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Anwohnerparken: Soziale Aspekte sind für die Parkgebühr kein Maßstab

Die Freiburger Gebührensatzung zum Anwohnerparken ist nicht zuletzt an ihrer Rabattregel für bedürftige Autofahrer gescheitert. Die Richter des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts haben hier ihre bisherige Rechtsprechung angewendet und eine Ermächtigungsgrundlage für die Sozialklausel bei Parkgebühren vermisst. Ob es diese braucht, könnte bald in der Berliner Ampel-Koalition diskutiert werden. 

Beim Anwohnerparken haben alle dieselben Rechte. Ein Gebührenrabatt, etwa aus sozialen Gründen, ist da ein juristischer Fremdkörper.

dpa/Zoonar/Arto)

Leipzig/Freiburg. An drei Punkten hat sich das Bundesverwaltungsgericht Mitte Juni in seinem Urteil zur Freiburger Anwohnerparkgebührensatzung gestört. Neben der Satzung (siehe Staatsanzeiger vom 11. August) ging es den Richtern um die Sozialklausel und die Staffelung der Gebühren nach Länge der Fahrzeuge. Besonders die Sozialklausel könnte die Berliner Politik noch beschäftigen. 

Freiburg hatte zum 1. April 2022 die Parkgebühren für Anwohner ordentlich erhöht, von ursprünglich 30 Euro auf durchschnittlich 360, für besonders lange Fahrzeuge 480 Euro pro Jahr. Allerdings sollte der Finanzdruck auf nicht so reiche Autofahrer gemildert werden. Wer Sozialleistungen wie Hartz IV oder Wohngeld bekommt, durfte auf einen Gebührenerlass von 25 Prozent pochen.

Freiburg-Card sollte Rabatte fürs Anwohnerparken geben

Im vergangenen März hat der Gemeinderat diese Regel erweitert und auf die Freiburg-Card ausgedehnt. Diese Rabattkarte für kommunale Leistungen erhalten Transfergeld-Bezieher kostenlos. Aber auch Familien mit einem Einkommen über den Sozial- und Wohngeld-Hilfegrenzen können sich die Karte holen, sofern mindestens ein minderjähriges Kind im Haushalt lebt. Für sie kostet die Karte 30 Euro. Alle Begünstigen zahlen im Durchschnitt 270 Euro für ein normal langes Auto. Die Regel sollte im Juli in Kraft treten. Das Urteil hat den Beschluss des Gemeinderats nun obsolet gemacht.

Anders war Ulm vorgegangen. Die Stadtverwaltung rief bisher 200 Euro für ein Anwohnerparkticket auf. Einen Rabatt für Bedürftige hatte die Stadt an der Donau ausgeschlossen. Was sozial unsensibel erscheint, hat einen großen Vorteil: Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Rabattverzicht im Gegensatz zum Freiburger Modell gesetzeskonform.

Ein Rechtsgutachten, das heute noch im Internet zu finden ist, hatte die Ulmer Stadtmütter und -väter davor gewarnt: Das Straßenverkehrsrecht dient der Verkehrsregelung. Ziel ist die Gewährleistung eines flüssigen und sicheren Verkehrs, und nicht der soziale Ausgleich. So sah es auch seit den 90er-Jahren das Bundesverwaltungsgericht, das für Vergünstigungen besondere Rechtsgrundlagen fordert. Diese haben nun die Leipziger Richter für die Freiburger Regelung vermisst und die Satzung auch deshalb verworfen.

Damit ist der Gesetzgeber gefragt. Das Bundesverkehrsministerium sieht keine Veranlassung, hier gesetzlich nachzuschärfen. Das Straßenverkehrsrecht sei privilegienfeindlich. Es dürfen keine Bevorrechtigungen für bestimmte Verkehrsteilnehmer vorgesehen werden, es sei denn, es liegt ein verkehrlicher Grund für die Ungleichbehandlung vor, teilt die Behörde mit. Doch das Gesetz wird gerade neu gefasst.

Noch vor der Sommerpause sind verschiedene Regelungsänderungen vom Kabinett auf den parlamentarischen Weg gebracht worden. Zuvor hatte sich die Ampel-Koalition in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, dass sie die Ziele des Straßenverkehrsrechts um Aspekte des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung ergänzen will. Von entsprechenden sozialen Erwägungen war im Koalitionsvertrag allerdings nicht die Rede.

Geht es nach dem Kieler SPD-Bundestagsabgeordneten und Mitglied im Verkehrsausschuss Matthias Stein, gehören diese aber ins Bundesrecht: „Gerade bei hohem Parkdruck wollen viele Kommunen die Gebühren erhöhen. Das darf dann aber nicht dazu führen, dass sich nur noch Gutverdiener das wohnortnahe Parken ihres Autos leisten können“, sagte er dem Staatsanzeiger.

Seine grüne Bundestagskollegin und Mitglied im Verkehrsausschuss Swantje Michaelsen aus Hannover ergänzt: „Aus meiner Sicht sollten Kommunen auch die Möglichkeit haben, Gebühren nach Fahrzeuggröße zu staffeln.“  Auch aus diesem Aspekt haben die Leipziger Richter die Freiburger Satzung verworfen.

FDP und CDU in Berlin scheinen sich bis hin zur Formulierung einig

Gleichzeitig endet damit aber die Übereinstimmung in der Ampel. Jürgen Lenders von der FDP spricht sich nicht für Sozialrabatte, sondern generell gegen zu hohe Kosten für das Anwohnerparken aus: „Nicht jede Familie kann auf ein eigenes Auto verzichten, und wer im Innenstadtbereich wohnt, hat nicht automatisch eine gute ÖPNV-Anbindung zur Arbeit“, so das Mitglied im Verkehrsausschuss.

Interessant ist, dass der Fuldaer Freidemokrat Lenders gegenüber dem Staatsanzeiger dieselbe Metapher vom „Autofahrer als Melkkuh“ verwendet, wie der Sigmaringer CDU-Abgeordnete Thomas Bareiß. Der Christdemokrat sagt: „In Freiburg wird der Autofahrer aus ideologischen Gründen zur Melkkuh des Gemeinderates gemacht. Wohnortnahes Parken darf keine Frage des Einkommens sein!“

Unbestimmter Rechtsbegriff wird zur Grundlage einer Prognose

Bislang kann eine Kommune den Parkraum für Anwohner reservieren, wenn ein erheblicher Parkdruck vorliegt. Die Definition des Parkdrucks ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, wie der Hamburger Senat 2021 auf eine Anfrage hin ausführte. Parkdruck sei Ausdruck nicht ausreichender Stellplätze auf privatem Raum einerseits 
und andererseits der fehlenden Möglichkeit, ergänzend Stellplätze im öffentlich verfügbaren Raum zur Verfügung zu stellen.

Diesen auslegungsbedürftigen Begriff will die Bundesregierung für die Kommunen nun noch flexibler gestalten. Bisher gingen die Behörden davon aus, dass für die Anwohnerparkzone erheblicher Parkdruck nachgewiesen werden muss, heißt es vom Bundesverkehrsministerium zur Novelle des Straßenverkehrsrechts. Künftig sollen bereits prognostische Daten bei der städtebaulichen Planung für diese Zwecke ausreichen. Das heißt: Kommunen müssen nicht erst die Entwicklung der tatsächlichen Parksituation abwarten, um eine Anwohnerparkzone einzurichten.

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