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Sieger klagt gegen Wiederholung der Wahl
Alpirsbach /Karlsruhe. Sven Christmann klagt gegen die Entscheidung des Landratsamts Freudenstadt, das eine Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Alpirsbach angeordnet hatte. Die Klage sei vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben worden, erklärt sein Anwalt Patrick Heinemann. Das Landratsamt wirft Christmann, Sieger der Bürgermeisterwahl Ende April, Wählertäuschung vor. Gegen den Polizeihauptkommissar läuft seit rund eineinhalb Jahren ein Strafverfahren wegen Korruptionsverdachts, ob es zur Anklage kommt, ist noch nicht entschieden.
Christmann hätte das Amt eigentlich zum 1. Juli hätte antreten sollen. Nach der Wahl gab es jedoch drei Einsprüche, die sich a uf den Vorwurf der Täuschung und des Vorenthaltens von wichtigen Informationen für den Wähler beziehen .
Täuschung der Wähler als „ergebniserheblich“ einzustufen
Durch die Prüfung dieser Einsprüche habe das Landratsamt „gesicherte Informationen erhalten, dass Herrn Christmann schon lange vor Beginn des Bürgermeister-Wahlverfahrens die Führung der Dienstgeschäfte gem. § 39 BeamtStG (Suspendierung) verboten wurde und dass dieses Verbot seither unverändert fortbesteht“. Dies sei als aktive Täuschung der Wähler zu bewerten, teilte die Behörde Mitte Juni mit. Christmann habe im Wahlkampf „explizit darauf hingewiesen, dass er nicht suspendiert sei“.
Anders als formale Mängel sei eine Täuschung der Wähler als „ergebniserheblich“ einzustufen, da dies eine direkte Auswirkung auf das Wahlverhalten und die Stimmabgabe der Bürger habe. Hätten sich 155 Wähler mehr bei der Stichwahl Ende April für Amtsinhaber Michael Pfaff entschieden, wäre die Wahl anders ausgegangen.
Mandant hat vor der Wahl keine Frage falsch beantwortet
Christmanns Anwalt ist anderer Auffassung. „Eine Suspendierung ist eine vorläufige Dienstenthebung und diese gab es bei Herrn Christmann nicht. Der Dienstherr ordnet diese an, wenn die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wahrscheinlich ist.“ Diese habe das Land Baden-Württemberg gegen seinen Mandanten aber nicht verfügt. Dieser sei nach wie vor Beamter des Landes, erklärt der Freiburger Rechtsanwalt Patrick Heinemann. Das Land habe lediglich ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte angeordnet. Hierfür seien die Voraussetzungen viel niedriger. „Das ist eine andere Nummer. Wir sind von einer Wahltäuschung weit entfernt“ .
Dass Christmann freigestellt ist, treffe dagegen zu, betont Heinemann. Sein Mandant habe vor der Wahl keine Frage falsch beantwortet und er sei nicht verpflichtet, etwas anderes zu offenbaren.
Das Argument des Formfehlers lässt der Anwalt nicht gelten
Als „ergebniserheblich“ stufte das Landratsamt auch ein, dass bei neun von zehn notwendigen Formblättern von angegebenen Unterstützern in den Bewerbungsunterlagen Christmanns die entscheidende Angabe fehle, welcher Kandidat für das Amt des Bürgermeisters unterstützt werden soll. Die Bewerbung sei damit nicht gültig gewesen und er hätte nicht zur Wahl zugelassen werden dürfen.
Doch das Argument des Formfehlers lässt Anwalt Heinemann nicht gelten, schließlich seien die Unterstützungsunterschriften zum Schutz davor, dass Spaßbewerber kandidieren. „Dieser Schutz ist offensichtlich gewahrt, weil nur wenige Bewerber angetreten waren.“ Dass Christmann mehr als zehn Personen unterstützt haben, sei auch eindeutig. „Ich sehe nicht, wie das Ergebnis der Wahl durch diesen Formfehler beeinflusst worden sein soll“.
Gemeinderat verzichtet auf Angebot von Noch-Amtsinhaber Pfaff
Die Amtsgeschäfte im Alpirsbacher Rathaus führt bis zum 1. Juli der bisherige Bürgermeister Michael Pfaff. Er habe dem Gemeinderat angeboten, die Geschäfte auch darüber hinaus weiterzuführen und hätte sich eine erneute Kandidatur vorstellen können. Doch die amtierenden Räte hätten eine Interimslösung mit ihm abgelehnt und möchten nun einen Amtsverwalter einsetzen, erklärt Pfaff. Nach seiner Einschätzung könnte es Monate dauern, bis der Fall abgeschlossen ist. Daher möchte er nun, wie nach seiner Niederlage ursprünglich geplant, eine neue berufliche Herausforderung annehmen.
Witt: „Im Wahlkampf kommen alle Dinge ans Licht“
Paul Witt verweist grundsätzlich darauf, dass es sich bei der Wählertäuschung um einen Straftatbestand handelt. Der ehemalige Rektor der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl rät allen Kandidaten bei Bürgermeisterwahlen zur Ehrlichkeit. „Meine Erfahrung ist, dass im Wahlkampf alle Dinge ans Licht kommen. Die Leute telefonieren, sie recherchieren“. Witt hat bereits viele Bürgermeisterwahlen verfolgt, ein ähnlicher Fall wie in Alpirsbach sei ihm nicht bekannt. Allerdings seien Kandidaten schon wegen weitaus kleinerer Dinge im Wahlkampf gestolpert, etwa wegen falscher Angaben im Lebenslauf.