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Kommt das Zentralklinikum nach Rastatt oder doch nach Baden-Baden?
Rastatt/Baden-Baden . Kommt das Zentralklinikum nach Rastatt oder doch nach Baden-Baden ? Ende November hatten sich der Gemeinderat in der Kurstadt mit Zweidrittelmehrheit, der Kreistag in Rastatt fast einstimmig für einen Klinikneubau am Südostrand Rastatts, am Münchfeldsee, ausgesprochen. Gleichzeitig überreichte eine Bürgerinitiative, angeführt von Freidemokraten aus der Kurstadt, im Baden-Badener Rathaus über 4500 Unterschriften für ein Bürgerbegehren. Sie wollen eine Klinik in der Kurstadt, doch der Antrag könnte rechtswidrig sein.
Falscher Angriffspunkt für Bürgerbegehren
Die Verwaltung moniert, dass dem Begehren die gesetzlich geforderte Kostenschätzung fehlt. Außerdem kollidiere es mit dem Ratsbeschluss vom 25. November für den Klinikstandort. Diesen kann das Begehren nur überwinden, wenn es sich gegen den Beschluss wendet, erläuterten Baden-Badens Oberbürgermeister Dietmar Späth (parteilos) und Bürgermeister Tobias Krammerbauer vergangene Woche. Die Initiative müsse für einen neuen Antrag erneut Unterschriften sammeln.
Laut FDP-Fraktionssprecher Rolf Pilarski lasse man die Absage rechtlich prüfen. Lockerlassen werde die BI nicht, für die erneute Unterschriftensammlung gegen den Ratsbeschluss hat die Initiative drei Monate Zeit. An den FDP-Ständen zur Bundestagswahl dürften Unterschriftenlisten liegen. Dennoch hätte OB Späth mit der entscheidenden Ratssitzung auf die BI warten können.
Erst einmal keine Verträge mit Klinikzusammenhang
„Es war weder politisch geboten noch rechtlich verpflichtend, von einer Gemeinderatsentscheidung am 25. November 2024 abzusehen“, kontert Bürgermeister Krammerbauer gegenüber dem Staatsanzeiger. Der Sitzungstermin sei bekannt gewesen, bevor die BI öffentlich tätig wurde. Sicherheitshalber will OB Späth im Zusammenhang mit dem Zentralklinikum keine Verträge unterzeichnen, solange die Drei-Monats-Frist läuft. Das könnte das neue Begehren rechtswidrig machen, gegen Verträge sind diese aus Vertrauensschutzgründen unzulässig.
Laut FDP wäre ein Krankenhaus vor Ort ein wichtiger Standortfaktor für eine Stadt, in der viele Senioren, zumal begüterte, leben. Stadt und Kreis pochen dagegen auf die Vorzüge der Lage am Münchfeldsee. Der Grundstückszuschnitt – heute sind dort Sportplätze –, die Lage am See, die Nähe zur Baden-Badener Gemarkung sowie die Geologie seien vorteilhaft. Eine Trasse zwischen viel befahrenen Straßen und der Autobahn soll das Gelände für Autos und Krankenwagen erschließen. Buslinie und geplanter Straßenbahnstopp sorgten für den ÖPNV-Anschluss.
Hinweis auf Autoritäten
Zwei Autoritäten rufen die Klinik-Träger für den Standort auf, zum einen Rastatts Bürger, die sich per Bürgerbegehren im Mai 2023 mit über 70-prozentiger Mehrheit für den Münchfeldsee ausgesprochen hatten, sowie Gutachten, die den Standort befürworten. Zu deren Bewertung hatten Kreistag und Gemeinderat einen Beirat mit sechs Experten einberufen. Rastatt hatte drei Kreisräte entsandt, deren Unabhängigkeit die BI anzweifelt.
Das Landratsamt hält es dagegen für „schlichtweg nicht nachvollziehbar, warum einzelne Gemeinderäte der Stadt Baden-Baden das Verfahren und damit eine demokratisch getroffene Entscheidung kritisieren, an dem sie selbst beteiligt waren“. Die Entsendung von Kreisräten nämlich widersprach nicht dem Reglement, das die Gremien abgestimmt hatten.
Zugeständnisse an die Kurstadt
Bedenken hatten Baden-Badener Räte, weil sie das Aussterben der gebürtigen Kurstädter fürchteten. Die Stadtverwaltung Rastatt machte sich daher mit den Kollegen aus Baden-Baden auf zum Gemarkungstausch, der ein paar Quadratmeter Baden-Badener Gebiet unter dem Kreißsaal in Rastatt vorsieht. Und der Klinikname war wichtig: Es wird „Klinikum Baden-Baden/Rastatt“ heißen, ein Zugeständnis an die Kurstadt.
Begleitmusik kam jüngst auch aus Rastatt. So sahen sich Landrat Christian Dusch (CDU) und OB Späth mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde konfrontiert. Der ehemalige Rastatter OB Klaus-Eckhard Walker wollte so Verfehlungen bei der Platzsuche geltend machen. Diese konnte das Regierungspräsidium Karlsruhe nicht entdecken, weshalb es die Beschwerde „abgeschmettert“ habe, wie Dusch und Späth formulieren ließen.
Zentralisierung an sich wird offenbar nicht kritisiert
Unbestritten bleibt dagegen die Frage nach der Zentralisierung. Bessere medizinische Versorgung, attraktivere Arbeitsbedingungen, eine wirtschaftliche Betriebsgröße und Synergieeffekte führen Kreis und Stadt an. Auch der Zentralisierungstrend der Gesundheitsreform spreche für das Projekt, weshalb die Standorte Forbach und Bühl im Rastatter Haus aufgehen sollen. Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) hatte die Baden-Badener Räte auf das „Leuchtturmprojekt“ eingeschworen und die Übernahme von 60 Prozent der Kosten per Landesförderung zugesichert.
Daher kam das aktuelle Bürgerbegehren bei Klinikärzten nicht gut an. Sie wandten sich in einem offenen Brief gegen die drohende Verzögerung einer besseren medizinischen Versorgung und die Mehrkosten. Die Baden-Badener Verwaltung dagegen bleibt zurückhaltend und wartet das Zustandekommen des Begehrens ab.
Zahlen zum Klinikum
Der Landkreis Rastatt mit seinen rund 235 000 Einwohnern und die kreisfreie Stadt Baden-Baden (57 000 Einwohner) wollen eine Betreibergesellschaft für das Zentralklinikum gründen, an dem die Stadt zu 29,5 Prozent beteiligt ist. Das löst die bisherige Beteiligungs- und damit Kostenverteilung von 60 zu 40 Prozent zwischen Kreis und Stadt ab. Das war eine Bedingung aus Baden-Baden.
Die Träger rechnen mit Kosten von über 676 Millionen Euro, wovon das Land 387 Millionen Euro zahlt. Zukünftig sollen 700 Betten vorgehalten werden, aktuell sind es an vier Standorten 890 Planbetten. Für diese sind jetzt 1350 Mitarbeiter beschäftigt, zukünftig wäre laut Klinikgesellschaft mit 1045 Stellen zu rechnen.