Gehwegparken

Urteil erhöht den Druck auf die Kommunen

Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig bestätigt, dass Kommunen gegen das Gehwegparken vorgehen müssen, das eigentlich schon längst verboten ist. Problematisch sind aber die Gewohnheiten der Menschen und fehlender Kontrolldruck.

Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stärkt die Rechte von Anwohnern.

Kerstin Kokoska via imago-images)

Leipzig/Karlsruhe. Anwohner müssen nicht hinnehmen, dass notorische Gehwegparker mit ihren Autos im eigenen Wohnumfeld dauerhaft für Behinderungen sorgen. Das ist der Kern eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Es betrifft drei Straßen in der Hansestadt Bremen, hat aber Signalwirkung für alle Kommunen in Deutschland. Ein weiterer zentraler Punkt im Urteil: Eine Stadtverwaltung kann sich nicht darauf berufen, sie müsse zusätzliche Maßnahmen wie eine Beschilderung grundsätzlich nicht prüfen, da Gehwegparken sowieso untersagt sei. Das höchste deutsche Verwaltungsgericht hat außerdem einen Weg gewiesen, wie Kommunen mit Blick auf Gehwegparken agieren könnten.

Stadtweite Betrachtung bringt Klarheit für alle

Die Richter schlagen vor, stadtteil- oder quartiersweise zu untersuchen, wie dort geparkt werden kann. Dabei sei es durchaus erlaubt, zu priorisieren, meinen die Juristen in Leipzig. Beginnen könne man mit der Analyse beispielsweise in den stärker belasteten Quartieren und Straßenzügen, die über eine besonders geringe Gehwegbreite verfügen. Es dürfte der einzige Wermutstropfen für die Kläger in Bremen sein: Das Gericht hat keinen Anspruch formuliert, dass ihre Straßen gleich zu Beginn untersucht werden müssen.

In Karlsruhe dürften die Verkehrsexperten das Urteil hingegen mit einer gewissen Entspanntheit vernommen haben. Dort existiert ein solches Konzept schon seit 2019. Es legt fest, an welchen Straßen Gehwegparken aufgrund der Breite der Gehwege möglich ist.

Die Verwaltung machte sich die Mühe, nach und nach alle noch möglichen Gehwegparkplätze mit weißer Farbe zu markieren. Das bringt Klarheit für alle. In Kombination mit mehr Kontrollen in den ersten Monaten nach der Umsetzung durch das Ordnungsamt wurde erreicht, dass das Thema in der öffentlichen Diskussion keine Rolle mehr spielt.

Bürgervereine hatte n gegen die Einschränkungen mobil gemacht

Bevor es aber dazu kam, war die Aufregung groß gewesen. Zu sehr hingen viele Autofahrer an angestammten Parkplätzen, die wegzufallen drohten. Vor allem die Bürgervereine in den einzelnen Stadtteilen mit einer teils sehr autoaffinen Mitgliederstruktur hatten gegen die Einschränkungen mobil gemacht.

In den Hintergrund gerieten dabei zusehends die Gründe, warum die Straßenverkehrsordnung das Gehwegparken unterbinden will: Menschen mit Kinderwagen oder mit Gehhilfen, die mehr Platz brauchen, sollen diesen Platz auch bekommen. In den Jahrzehnten zuvor, als die Zugänglichkeit der Städte für Autofahrer im Fokus war, bewegten sich die Verwaltungen allzu gerne in einer Grauzone und ließen die Autofahrer die Gehwege mitbenutzen – so auch in Karlsruhe. Die Landesregierung erhöhte dann Mitte des vergangenen Jahrzehnts den Druck auf solche Gepflogenheiten.

Viel mehr politischen Druck mit Blick auf die Parkgewohnheiten würde sich auch Markus Neppl wünschen. Der Professor für Stadtquartiersplanung an der Fakultät für Architektur des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) befasst sich mit der Frage, wie Autos möglichst Platz sparend geparkt werden können.

In vielen Städten gibt es Viertel mit besonderen Herausforderungen

„Das Gehwegparken ist vor allem ein Problem im Bestand“, so Neppl , der damit die Gründerzeitviertel anspricht, die Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet wurden. Hier gibt es bauliche Probleme: zu enge Straßen und wenig breite Gehwege. Problematisch seien auch die Viertel, die in den 1950er- und 1960er-Jahren entstanden seien, also in einer Phase, in der es um die autogerechte Stadt ging und Gehwege generell weniger Bedeutung hatten. „Das Dumme dabei ist, es gibt keinen einfachen Ausweg, weil die Bedarfe und die Gewohnheiten der Menschen da sind“, weiß Neppl aus vielen Diskussionen, die er mit Gemeinderäten führt.

Dieser politische Raum bedeutet in vielen Fällen das Aus für Lösungen, die dazu führen sollen, dass es generell weniger Autos gibt, beispielsweise eine geringere Kennzahl bei den Stellplätzen oder der Bau von Quartiers-Hochgaragen . Was fehlt, seien verpflichtende Vorgaben, sein Auto nicht mehr am Straßenrand und damit auch nicht mehr auf dem Gehweg zu parken. „Das ist momentan ein schwieriges Geschäft“, sagt er mit Blick auf die politische Entwicklung in vielen Gemeinderäten, dem Auto eher wieder zugewandter zu sein.

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