Studie

Warum es viele junge Familien auf das Land zieht

Seit Corona haben gerade Familien die Möglichkeiten des Homeoffices genutzt und sind aufs Land gezogen. In einer Studie des Berlin-Instituts wird diese Entwicklung am Beispiel von fünf Kommunen genauer untersucht, darunter ist auch eine Gemeinde in Baden-Württemberg. Philipp Rudolf

Bereits vor Corona zogen viele Menschen in den ländlichen Raum. Die Pandemie hat dieser Entwicklung beschleunigt, so eine Studie. Foto: dpa/Westend61/Francesco Buttitta

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Allmendingen. Allmendingen ist in den vergangenen vier Jahren um rund 400 auf 4800 Einwohner gewachsen. Damit profitiert die Gemeinde im Alb-Donau-Kreis von einem bundesweiten Trend. Denn laut der aktuellen Studie „Neu im Dorf“ des Berlin-Instituts zogen noch vor gut zehn Jahren Menschen vor allem in Großstädte. Aus Landgemeinden und Kleinstädten zogen mehr Menschen fort als hin.

Heute zeige sich ein anderes Bild. Mittlerweile zählten auch viele Dörfer und Kleinstädte zu den Wanderungsgewinnern. Dabei spiele es kaum noch eine Rolle, ob sie in der Nähe einer Großstadt oder in der Peripherie liegen, auch jenseits der Speckgürtel gewinnen zahlreiche kleinere Ortschaften Bewohner hinzu. Insbesondere Familien und Berufswanderer sorgen für die Belebung ländlicher Räume.

Örtliches Zementunternehmen unterstützt Vereine

Allerdings blieben dennoch viele ländliche Gemeinden auf demografischem Schrumpfkurs. Die Wanderungsgewinne reichen nicht aus, den Sterbeüberschuss abzufangen.

Allmendingen wird als einzige Gemeinde aus dem Südwesten in der Studie als eine von fünf Beispiel-Kommunen vorgestellt, die von der Flucht aus den Städten und Speckgürteln profitieren. Bürgermeister Florian Teichmann (CDU) leitet die Gemeindeverwaltung seit rund fünf Jahren und kann naturgemäß gut nachvollziehen, warum es viele neue Bürger hierher zieht. Ein großer Vorteil sei die gute Zuganbindung nach Ulm, von wo aus man schnell in Stuttgart und München ist. So wundert es nicht, dass unter den Neuankömmlingen auch Familien aus den jeweiligen Ballungsräumen der beiden Landeshauptstädte waren.

Die Bauprojekte der vergangenen Jahre hätten den Zuwachs begünstigt, erklärt Teichmann. So sei neben Einfamilienhäusern auch Geschosswohnungsbau entstanden, unter anderem auch für Senioren, die ihre Häuser wiederum an junge Familien verkauft hätten. Zudem seien durch Nachverdichtungen Wohnungen gebaut worden. Die neuen Einwohner finden eine gute Infrastruktur vor. Im Bürgerhaus bietet die Volkshochschule Kurse an, es gibt dort auch kulturelle Veranstaltungen. Im Waldfreibad können sich die Einwohner im Sommer abkühlen. Ganz stark sei das Vereinsleben, betont Teichmann: „Bei uns hat fast jeder Verein ein eigenes Vereinsheim“. Dank des örtlichen Zementwerks, das die Gruppen mit Baumaterial unterstützt.

Noch sei die Gemeinde von der ärztlichen und der täglichen Versorgung sehr gut ausgestattet, erklärt Teichmann. Es gibt zwei Hausärzte und einen Zahnarzt, einen Physiotherapeuten und sogar eine Apotheke und zwei Banken. Mit zwei Bäckern und einer Metzgerei sind auch zwei Betriebe vorhanden, die es vielerorts so nicht mehr gibt. Im Gasthaus haben kürzlich die Pächter gewechselt.

Nicht zuletzt sei Allmendingen schön gelegen und von einer starken Wirtschaft umgeben, zählt der Rathauschef weitere Gründe für den Zuzug auf.

Höhere Wanderungsgewinne bei Dörfern und Kleinstädten

Laut den Studienmachern des Berlin-Instituts zog es viele Menschen bereits vor Corona verstärkt in den ländlichen Raum. Doch die Pandemie hat diese Entwicklung noch einmal beschleunigt. Veränderte Bedürfnisse und die neu entstandenen Möglichkeiten, im Homeoffice zu arbeiten, verleiteten viele dazu, den Familienwohnsitz an Orte jenseits der urbanen Zentren zu verlegen.

Der Trend hält an. Auch im zweiten Pandemiejahr 2021 konnten Dörfer und Kleinstädte im Schnitt höhere Wanderungsgewinne verbuchen als größere Städte. Nachdem die Groß- und Mittelstädte 2020 unterm Strich keine oder nur geringe Wanderungsgewinne verzeichneten, legten auch sie im Jahr 2021 wieder zu.

Die Tendenz zu mehr Homeoffice gibt es auch in Allmendingen. Der Breitbandausbau sei teilweise schon umgesetzt, in manchen Ortsteilen sei die Gemeinde auf einem guten Weg. Zu den neuen Bürgern gehörten laut Teichmann viele junge Familien, was die Aussage der Studie unterstreicht. Demnach würden sich viele Menschen für ein Leben auf dem Land entscheiden, weil hier Wohnraum erheblich günstiger und für viele auch attraktiver sei.

„Man bekommt mehr fürs Geld als in den hart umkämpften Innenstädten und umliegenden Speckgürteln“, schreiben die Autoren. Das ist gerade für Familien mit Kindern ein wichtiger Faktor. Nicht nur ein eigenes Zimmer für alle, auch ein Garten ist auf dem Land möglich. Nicht zuletzt sei mit dem Umzug aufs Land auch die Vorstellung verbunden, Kinder können hier freier und sicherer aufwachsen als in der Stadt. Daher sei der ländliche Raum vor allem für Familien attraktiv.

Die Kehrseite des Landlebens sei eine stärkere soziale Kontrolle. Teichmann zitiert eine Bürgerin, die auch in der Studie genannt wird: „Zum Schwätzen sollten Neue schon bereit sein“. Teichmann geht davon aus, dass auch künftig Wohnungen gebaut werden müssen, um den Zuzug zu decken.

Florian Teichmann, Bürgermeister von Allmendingen

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