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Rathauschef Florian Kling setzt auf New Work
Calw. Im Wahlkampf vermutete er, dass es im Rathaus sicher noch Schreibmaschinen gebe. Mittlerweile hat der Calwer Oberbürgermeister Florian Kling (SPD) einige der Geräte gefunden, die für die alte, analoge Verwaltung stehen. Kling will diese Zeit hinter sich lassen und trennt sich dafür auch von eigenen Privilegien. Seit dem vergangenen Jahr gibt es im Rathaus den Multispace, das sind Räume für unterschiedliche Aufgaben und Arbeitsformen. Im zuvor ungenutzten Foyer stehen jetzt Schreibtische. Das ehemalige Büro des Oberbürgermeisters ist nun ein Besprechungsraum und das einstige Vorzimmer beherbergt drei Arbeitsplätze – und ein Plätzchen für den Bürohund.
Zum Konzept gehört auch ein Büro fürs konzentrierte Arbeiten, in dem nicht telefoniert werden darf, und ein Kreativ-Raum mit Flipcharts und Lego-Figuren, wo Projekte ausprobiert und besprochen werden können. Zudem gibt es eine Sofaecke mit Küchenzeile und Kaffeemaschine. Jeder Mitarbeiter sucht sich morgens den passenden Tisch. Welcher das sein wird, hängt von den Aufgaben und Besprechungen ab, die anstehen. Der ständige Wechsel der Plätze wird erleichtert, weil rund ein Drittel das Homeoffice nutzen.
„Ein Drittel meiner Mitarbeiter geht in den Ruhestand“
Die Ideen rund um New Work brachte der gebürtige Calwer 2019 ins Amt mit. Während seiner Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr war Kling unter anderem IT-Manager im niederländischen NATO-Hauptquartier, anschließend arbeitete er als IT-Unternehmensberater. „Ich persönlich hatte weniger Angst, mein Büro aufzugeben. Ich musste aber selbstverständlich die Mitarbeiter bei diesem Prozess mitnehmen.“ Ein Vorbild für das Konzept im Schwarzwald ist auch die bayrische Landeshauptstadt München, wo das Arbeiten in einem Multispace schon länger praktiziert wird.
Die neue Arbeitswelt sei notwendig, um die Stadt für die Zukunft aufzustellen. Wie überall im öffentlichen Dienst steht auch in Calw der demografische Wandel an: „Während meiner Amtszeit werden ein Drittel meiner Mitarbeiter in den Ruhestand gehen“, sagt der 38-Jährige. Kling geht davon aus, dass das Multi-Space seine Behörde gerade für junge Menschen attraktiv macht.
Trotz allem könnte die Zahl der Neuen nicht die Abgänge kompensieren. „Das heißt, ich muss an anderer Stelle effizienter werden mit dem Personal, das ich habe.“ Dafür müssten die Mitarbeiter vernetzt arbeiten.
Das Einzige, woran keiner vorbeikommt, ist das papierlose Arbeiten
Noch ist der räumliche Wandel nicht überall vollzogen. Einige Mitarbeiter im Rathaus und anderen Gebäuden haben nach wie vor ihr eigenes Büro. „Ich werde es niemandem aufzwingen. Es kann gut sein, dass eine Abteilung oder ein Sachgebiet weitermacht wie bisher“, erklärt er.
Das Einzige, woran keiner vorbeikomme, sei das papierlose Arbeiten. Kling will deshalb die Prozesse digitalisieren, die die Stadtverwaltung selbst in der Hand hat. „Was das Onlinezugangsgesetz angeht, sind wir so schlecht wie alle anderen Kommunen auch. Doch wenn es weitergeht, dann wird bei uns nichts mehr ausgedruckt und abgeheftet, sondern nahtlos vom Bürgerantrag digital weiterverarbeitet“.
Das Calwer Rathaus, gegenüber des Geburtshauses von Hermann Hesse, ist sinnbildlich für diese Entwicklung: Die Holzbalken im historischen Gebäude bogen sich unter der Last der Akten im Obergeschoss. Nach der Renovierung 2019 gehört das der Vergangenheit an – auch wenn die Aktenmeter nur an anderer Stelle gelagert wurden.
Ein Prozess ist noch lang kein guter, nur weil er digital ist
Doch ein Prozess sei noch lang kein guter, nur weil er digital ist. Deshalb haben sich Kling und seine Mitarbeiter die Abläufe genau angeschaut. Die Hauspost wird seit Oktober digital zugestellt. „Bislang wurden die Briefe geöffnet, sortiert und dann verteilt. Wenn ein Amt fertig ist, ging die Gittermappe mit dem Dokument in die nächste Abteilung, bis es dann in einem Ordner landet oder beantwortet wird“, erklärt er. Das sei ineffizient: Jetzt wird die Post eingescannt und im Rathaus digital bearbeitet.
Oder die Rechnungen: Die wurden eingescannt und ausgedruckt, gestempelt und weitere Dokumente angeheftet. Von der Stadtkasse bezahlt, wurden sie wieder eingescannt. „Das hat zu Rechnungsläufen von teilweise drei bis vier Wochen geführt. Sowas wie Skonto gab es nicht“, sagt der Oberbürgermeister. Der digitale Workflow ist seit Januar umgesetzt, seither dauerten die Rechnungsläufe drei bis vier Tage.
Trotz aller Fortschritte bei der Digitalisierung: Eine Schreibmaschine gibt es in der Calwer Verwaltung immer noch. Sie wird gebraucht, um die Etiketten für die Bauakten zu beschriften. Der Inhalt der Aktenordner soll in den kommenden Monaten digital erfasst werden. Um die Millionen Seiten zu scannen, hat die Stadt aber ein externes Unternehmen beauftragt.