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Rathäuser in Baden-Württemberg: Diese haben eine besondere Architektur
STUTTGART. Rathäuser sind die Aushängeschilder von Kommunen im Land. Die meisten von ihnen haben eine lange Geschichte und sind auch architektonisch ansprechend. Wir haben eine kleine Auswahl von Rathäusern im Land getroffen, die diese Eigenschaften mit sich bringen.
Angelbachtal: Wer zum Bürgermeister will, muss über eine Brücke gehen
Das Rathaus im Angelbachtal (Rhein-Neckar-Kreis) war einst ein Wasserschloss, das im 16. Jahrhundert von den adligen Herren von Venningen errichtet wurde. Der heutige Verwaltungssitz ist von einem Wassergraben umgeben. Lediglich eine Brücke führt zum Eingang des Amtssitzes von Bürgermeister Frank Werner (CDU) und seinen Mitarbeitenden.
Wer das Rathaus betritt, der wird an vielen Stellen mit dem badischen Revolutionär Friedrich Hecker konfrontiert. Dieser wurde in Eichtersheim geboren und emigrierte nach der Niederschlagung des Aufstands in den Jahren 1848 und 1849 in die Staaten. Sein Geburtshaus steht außerhalb des Parks und wird heute bewohnt vom Bildhauerkünstler Jürgen Goertz. Einige seiner Kunstwerke sind auch im Park des Rathauses zu sehen.
Tübingen: Früher wurde im Foyer das Salz ausgegeben
Das Rathaus in Tübingen dürfte eines der meistfotografierten Objekte in der Universitätsstadt sein: Es ist das größte Gebäude im Ensemble des Marktplatzes – und besonders alt. Seine Geschichte beginnt bereits im 15. Jahrhundert, im Jahr 1435. Im heutigen Foyer war im Mittelalter das Salzlager der Stadt untergebracht. Die Ausgabe von Salz war früher eine hoheitliche Aufgabe. Zudem befanden sich dort ein Gefängnis, ein Bäcker und ein Metzger.
Im 16. Jahrhundert tagte das württembergische Hofgericht im dritten Stock des Gebäudes. Im Zuge der jüngsten Sanierung wurde dieser Raum als Gerichtssaal wiederhergestellt. Heute dient er – in historischem Gewand – als Besprechungsraum für größere Gruppen. Rund 50 Beschäftigte der Stadtverwaltung haben in diesem Rathaus ihren Arbeitsplatz. Das sind selbstverständlich bei Weitem nicht alle Mitarbeitenden. Heute ist das Rathaus ein modern ausgestatteter Bau. Die letzte große Sanierung fand 2012 bis 2015 statt.
Rathaus Remchingen: Fünfeckig und ohne Rückseite
Das Rathaus in Remchingen (Enzkreis) ist ein Neubau. Dieser löste drei viel zu klein gewordene Rathäuser in den vier Ortsteilen ab. Er ist darüber hinaus die neue Heimat mehrerer Einrichtungen und bildet die Mitte von Wilferdingen-Singen, dem Hauptort von Remchingen. Als fünfeckiger Bau konzipiert, lässt es sich von jeder Seite aus „von vorne“ betrachten. Das neue Remchinger Rathaus beherbergt den Polizeiposten, die Gemeindebücherei, den Pflegestützpunkt für den Enzkreis sowie eine Erlebnisgastronomie mit Biergarten.
Das Polygon ist ein in braun gehaltener Betonbau mit großen Fensterflächen, der bei den Bürgern nicht unumstritten war. Es mussten Bäume auf einer Brachfläche weichen und das Projekt war vielen mit seinen 16 Millionen Euro zu teuer. Das Rathaus wurde neben rund 450 weiteren Bauten für den renommierten Mies van der Rohe Award 2022 nominiert – einem Preis der Europäischen Union für herausragende zeitgenössische Architektur. Aus Deutschland sind 25 Projekt dabei, darunter fünf aus Baden-Württemberg.
