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Mit welchen Anforderungen Bürgermeister fertig werden

Artur Ostermaier (von links), Hannelore Reibold-Mench, Ralf Broß, Rafael Binkowski, Steffen Jäger und Mathis Dippon diskutierten über den Wandel des Bürgermeisteramtes
Achim Zweygarth)Stuttgart. Das waren noch Zeiten, als das Wort des Bürgermeisters so viel galt wie das des Pfarrers oder des Lehrers – längst vorbei, aber auch damals, so schilderte es Artur Ostermaier, bis 2018 über 40 Jahre Bürgermeister von Steißlingen (Kreis Konstanz), gab es Klartextmomente im Gespräch mit aufgebrachten Bürgern, die den Spaß am „schönsten Beruf, den man sich vorstellen kann“ schmälerten. Somit verdichtet die Social-Media-Gesellschaft allenfalls die Momente des Ärgers, denen Bürgermeister ausgesetzt sind.
Das ist nur eine Entwicklung, die das neue Buch „Herausforderung Bürgermeisteramt – Kommunales Leadership zwischen Tradition und Transformation“ von Paul Witt, ehemaliger Rektor der Kehler Verwaltungshochschule, und Mathis Dippon, Politik- und Verwaltungswissenschaftler vom Wiener Büro des „Innovation in Politics Institutes“, aufgreift. Praktiker und Verbandsvertreter haben bei der Vorstellung bei der Württembergischen Gemeinde-Versicherung (WGV) darüber diskutiert.
Ob es da um die „Zupfärmeldemokratie“ ging, über die Städtetagsgeschäftsführer Ralf Broß, selbst 13 Jahre OB in Rottweil, als Beispiel für Bürgernähe berichtete, oder um die eingeschränkte Work-Live-Balance, die sich aber im kommunalen Spitzenamt organisieren lasse, so die Überzeugung von Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetages: Diese Fragen sind Herausforderungen, auf welche die einzelnen Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber ihre jeweils eigene und am Ende oft auch vom Wahlvolk akzeptierte Antwort finden können.
Ortsnähe des Rathauses bietet Chancen für Work-Life-Balance
So solle man als Vater die Ortsnähe des Rathauses und die Chancen auf Freiräume im Terminkalender nicht unterschätzen. „Als ich noch Bürgermeister war, habe ich meine Kinder häufiger gesehen“, berichtete Jäger, selbst einmal Rathauschef in Oppenweiler (Rems-Murr-Kreis).
Frauen im Amt waren ebenfalls ein Thema, das der Moderator Rafael Binkowski, Chefredakteur des Staatsanzeigers, ansprach. Hannelore Reinbold-Mench, Bürgermeisterin in Freiamt (Kreis Emmendingen), unterstellte Frauen einen kühleren Blick auf die Position des Rathauschefs als männlichen Kollegen. Die Tarifeinstufung mache das Bürgermeisteramt für Frauen unattraktiv, das neben dem Tagesgeschäft die repräsentativen Aufgaben beinhalte. Für ähnliches Geld könnten Frauen in großen Behörden bei geregelten Arbeitszeiten Familie und Beruf vereinbaren.
Viele Publikumsfragen kreisten um die (fehlende) Qualifikation von Bürgermeisterkandidaten. Hier zeige sich der demografische Wandel, so der Mitherausgeber des Buches, Mathis Dippon. Am Ende, so Reinbold-Menchs Einschätzung, wählten die Bürger aber nicht die schrillen, sondern die qualifizierten Kandidaten.
Kleiner Dissens und am Ende ein gemeinsames Nicken
Diese finden sich in einem Regelgeflecht wieder, was nach einer Staatsreform rufe. Zwischen Broß und Jäger gab es Dissens, ob dazu auch eine kommunale Gebietsreform gehöre. Broß brachte größere Kommunen ins Spiel, Jäger sah das für die Staatsreform als untergeordnet. Dass es aber eine Staatsreform brauche, die von allen etwas abfordere, so Jäger, dazu gab es dann wieder ein gemeinsames Nicken auf dem Podium.

Ein Buch, 29 Beiträge
Erwartungsdruck seitens der Bürger, Geldknappheit, oft enger werdende Handlungsspielräume bis hin zu Krisen – Mitherausgeber Paul Witt skizzierte in seiner Einleitung die Randbedingungen fürs Bürgermeisteramt, über deren Tradition, Gegenwart und Zukunft die 29 Interviewpartner und Autoren von Fachartikeln im Sammelband „Herausforderung Bürgermeisteramt – Kommunales Leadership zwischen Tradition und Transformation“ berichten. Das Werk ist im Boorberg-Verlag erschienen und hat rund 300 Seiten.
