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Mit weniger Leerstand gegen Wohnungsnot?
Karlsruhe. Städte und Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt im Südwesten wünschen sich mehr Instrumente, um gegen Leerstand vorzugehen. Den Kommunen fehlten stärkere Möglichkeiten, um auf Missstände reagieren zu können, sagte eine Sprecherin der Stadt Mannheim . Die Stadt plane nun den Aufbau eines Leerstandregisters und wolle Eigentümer und Eigentümerinnen aktiv ansprechen. „Insbesondere länger als sechs Monate leer stehende Wohnungen stellen in angespannten Wohnungsmärkten wie Mannheim eine Reserve dar, die es zu aktivieren gilt“, sagte die Sprecherin.
„Das ist schon nicht ohne, was in Baden-Württemberg an Wohnungen durch Leerstand verloren geht“, sagte der Wohnungsdezernent beim baden-württembergischen Städtetag, Sebastian Ritter. Man müsse vor allem auf bessere Kommunikation und Anreize setzen, um Haus- und Wohnungsbesitzer zu bewegen, nicht vermieteten Wohnraum wieder in den Markt zu geben.
Städte haben verschiedene Ansätze
Karlsruhe setzt seit 2005 nach Angaben der Stadt auf das Programm „Wohnraumakquise durch Kooperation“. Das habe zu einer deutlich geringeren Leerstandquote als in anderen vergleichbaren Großstädten geführt. Dabei werden Eigentümer nicht vermieteter Wohnungen angesprochen und mit ihnen Vereinbarungen zur Belegung getroffen. Seit Beginn des Programms habe man so fast 3.400 Mieterinnen und Mieter in rund 1.350 zuvor leerstehenden Wohnungen unterbringen können.
Heidelberg plant aktuell ein neues Förderprogramm: Dabei sollen Zuschüsse dafür sorgen, dass Wohnraum wieder „aktiviert“ wird. Der begehrten Universitätsstadt fehlen bis zum Jahr 2035 rund 10.000 Wohnungen, wie eine Stadtsprecherin betont. Aktuelle Leerstandsquoten lägen zwar noch nicht vor – allerdings sei leerstehender Wohnraum angesichts des angespannten Wohnungsmarkts schon ein relevantes Problem. Unter anderem hielten schlechte Erfahrungen mit Mietern, zu hoher Sanierungsbedarf oder schlicht Überforderung Menschen davon ab zu vermieten.
Land unterstützt mit Wiedervermietungsprämie
Das Land unterstützt Besitzer leerstehenden Wohnraums seit 2020 mit Prämien, damit sie ihre Wohnungen wieder vermieten. Erst kürzlich war das Programm weiter ausgebaut worden. Seit Einführung wurde der Zuschuss laut Wohnungsbauministerium mehr als 500 Mal gezahlt. Im vergangenen Jahr wurde die Prämie 191 Mal beantragt. Sie sei ein Anstoß für Kommunen und Besitzer, etwas zu tun, sagte ein Ministeriumssprecher. „Steter Tropfen höhlt den Stein.“
Rechtswidriger Leerstand ebenfalls im Fokus
Viele Städte haben inzwischen eine sogenannte Zweckentfremdungssatzung. Mit diesem Instrument wird gegen unerlaubten Leerstand vorgegangen – wenn etwa Wohnungen längere Zeit als Ferienwohnungen vermietet oder länger als ein halbes Jahr leer stehen.“Jede einzelne leerstehende Wohnung ist ärgerlich“, sagte eine Sprecherin der Stadt Freiburg.
In der Landeshauptstadt Stuttgart wurden nach Angaben einer Sprecherin im vergangenen Jahr Zweckentfremdungsverfahren zu 24 Einzelwohnungen und zwei Wohngebäuden erfolgreich abgeschlossen. Im laufenden Jahr seien es bisher 58 Wohneinheiten gewesen, die nun wieder dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stünden – Inklusive der Wohnungen, die bisher unerlaubterweise an Fremde vermietet worden seien.
Auch etwa Konstanz , Meersburg , Überlingen , Friedrichshafen , Freiburg , Tübingen , Heidelberg, Mannheim oder Stuttgart verfügen über Zweckentfremdungssatzungen. Nachteile gibt es dabei aber laut Städtetagsdezernent Ritter auch. Denn die Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbots binde viele Ressourcen in der Verwaltung. Auch gebe es immer wieder Klagen dagegen. „Ein Allheilmittel ist es nicht.“
Immerhin 50.000 leer stehende Wohnungen könnten theoretisch auf den Markt
In Baden-Württemberg standen laut Statistischem Landesamt im Jahr 2022 rund 236 000 Wohnungen leer – eine Leerstandsquote von 4,3 Prozent. Davon hätten rund 112.000 Wohnungen realistischerweise aber gar nicht vermietet werden können: Sie sollten abgerissen, verkauft oder selbst genutzt werden. Weitere 31 Prozent waren innerhalb der darauffolgenden drei Monate sowieso verfügbar für Vermietung. Die restlichen 22 Prozent, also rund 50.000 Wohnungen, könnten durch die diversen Strategien der Kommunen also auf den Wohnungsmarkt zurückgeholt werden.
Kampf gegen Leerstand wichtig – aber kein Heilmittel gegen Wohnungsnot
Weniger Leerstand führt aber nicht zwangsläufig dazu, dass die Zahl fehlender Wohnungen kleiner werde, so die Stuttgarter Stadtsprecherin. Dafür sei der Nachholbedarf zu hoch. In Stuttgart etwa fehlten mehr als 8.000 Wohnungen. Wieviel Leerstand es in der Landeshauptstadt gebe, werde nicht erhoben.
Dennoch bringen Maßnahmen gegen den Leerstand schon etwas, erläutert die Stadtforscherin Ricarda Pätzold vom Deutschen Institut für Urbanistik. „Es muss ein Zusammenspiel geben zwischen Anreiz und Druck.“ Die Städte mit einem angespannten Wohnungsmarkt wendeten in der Regel eine Vielzahl von Instrumenten an. „Auch wenn das Ergebnis oft nicht ausreichend erscheint, muss man sich immer fragen: Was wäre, wenn sie nichts täten?“, sagte sie. „Insgesamt aber entspannt sich der Wohnungsmarkt allein dadurch leider nicht.“ (dpa)