kümmert sich um die Energiesicherheit

„Wir müssen uns um die eigene Energiesicherheit selber kümmern“, hatte Landrat Roland Bernhard (parteilos) im Januar bei der Vorstellung der Energiedrehscheibe im Norden von Sindelfingen gesagt. Da hätte die kommunale Ebene viele Gestaltungsmöglichkeiten. Und die will man im Landkreis Böblingen mit Photovoltaik, Windkraft, Biomasse und der Energiegewinnung aus der Abfallwirtschaft nutzen. Um unabhängig von anderen Ländern zu werden, müsse die lokale Energieproduktion ausgeweitet werden.

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