Kornwestheim: Rathaus mit Wasserspeicher
Charakteristisch für das Rathaus in Kornwestheim (Landkreis Ludwigsburg) ist der 48 Meter hohe Rathausturm. Er enthält wohl als einziger in Baden-Württemberg einen riesigen Wasserspeicher, der heute noch tragender Bestandteil für die Wasserversorgung der Stadt ist. Um aufs Dach des Rathausturmes zu gelangen, müssen Besucher am Wassertank entlang die Wendeltreppe ganz nach oben erklimmen und durch eine Luke steigen.
In den 1990er-Jahren wurde der Ursprungsbau, der aus den 30er-Jahren stammt, mit viel Glas erweitert sowie an den Altbestand angeschlossen. Der Übergang von alt zu neu dient heute als Foyer und Veranstaltungsbereich. Die Büros der Mitarbeitenden in der Kornwestheimer Stadtverwaltung liegen unter anderem im Querbau des Turms. Im ersten Stock kann dieser Querbau vollständig durchlaufen werden, im zweiten Stockwerk befindet sich der Sitzungssaal des Gemeinderats.
Gaildorf: Verwaltungssitz im Schloss
Ein ehemaliger Herrschaftssitz eines alten Adelsgeschlechts dient seit 1967 in Gaildorf (Kreis Schwäbisch Hall) als Rathaus. 25 Beschäftigte arbeiten in dem Schloss aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 1845 lebte dort die verwitwete Amalie Charlotte Auguste zu Waldeck-Pyrmont und Limpurg-Gaildorf. Durch zwei Erweiterungen einige Jahrzehnte später wurde es zum Schloss des Grafen von Bentinck und Waldeck-Limpurg. Er nutzte das Gebäude bis zum Zweiten Weltkrieg als Sommersitz.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat das Gebäude eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Während des Krieges war dort Kulturgut eingelagert, gegen Kriegsende zog die Schutzstaffel (SS) der Nationalsozialisten ein. Direkt nach dem Krieg befand sich das amerikanische Offizierskasino dort und bis 1965 ein Altersheim. In der früheren „Bel Etage“ befindet sich heute das Büro von Bürgermeister Frank Zimmermann (CDU) – gleichzeitig der größte Raum im Rathaus, ausgestattet mit Schreibtisch und einer Sitzgruppe für Besprechungen.
Hemmingen: Rathaus in Schloss aus dem 12. Jahrhundert
Seit dem 26. Oktober 1985 ist das Schloss der Familie Varnbüler der Sitz der Gemeindeverwaltung Hemmingen (Landkreis Ludwigsburg). Dafür ist es in den 80er-Jahren aufwendig renoviert worden. Zuvor diente das Rathaus an der Hauptstraße aus dem Jahr 1842 als Verwaltungssitz. Grund für den Gebäudewechsel ist die gestiegene Anzahl an Personal nach dem zweiten Weltkrieg und der gleichzeitige Mangel an Räumen für die Mitarbeiter. Ein Neubau kam aus finanziellen Gründen nicht in Frage. Nach Übergangslösungen, wie das Verlegen von Teilen der Verwaltung in andere Gebäude, fiel in den 80ern dann die Entscheidung für den Umzug in das Schloss Hemmingen.
Hierbei handelt es sich um ein Steinhaus aus dem 12. Jahrhundert, welches 1492 restauriert wurde. 1722 wurde es innen und außen umgestaltet und mit einem Westanbau versehen. Dieses alte Schloss ist der westliche Teil des heutigen. Der südwestlich davon liegende Bau entstand 1542 unter Ludwig von Nippenburg. Er war durch einen Gang mit dem alten Schloss verbunden. Das untere Schlößchen, der Ostteil des heutigen Schlosses, wurde 1709 errichtet und sein Erdgeschoss diente zunächst wirtschaftlichen Zwecken. Es wurde 1788 wieder verändert, 1817 erhielt es einen nördlichen Seitenflügel. Im Auftrag des damaligen württembergischen Ministers von Varnbüler wurde 1852 das ganze Anwesen umgestaltet.
Der Staatsanzeiger präsentierte diese Rathäuser in Form der „Serie Rathäuser“.