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Entscheidung des Regierungspräsidiums

Ungültige Gemeinderatswahl in Crailsheim: „Es geht nicht um gekränkte Eitelkeit“

Nachdem die Gemeinderatswahl in Crailsheim für ungültig erklärt wurde, schaut die Stadt gebannt auf die Ratssitzung am Montag. Dann soll das Gremium entscheiden, ob die Entscheidung des RP angefochten wird. Wenn ja, befürchtet die Verwaltung Stillstand auf lange Zeit.

Am Montag stimmt der Gemeinderat in Crailsheim darüber ab, ob er gegen die Ungültigkeit der Ratswahl klagt. Oberbürgermeister Christoph Grimmer (parteilos, l.) hat mit der Entscheidung des Regierungspräsidiums gerechnet, Heiner Gröger hatte gegen die Wahl Einspruch erhoben.

Stadt Crailsheim)

Stuttgart/Crailsheim. „Aus meiner Sicht musste die Prüfung des Regierungspräsidiums so ausfallen“, erklärt Oberbürgermeister Christoph Grimmer (parteilos) nach der Entscheidung des Regierungspräsidiums Stuttgart. Die Behörde hatte die Wahl für ungültig erklärt, weil einzelne Stadtteile rechnerisch mit den zugewiesenen Sitzen bei der Unechten Teilortswahl bis zu 70 Prozent überrepräsentiert seien.

Die Stadt stellte am vergangenen Freitag in einer Pressemitteilung das bisherige Abstimmungsverhalten der 43 Gemeinderäte in der Sache dar. Mehrmals habe Grimmer versucht, die Unechte Teilortswahl abzuschaffen oder zumindest die Hauptsatzung so anzupassen, damit die Wahl nicht angefochten werden kann.

„Viermal wurde zwischen Juni 2022 und Dezember 2023 über die Thematik beraten. Viermal wurde jegliche Änderung, die zu einer Rechtskonformität hätte führen können, von einer Gemeinderatsmehrheit abgelehnt“, kritisiert Sebastian Karg von den Grünen im Gemeinderat. Die fünfköpfige Fraktion habe als einzige immer für eine rechtskonforme Anpassung gestimmt. Für Karg ist das Verhalten der übrigen Räte unverantwortlich.

Crailsheimer Unternehmer hatte Einspruch erhoben

Einspruch erhoben hatte der Crailsheimer Unternehmer Heiner Gröger, der zur Ratswahl angetreten war, aber den Einzug in das Gremium mit rund 3000 Stimmen nicht geschafft hatte. Er empfinde die Unechte Teilortswahl als zutiefst ungerecht, erläutert er auf Anfrage des Staatsanzeigers den Grund für sein Vorgehen. „Ich kann nicht nachvollziehen, warum bei einer Gemeinderatswahl abgegebene Stimmen so ungleich gewertet werden.“ Es sei Nonsens, wenn nun Bürger behaupteten, dass er nur Widerspruch eingelegt habe, weil er nicht gewählt worden sei. Dem 71-Jährigen gehe es nicht um gekränkte Eitelkeit, sondern um Grundsätzliches: „In einer Demokratie muss jede Stimme gleich viel wert sein – zumindest dürfen Verzerrungen das tolerierbare Maß nicht überschreiten“, so Gröger. Was die Sondersitzung angeht (siehe Kasten), will er erst einmal abwarten. „Das Crailsheimer Stadtparlament ist immer für eine Überraschung gut.“

Kommunalaufsicht hätte Hauptsatzung auf Rechtssicherheit prüfen sollen

Was sagen die anderen Fraktionen? Die zehnköpfige SPD-Fraktion scheint sich in der Sache nicht einig zu sein. Einige Räte hatten vor der Wahl gegen eine rechtskonforme Anpassung der Satzung gestimmt. Auf der anderen Seite brachte die Fraktion im Dezember 2023 den Kompromissvorschlag der Verwaltung – Beibehaltung der Unechten Teilortswahl, aber Zusammenlegung von Wahlbezirken – als Antrag ein.

Gernot Mitsch, langjähriger Fraktions-vorsitzender der SPD, war im Juni nicht mehr angetreten, muss nun aber weiter seine Partei vertreten. Seiner Meinung nach hätte es Rechtssicherheit nur mit einer Abschaffung der Unechten Teilortswahl gegeben. „Im Gemeinderat wurde das Thema in den vergangenen Jahren mindestens viermal behandelt und das, obwohl jedem klar war, worin die Vor- und Nachteile bestehen“, sagt der 74-Jährige. Doch ein Wille, etwas zu verändern, habe es bei einem großen Teil des Gemeinderats und in der Bevölkerung nicht gegeben, so der Studiendirektor im Ruhestand.

Mitsch hätte sich gewünscht, dass die Stadt Crailsheim die Hauptsatzung auf Rechtssicherheit bei der Kommunalaufsicht prüfen lässt. Für ihn ist es unverständlich, dass nur in Crailsheim die Wahl für ungültig erklärt wurde, zumal es die Unechte Teilortswahl in vielen Gemeinden Baden-Württembergs gebe. Noch habe er sich nicht entschieden, wie er am Montag abstimmen werde.

Die CDU will sich „fast einstimmig“ gegen eine Klage aussprechen

Die CDU hat nach der Wahl von 2019 insgesamt 15 Sitze und ist damit die größte Fraktion im Gemeinderat. Der Stadtverband bestätigt auf Anfrage, dass die Fraktion damals geschlossen gegen eine Änderung der Satzung, die die Unechte Teilortswahl rechtssicher machen sollte, gestimmt habe. Die Christdemokraten beriefen sich auf die Eingemeindungsverträge, die jedem Ortsteil einen Sitz im Gemeinderat gewährt.

Es sei wichtig, Vertreter aus dem gesamten Stadtgebiet in dem Gremium zu haben, die sich vor Ort gut auskennen. Deshalb habe die Fraktion im Einklang mit der überwiegenden Zahl der Ortschaftsräte auch gegen die Abschaffung der Unechten Teilortswahl gestimmt. Wie Sozialdemokrat Mitsch moniert auch die Crailsheimer CDU, dass es keine Prüfung der Kommunalaufsicht auf Rechtssicherheit der Hauptsatzung gegeben habe. Die Stadt bestätigt auf Anfrage, dass eine Prüfung bei der Kommunalaufsicht nicht erfolgt sei, da der Sachverhalt für die Verwaltung klar war. Die CDU will nun Ruhe in die Angelegenheit bringen und will sich „fast einstimmig“ gegen eine Klage gegen den RP-Beschluss aussprechen.

Neuwahl wohl erst 2025

Die Stadt rät dem Gemeinderat in der Sondersitzung am Montag von einer Klage gegen den Beschluss des Regierungspräsidiums ab. Die Verwaltung sieht keine realistische Aussicht auf einen Erfolg. Dies würde zudem zu einer lange Hängepartie führen, da nicht klar ist, bis wann das Gericht sich mit dem Fall beschäftigt. In der Folge könnten wesentliche Entscheidungen nur dann getroffen werden dürfen, wenn diese nicht aufschiebbar sind. Ein realistischer Termin für eine Neuwahl liege im März 2025.

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