Normenkontrollrat: Ex-Oberbürgermeister Salomon soll die Aktenberge ausmisten

Der Hilferuf von Verwaltung und Wirtschaft war laut und deutlich. In einem Brandbrief schlagen sie Alarm. Die Bürokratie gefährdete den Standort. Der Normenkontrollrat soll hier helfen. Wobei der neue Vorsitzende wenig Alternativen zum Ausmisten sieht.

Dieter Salomon, früherer Oberbürgermeister der Stadt Freiburg und Politiker (Bündnis 90/Die Grünen), soll neuer Chef des Normenkontrollrats Baden-Württemberg werden.

Bernd Weißbrod)

Stuttgart. Der frühere Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) soll als neuer Vorsitzender des Normenkontrollrats für weniger Bürokratie in Baden-Württemberg sorgen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann bezeichnete den 63-Jährigen am Dienstag in Stuttgart als «Idealbesetzung». «Er weiß, wo Wirtschaft, Verwaltung und Privatpersonen durch Bürokratie belastet sind», sagte der Grünen-Politiker. Salomon, Parteifreund Kretschmanns, ist seit 2019 Hauptgeschäftsführer der IHK Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein.

Mit seiner Ernennung zum Vorsitzenden endet eine Hängepartie. Die anstehende Wahl Salomons war bereits im vergangenen März bekannt geworden, zuletzt hatte er es sogar in einem Gespräch mit den «Stuttgarter Nachrichten» selbst als «irritierend» bezeichnet, dass er seine Aufgabe bislang noch nicht habe antreten können. Das hingezogene Verfahren könnte darauf hindeuten, dass sich Grüne und CDU nur mit Mühe einigen konnten über die Aufgaben und die Vorgehensweise des Beratungsgremiums.

Der Normenkontrollrat war 2018 von der Landesregierung eingesetzt worden, um die Politik als unabhängiges Expertengremium beim Abbau von Bürokratie zu unterstützen. Bis Ende des Jahres leitete die frühere CDU-Landtagsabgeordnete Gisela Meister-Scheufelen das Gremium. Deren Amtszeit war Ende 2022 nicht verlängert worden. Das hatte große Kritik ausgelöst.

Salomon drängte vor allem zur Eile: «Ich glaube bei allen Unkenrufen von Leuten, die sagen, da kommt nichts bei raus, dass da etwas rauskommen muss. Das geht nicht anders, weil sonst können wir uns abmelden», sagte der frühere Landes- und Kommunalpolitiker, der trotz des neuen Ehrenamtes nicht in die Politik zurückkehren will.

Die überbordende Bürokratie und die Masse an Vorgaben und Vorschriften ist Regierungschef Kretschmann in dieser Legislaturperiode ein besonderer Dorn im Auge. Aus seiner Sicht braucht es einen Kulturwandel weg von der Kontrolle und hin zu mehr Vertrauen. Man könne an der Kontrolle vieler Regelungen auch gar nicht mehr festhalten, weil schlicht das Personal dafür fehle.

Die Opposition wirft seiner Regierung hingegen vor, zu lange gewartet und die neue Besetzung hinausgezögert zu haben. «Bürokratieabbau ist für sie nur ein Lippenbekenntnis, aber kein Handlungsauftrag!», kritisierte der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke . Für die AfD bezeichnete deren Fraktionschef Anton Baron den Normenkontrollrat als «zahnlosen Tiger», weil letztlich die Regierung entscheide.

Landesregierung, Kommunen und Wirtschaftsverbände hatten sich erst vor kurzem auf eine Allianz zum Bürokratieabbau geeinigt sowie auf Eckpunkte zur Entschlackung von Vorschriften und Regulierungen. Ministerien sollen Vorschläge dazu erarbeiten, wo bürokratische Hürden abgebaut werden solle. Der Normenkontrollrat soll dabei eng eingebunden werden.

Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag ( BWIHK ) sieht in der Bürokratie «schlicht ein Geschäftsrisiko für unsere Betriebe». Die Unternehmen litten über alle Branchen hinweg tagtäglich unter einer Flut an bürokratischen Auflagen. «So arbeitet beispielsweise ein typisches mittelständisches Unternehmen im Gastgewerbe 14 Stunden wöchentlich, nur um Bürokratiepflichten zu erfüllen», sagte der BWIHK-Vizepräsident Thomas Conrady. (dpa/ lsw )

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