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Neues Gesetz blockiert den Bau Tausender Wohnungen
Stuttgart/Berlin. Mehr Wohnungen schaffen oder den Bahnverkehr ausbauen? Gegner und Befürworter von Stuttgart 21 führen beim Projekt Rosenstein derzeit zwei hehre Ziele gegeneinander ins Feld. Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 sieht in der Novelle des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) nun die Chance, doch noch den Kopfbahnhof zu erhalten. Es warnt davor, die nun verschärften Voraussetzungen für die Umwidmung von Gleisflächen aufzuweichen.
Es dürfe keine „Lex Stuttgart 21“ geschaffen werden, teilt das Bündnis mit. „Wir haben in Stuttgart 21 schon immer vor allem ein Immobilienprojekt gesehen, bei dem ein funktionierender Bahnhof kein Kriterium war“, so Sprecher Martin Poguntke.
Bauwirtschaft wirft S-21-Gegnern Zynismus vor
Das AEG sei die Gelegenheit für „einen gesichtswahrenden Rückzug aus der S-21-Sackgasse“, so die Projektgegner. Die Kritik aus der Bauwirtschaft folgte prompt: „Die Äußerungen der Stuttgart-21-Gegner sind an Zynismus nicht zu überbieten. In der Landeshauptstadt herrscht große Wohnungsnot. In dieser Situation ist das Stadtentwicklungsprojekt Rosenstein eine Riesenchance, die nicht verspielt werden darf“, so Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft.
Ziel der Ampel ist, die Verkehrsleistung im Personenverkehr zu verdoppeln. Mit der Änderung des AEG Ende 2023 wollte der Bund verhindern, dass Gleisflächen bebaut werden und dies zulasten des Bahnverkehrs geht. Paragraf 23 besagt, dass dies nur im Falle eines überragenden öffentlichen Interesses vom Eisenbahn-Bundesamt beschieden werden kann. Wohnbauprojekte wie das in Stuttgart fallen nicht darunter.
Bis zu 5700 Wohnungen für rund 10 000 Menschen sollen Wohnungsnot lindern
Die Landeshauptstadt will auf den Gleisflächen des heutigen Kopfbahnhofs nach der Fertigstellung des Tiefbahnhofs zwei Stadtquartiere errichten. Bis zu 5700 Wohnungen für rund 10 000 Menschen sollen entstehen. Die Stadt sieht das Projekt nicht gefährdet. In einer Stellungnahme heißt es, dass eine dauerhafte Blockade der Flächen, ohne eine konkrete Entwicklungsperspektive durch den Bund, nicht rechtens sei. Tatsächlich hat der Bund keine Pläne, die Gleise künftig für den Bahnbetrieb zu nutzen.
Die Hoffnung Stuttgarts gründet sich auch auf Aussagen des bahnpolitischen Sprechers der Grünen-Bundestagsfraktion, Matthias Gastel: „Wir werden als Grüne einer Bebauung des Gleisvorfeldes nicht generell im Wege stehen. Dafür sind wir zur Änderung des Eisenbahngesetzes bereit.“
Dedy: Stadtviertel, Unigebäude und Seniorenwohnheime betroffen
Nicht nur Stuttgart hat die AEG-Novelle kalt erwischt: Der Deutsche Städtetag sammelt derzeit Fälle von Kommunen, deren Bauvorhaben erstmal brach liegen. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy fordert, dass der Bund schnellstmöglich die Verschärfung zurücknimmt. „Damit drohen aber bei vielen wichtigen und großen Stadtentwicklungsprojekten lange Verzögerungen und schlimmstenfalls sogar Stillstand und Aus.“
Darunter sind laut Dedy mehrere Projekte für den Neubau ganzer Stadtviertel mit Tausenden neuen Wohnungen, aber auch für den Bau von Unigebäuden, Seniorenwohnheimen, Fernbusterminals und Fahrradparkhäusern an Bahnhöfen.
Das Bundesverkehrsministerium prüft eine Übergangsregelung
Nimmt der Bund die Regelung zurück? Das Bundesverkehrsministerium betont, dass die Anforderungen an Freistellungen „explizit auf Wunsch des Verkehrsausschusses des Bundestags verschärft wurden“, teilt ein Sprecher mit. Gleichwohl prüfe das Ministerium aktuell eine Übergangsregelung. Damit könnte das Eisenbahnbundesamt zunächst über die Anträge auf Freistellung der Flächen entscheiden, die vor der Novelle eingereicht wurden. Das betrifft aktuell rund 130 Projekte.
Das Stuttgarter Rosenstein-Projekt ist nicht darunter, weil die Stadt eine Umwandlung noch nicht beantragt hat. Es ist unklar, wann die Gleise überhaupt frei werden, da sich die Fertigstellung des Tiefbahnhofs immer wieder verzögert hatte.
Immerhin: Das Haus von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) prüft derzeit auch, ob die Voraussetzungen für die Freistellung der Flächen angepasst werden können, „um langfristige Planungen unter anderem im Bereich des Städte- und Radwegebaus zu ermöglichen“.