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Rutesheim hat große Pläne, wird aber auch ausgebremst
Rutesheim. Wie bekommt man eine Kommune bis 2040 klimaneutral? Diese Frage treibt Rutesheims Bürgermeisterin Susanne Widmaier (parteilos) und den Technischen Leiter der Stadtwerke , Markus Sattler, um. Sie mussten feststellen: Das ist nicht einfach.
Die Stadt mit rund 11 500 Einwohnern ist nach Landesgesetz nicht zu einer Wärmeplanung verpflichtet. Doch sie hat ihre Planung bereits im Oktober 2023 abgeschlossen. Ausgangspunkt war die geplante Wohnbebauung auf einem ehemaligen Firmengelände im Ort. Da dieses dicht neben dem großen Komplex von Schulen und Sporthallen liegt, bot sich hier ein Wärmenetz an.
In der Folge wurde eine Wärmeplanung für die gesamte Stadt gemacht. Für die Umsetzung des Wärmenetzes und den Ausbau der erneuerbaren Energien vor Ort hat Rutesheim inzwischen sogar eigene Stadtwerke gegründet .
Der Wärmebedarf muss durch energetische Sanierung sinken
Die Gebäude in der Kommune sind überwiegend, von einigen Neubaugebieten abgesehen, älter, die Mehrzahl aus den 1950er bis 70er-Jahren und damit aus Zeiten vor der ersten Wärmeschutzverordnung. Geheizt wird zu 28 Prozent mit Öl, zu 62 Prozent mit Gas. Der Rest verteilt sich auf Holz, Pellets, Strom und Wärmepumpen, so die Analyse der IBS Ingenieurgesellschaft, die die Planung im Auftrag der Kommune gemacht hat.
Dabei hat man schnell festgestellt: Es ist utopisch, die komplette derzeit benötigte Wärmeenergie von rund 81000 Megawattstunden pro Jahr durch erneuerbare Wärme ersetzen zu wollen. Das heißt, der Energiebedarf muss runter, wenn die Kommune bis 2040 klimaneutral sein soll. Bei einer Sanierungsquote von drei Prozent jährlich wäre eine Verringerung des Wärmeverbrauchs um 25 Prozent bis 2040 möglich. Das würde bedeuten, dass bis 2040 die Hälfte der Gebäude energetisch saniert sein müssten. Um den gesamten Gebäudebestand zu sanieren wäre eine Quote von 6,6 Prozent jährlich notwendig. Damit könnte der Wärmeverbrauch in etwa halbiert werden. Zum Vergleich: Die Quote für die energetische Sanierung liegt seit Jahren landesweit bei etwa einem Prozent. In Rutesheim wurden bereits mit der Energieagentur Informationsveranstaltungen für die Bürger zum Thema angeboten.
Wo die Energie für das Wärmenetz herkommen soll
Der Plan zeigt auch: Für große Teile der Kommune würde sich Nahwärme anbieten oder könnte geprüft werden. Der Startpunkt für das Nahwärmenetz liegt bei den Schulen, Sporthallen und dem daran angrenzenden neuen Wohngebiet auf dem freigewordenen Industrieareal am Rand der Innenstadt. Erste daran anschließende Bestandsgebäude wurden bereits mit in die erste Tranche des Netzbaus aufgenommen. Förderanträge dafür sind bereits gestellt, inklusive Wärmezentrale und Wärmespeicher. Allein für den ersten Teil kommen auf die Kommune Kosten von rund elf Millionen Euro zu, etwa 40 Prozent könnten gefördert werden. Doch es fehlen noch die Bescheide. „Wir würden gerne schnell beginnen“, sagt Bürgermeisterin Widmaier. Doch die Haushaltssperre im Bund hatte auch beim Bundesamt BAFA dazu geführt, dass die Anträge nicht mehr bearbeitet wurden, so Sattler. Etwa ein halbes Jahr müsse man auf die Genehmigung warten.
Doch wo soll die erneuerbare Energie für das Wärmenetz eigentlich herkommen? In Rutesheim will man alles nutzen, was möglich ist: Photovoltaik, um etwa große Wärmepumpen zu betreiben, Solarthermie, Hackschnitzel und Windenergie. Genutzt werden soll auch Abwärme von der Kläranlage. Abwärme von Betrieben konnte bislang nicht gewonnen werden. Einzig ein Landwirt am Ortsrand würde gerne seine Abwärme aus der Biogasanlage verkaufen.
Der Ausbau des Wärmenetzes muss sich auch rechnen
Auch beim Ausbau und der Nutzung der erneuerbaren Energien gibt es Hindernisse. Etwa bei der Solarenergie. Geeignet wäre der nahe gelegene Autobahnwall. Doch die Verhandlungen mit der Autobahngesellschaft kommen nicht voran. Photovoltaik soll wo möglich auf den Dächern der kommunalen Gebäude installiert werden. Doch die Strommengen sind zu groß, als dass der Stromnetzbetreiber sie gegen Gebühr durchleiten würde, aber auch bei geringeren Mengen müsste die Kommune den Strom für sieben Cent einspeisen und zum Marktpreis zurückkaufen. Nun plant Rutesheim, ein eigenes kleines Stromnetz zwischen den städtischen Gebäuden zu bauen. Bei der Windenergie hat man einen geeigneten Standort für zwei bis drei Windräder gefunden.
Und die Zeit drängt: Wenn die Kommune nicht schnell voran kommt mit Bau und Ausbau des Wärmenetzes, könnten Hausbesitzer sich nach einer anderen Lösung umschauen. Denn knapp die Hälfte der Heizungsanlagen in den Wohnhäusern wurde vor dem Jahr 2000 eingebaut und fällt bald unter die Austauschpflicht. Und dann wäre ein weiterer Ausbau des Wärmenetzes unter Umständen für die Stadt nicht mehr rentabel.