Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Naturräume können für kühlere Zeiten sorgen
Stuttgart. Seit Jahrhunderten greift der Mensch in die Landschaft und den Wasserhaushalt ein. So will er Rohstoffe abbauen, Land für Siedlungen gewinnen oder Lebensmittel und Energie erzeugen sowie Waren transportieren. Dafür werden Moore, Wälder und Agrarflächen entwässert, Böden versiegelt, Flüsse begradigt und von natürlichen Überflutungsräumen, den Auen, abgeschnitten.
Weite Teile der Landschaft verlieren so die Fähigkeit, Wasser zu speichern und Extreme zu dämpfen – eine ökologische Hypothek, deren Wirkung der Klimawandel durch Trockenjahre, Hitzesommer, Dürrephasen, Starkregen und Überschwemmungen verschärft. Am Ende stehen Ernteausfälle, Waldschäden, Flutkatastrophen, sinkende Grundwasserspiegel, steigende Gesundheitskosten und Todesfälle.
Für Christoph Schramm vom BUND Baden-Württemberg liegt deshalb auf der Hand: „Wir müssen mehr Richtung Schwammlandschaft denken. Ziel muss sein, den Rückhalt und die Speicherkapazität für Niederschläge in der Fläche zu erhöhen.“ Entwässerungsanlagen sollen zurück-gebaut, Landnutzung extensiviert oder Versickerungsmulden und Retentionsräume geschaffen werden. Hecken, Feldraine und Uferrandstreifen können den Wasserabfluss bremsen. Das schwäche Überflutungen und Trockenphasen ab, stabilisiere Grundwasservorräte und stärke die Resilienz von Ökosystemen.
Naturräume verdunsten viel mehr Wasser als Grünflächen in Städten
Gut mit Wasser versorgte Landschaften leisteten auch einen Beitrag zum kommunalen Hitze- und Gesundheitsschutz. Im Vergleich zu den überschaubaren Grünflächen in Siedlungen verdunsten ausgedehnte Naturräume viel mehr Wasser. Die dafür nötige Energie wird der Umgebungsluft entzogen. So sinkt die Temperatur an heißen Tagen durch Verdunstungskühlung spürbar. Da kältere Luft schwerer als warme ist, bleibt sie eher am Entstehungsort und trägt dort in der Nacht zur Abkühlung bei.
Von alldem können Kommunen laut Schramm profitieren, indem sie umliegende Landschaftsräume in ihre Klimaanpassung einbeziehen. So lassen sich Flächenpotenziale nutzen, die nicht erst durch Entsiegelung, versickerungsfähige Beläge oder andere technische Lösungen neu geschaffen werden müssen.
Ansätze zur Verknüpfung sind eher selten
Doch bislang sind Ansätze, die eine wassersensible und hitzeangepasste Stadt- und Landschaftsentwicklung miteinander verknüpfen, eher selten, wie es in einer vom Bundesbauministerium herausgegebenen Kurzexpertise zum Thema Schwammlandschaft heißt. Nathalie Münz vom Landkreistag Baden-Württemberg will das durch ein interkommunales Kompensationsflächen-Management ändern, das bauliche Eingriffe in Natur und Landschaft ausgleicht. Dabei werden laut der stellvertretenden Hauptgeschäftsführerin Akteure etwa aus Lokalverwaltung, Naturschutz-, Umwelt-, Bau- und Flurbereinigungsbehörden, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft zusammengebracht, um Strategien zu entwickeln, die Natur und Landschaft in der Region zu fördern und die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen zu sichern.
So ließen sich laut Münz Synergieeffekte nutzen, Interessenkonflikten vorbeugen und Projekte in viel größeren geografischen Zusammenhängen umsetzen, die für Schwammlandschaften nötig sind. Mit einem regionalen Kompensationsflächen-Management lässt sich zudem ein Pool mit Ausgleichsflächen anlegen, um Kompensationen strategisch vorauszuplanen. Damit lassen sich bereits existierende Konzepte einzelner Akteure zu einer Gesamtstrategie zusammenführen. Auf engem Raum werden Ziele wie Wasserrückhalt, Gewässer-, Biotop-, Arten- und Bodenschutz mit der kommunalen Klimaanpassung verknüpft und gleichzeitig notwendige Infrastrukturmaßnahmen verwirklicht. Solche multifunktionalen Landnutzungsstrategien ermöglichen einen konstruktiven Umgang mit knappen Flächen, so Münz.
Keine Fehlanreize mehr durch falsche Subventionen
Um Schwammlandschaften erfolgreich umsetzen zu können, müssen laut Christoph Schramm zudem Subventionen enden, die eine Entwässerung der Landschaft anheizen, etwa die Landes-Förderung von neuen Waldwegen, die zu zusätzlicher Bodenverdichtung führt und die bei Starkregenereignissen den Abfluss von Waldflächen erhöhen. Es braucht neue Förderinstrumente, die freiwillige Maßnahmen von Land- und Forstwirten honorieren, denn der Markt tut es nicht. Anders sei ein Vorankommen schwer möglich.