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Kommunalfinanzen

Verbände schlagen Alarm: „Die Lage ist katastrophal“

Die deutschen Landkreise, Städte und Gemeinden verzeichnen das höchste Finanzierungsdefizit seit der Wiedervereinigung. Kommunalverbände fordern daher den Bund auf, rasch zu handeln.

Gegenüber 2023 ist das Defizit der kommunalen Haushalte im vergangenen Jahr deutlich gewachsen.

IMAGO/Zoonar.com/Andrii Yalanskyi)

Wiesbaden/Stuttgart. Alarmierende Zahlen des Statistischen Bundesamts nötigen der kommunalen Ebene einige Superlative ab, während die Koalitionspartner in Berlin über die Verteilung der Sondermilliarden verhandeln. Die Haushalte der Gemeinden und Gemeindeverbände in Deutschland wiesen im Jahr 2024 ein Finanzierungsdefizit von 24,8 Milliarden Euro auf. Wie das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Ergebnissen mitteilt, war dies das höchste kommunale Minus seit der deutschen Wiedervereinigung.

Gegenüber 2023 ist das Defizit im vergangenen Jahr deutlich gewachsen. Damals hatte das Minus 6,6 Milliarden Euro betragen. Die Ausgaben stiegen um 12,6 Prozent, allein die Sozialausgaben um mehr als 11 Prozent in nur einem Jahr; auch wegen höherer Regelsätze beim Bürgergeld und gestiegener Anspruchszahlen. Während die Einnahmen nur um 7,6 Prozent zulegten.

„Die Lage ist dramatisch“, zitiert der Gemeindetag seinen Präsidenten, Steffen Jäger laut Mitteilung. Allein für die Kernhaushalte der baden-württembergischen Landkreise, Städte und Gemeinden liege das Defizit bei über drei Milliarden Euro. „Damit übertreffen die aktuellen Zahlen die Negativrekorde der Finanzkrise 2009/2010“. Auch für die kommenden Jahre sind die Aussichten düster, so Jäger. „Die Alarmsignale schrillen auf Höchststufe – es braucht dringend eine strukturelle Stabilisierung der kommunalen Kassen.“

Städtetag: Infrastruktur-Milliarden vollständig weiterleiten

„Die Zahlen übersteigen unsere ohnehin schon schlimmen Erwartungen“, erklärt auch Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Die Lage der kommunalen Haushalte sei katastrophal. Das Defizit sei so hoch, dass die Kommunen es nicht aus eigener Kraft ausgleichen könnten.

Das gerade beschlossene Sondervermögen kann zwar einen Einbruch der kommunalen Investitionen verhindern. Es könne allerdings nicht die strukturelle Schieflage der kommunalen Haushalte beseitigen. Die Städte brauchten, so Dedy, als ersten Schritt einen höheren Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer. Bund und Länder müssen dafür sorgen, dass uns die Sozialausgaben nicht weiter über den Kopf wachsen.

Der Südwest-Städtetag fordert vom Land die vollständige Weiterleitung der Infrastruktur-Milliarden an Städte und Gemeinden. Nach dem Königsteiner Schlüssel stünden Baden-Württemberg rund 13 Milliarden Euro zur Verfügung – verteilt auf zwölf Jahre sind das etwa 1,1 Milliarden Euro jährlich. „Diese Summe darf nicht in landeseigenen Strukturen oder Förderprogrammen versickern“, so Präsident Frank Mentrup. Damit die neuen Infrastrukturmittel wirksam werden, schlägt der Städtetag ein unbürokratisches Modell vor: Kommunen sollen feste Budgets erhalten, die sie für investive Maßnahmen verwenden können.

Verband warnt vor einer komplizierten Förderlogik

Die konkreten Einsatzbereiche sollten in einer Liste förderfähiger Maßnahmen definiert werden. Eine Einzelfallprüfung entfalle, die Zweckbindung bleibe erhalten, so der Verband. „Wir brauchen einen klaren und schnellen Weg zur Umsetzung, und keinen Förderdschungel mit Stolperfallen“, betont Mentrup. Mit dieser Positivliste könnten Investitionen in Bildungseinrichtungen, den kommunalen Gebäudebestand und die öffentliche Daseinsvorsorge getätigt werden.

Auch bei der Verteilung der 100 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds brauche es Budgetzuweisungen auf Basis einer Positivliste, so der Städtetag. Der Verband warnt vor einer komplizierten Förderlogik mit Eigenanteilsforderungen, die viele Städte derzeit gar nicht stemmen könnten. Zudem solle das Land auch die neu eröffnete Möglichkeit zur strukturellen Neuverschuldung – bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – nutzen. Damit könne es eigene Investitionen zugunsten der kommunalen Ebene stärken.

Jäger: „Wir stehen an einem Wendepunkt.“

Der Gemeindetag fordert eine strukturelle, dauerhafte Stabilisierung der Kommunalfinanzen. Dazu gehöre eine Erhöhung der kommunalen Anteile an den Gemeinschaftssteuern auf der einen Seite und eine ehrliche Überprüfung der Ausgaben, insbesondere der konsumtiven, auf der anderen Seite.

„Wir stehen an einem Wendepunkt. Wer die kommunale Selbstverwaltung erhalten will, muss jetzt handeln – bevor aus dem finanziellen Alarmsignal ein Systemversagen wird“, so Präsident Jäger.

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