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Rivalisierende Zuhälter: Heilbronn will Straßenprostitution komplett verbieten
HEILBRONN. Am Ende war der Druck zu groß und die Heilbronner Stadtverwaltung musste handeln. Sie beendete das Treiben auf dem Straßenstrich in der einschlägig bekannten Hafenstraße ganz in der Nähe des ehemaligen Bundesgartenschaugeländes. Dort hatten sich in der Vergangenheit rivalisierende bulgarische Zuhältergruppen teils gewaltvolle Auseinandersetzungen geliefert – bis in die Fußgängerzone hinein.
Die Reaktion der Stadtverwaltung: Sie machte die Hafenstraße zum Sperrgebiet. Jetzt soll der nächste Schritt folgen und das ganze Stadtgebiet zur Verbotszone für Prostitution erklärt werden. Es wäre die erste Stadt in Baden-Württemberg, die diesen Schritt vollzieht.
Das Regierungspräsidium muss erst noch zustimmen
Als im vergangenen September die erste Allgemeinverfügung für die Hafenstraße erlassen wurde, zeigte das die von Stadtverwaltung und Polizei gewünschte Wirkung. Von einem Tag auf den anderen herrschte Ruhe in der wenig einladenden Straße. Zuhälter und Prostituierte hatten schnell sogenannte Terminwohnungen zur Hand, um ihre Geschäfte weiter betreiben zu können. Einige warteten nach Aussage der Heilbronner Polizei aber nur darauf, dass das zeitlich befristete Verbot auslaufe und man wieder zurückkehren könne. Ob es so weit kommt, ist noch unklar.
Denn: Der Gemeinderat hat zwar beschlossen, Straßenprostitution in der gesamten Stadt zu verbieten. Die Allgemeinverfügung aber muss vom Regierungspräsidium (RP) in Stuttgart noch genehmigt werden. „Derzeit liegen dem Regierungspräsidium noch nicht alle Informationen vor, die notwendig sind, um prüfen zu können, ob ein solches Verbot im gesamten Stadtgebiet rechtlich möglich ist“, teilt eine Sprecherin des RP mit. Es könne deshalb noch keine Aussage dazu getroffen werden, ob, wann und in welchem Umfang eine neue Sperrgebietsverordnung erlassen werden könne.
Was eine Allgemeinverfügung kann
Eine Allgemeinverfügung ist nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz „ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft“. Verfügungen können sich erstens an einen größeren oder bestimmten Personenkreis richten, so zum Beispiel, um eine Versammlung aufzulösen.
Zweitens kann es um öffentlich-rechtlichen Eigenschaften einer Sache gehen, etwa die Widmung einer Straße und drittens können damit Benutzungsregeln, beispielsweise für ein Museum, verfügt werden.
Beantwortet werden muss unter anderem die Frage, ob eine abstrakte Gefahr für die Allgemeinheit besteht. Von der Stadtverwaltung Heilbronn wird das eindeutig bejaht. Insbesondere sieht sie das für Kinder, Jugendliche und Heranwachsende gegeben. Zwar liegt die Hafenstraße in einem von Industriebetrieben dominierten Gebiet, sie ist aber nach Angaben der Verwaltung vom Park des ehemaligen Bundesgartenschaugeländes mit Kinderspielplatz aus einsehbar. Drei Buslinien führen durch das Gebiet.
Die ansässigen Unternehmen haben sich zum Teil massiv über die Hinterlassenschaften des abendlichen und nächtlichen Treibens beschwert. Die Gefahr, dass sich die Szenerie auf andere Straßenzüge und Stadtgebiete ausweitet, hält die Stadt zudem für real.
Kathrin Geih von der Mitternachtsmission der Diakonie Heilbronn macht schon seit einigen Jahren aufsuchende Arbeit. Sie kennt die Frauen auf der Straße, deren Sorgen und Nöte. Seit einigen Monaten weiß sie weniger gut Bescheid.
Das liegt daran, dass etliche der Frauen im Dunkelfeld verschwunden sind – in einer jener Wohnungen, die von den Zuhältern angemietet werden, wiederum aber nicht offiziell als Terminwohnung angemeldet sind. „Der Zugang für uns ist jetzt deutlich erschwert“, erläutert Geih weiter. Auf der Straße war es für die betroffenen Frauen einfacher, in das „Kontaktmobil“ zu steigen. Dort gab es Kaffee, Hygieneartikel und – ganz zentral – Zuspruch und Beratung.
Sozialarbeiterin befürchtet ein Katz-und-Maus-Spiel
Die Sozialarbeiterin der Fachberatungsstelle für Prostituierte der Diakonie versteht angesichts der schwierigen Situation in der Hafenstraße, dass gehandelt werden musste. „Unser Ziel ist, dass die Frauen weiterhin Zugang zu Hilfsangeboten haben“, betont sie mit Blick auf die veränderte Situation. Um die Frauen jetzt aufzusuchen, brauche es künftig mehr Ressourcen.
Kathrin Geih ist sich nicht sicher, ob ein Verbot von Straßenprostitution für ganz Heilbronn funktionieren kann. „Wir wissen, es gibt ein oder zwei andere Straßen, wo Frauen jetzt stehen“, sagt sie. Kommt das umfassende Verbot, könnte das zu einem Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizei und Zuhältern werden.
Die Polizei selbst thematisiert in ihrer Stellungnahme nicht, ob sie in der Lage ist, ein Sperrgebiet dieser Größe überhaupt dauerhaft zu kontrollieren. Für die Gesetzeshüter ist aber klar, dass eine erneute Öffnung des Straßenstrichs – egal, an welchem Ort – zur Folge hätte, dass sich die Situation schnell wieder zuspitzen könnte und weitere Revierkämpfe entstehen könnten.