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Lockerer Wahlkampf trotz aufgeheizter Stimmung
Karlsruhe. Erst will man das gar nicht glauben, wenn Jorinda Fahringer davon berichtet, dass man derzeit „eine krasse Aktivierung in der Partei“ erlebe. Die Fraktionssprecherin und Spitzenkandidatin der Grünen im Karlsruher Gemeinderat ist voller Zuversicht und guter Stimmung, wenn sie über die Kommunalwahlen am 9. Juni spricht – obwohl die politische Großwetterlage nicht gerade günstig ist. Hinzu kommen die beständigen Angriffe auf Politiker beim Plakate-Kleben oder an Infoständen. Von alldem ist in der eher linksliberalen Karlsruher Stadtgesellschaft wenig zu spüren.
Wahlkampf im buntesten Viertel von Karlsruhe
Mit ihrem Infostand haben sich die Grünen an diesem sonnigen Samstagvormittag einen Hotspot ausgesucht. Sie stehen mit Sonnenschirm, Stehtisch und Infomaterial ausgestattet auf dem belebten Werderplatz in der Karlsruher Südstadt. Das ist das bunteste Quartier in Karlsruhe mit dem höchsten Migrationsanteil in der ganzen Stadt.
Idyllische Lage für die Wahlkämpfer
Im westlichen Teil des Platzes findet der Wochenmarkt statt, Cafés und Läden haben geöffnet, Menschen sitzen draußen und genießen ihren Espresso. Im östlichen Teil des Platzes ist am Indianerbrunnen schon um 10 Uhr die örtliche Trinkerszene vertreten.
Stärkung des Radverkehrs
Mittendrin wird auch Kommunalwahlkampf gemacht. Drei Parteien und Wählervereinigungen sind mit einem Infostand präsent. Die Grünen sind mit 15 Mandatsträgern die stärkste Kraft im Gemeinderat und treten selbstbewusst auf. Eines ihrer wichtigen Ziele lautet die Stärkung des Radverkehrs in der Stadt. Das machen sie sogar erlebbar: Die Wahlkämpfer haben eine kleine Fahrradreparaturstation aufgebaut und helfen Radlern bei kleineren Problemen.
Auf die kommunale Ebene holen
Die Aktivierung, von der Jorinda Fahringer spricht, bezieht sich auf die inzwischen 950 Grünen-Mitglieder in Karlsruhe. „Das war vor fünf Jahren noch anders“, erinnert sie sich. Zumindest Wahlkampf lässt sich damit ganz anders bewerkstelligen. Doch sie räumt ein: „Viele lassen ihren Frust über die Bundes- und Landespolitik bei uns aus.“ Man versuche dann, die Menschen auf die kommunalpolitische Ebene zu holen.
Graffiti-Schmierereien an Geschäftsstelle
Mit Blick auf die tätlichen Angriffe auf Wahlkämpfer an anderen Orten stellt sich bei ihr kein Unsicherheitsgefühl ein. Alleine losziehen würde sie aber nicht. „Das habe ich vor fünf Jahren aber auch nicht gemacht.“ An diesem Vormittag stehen die Grünen zu viert am Infostand. Und dann kommt doch noch etwas, was die heile Welt in Karlsruhe nicht nur ein wenig bröckeln lässt und was sie als Geschäftsführerin des Kreisverbands hautnah miterlebt hat. Die Geschäftsstelle wurde seit dem Umzug 2023 schon drei Mal mit Graffiti-Schmierereien „bedacht“, es gab eingeschlagene Scheiben samt Farbbeutel. „Das war ein beklemmendes Gefühl“, meint sie. Wahlplakate der Grünen sind besonders im Fokus, in manchen Straßen ist die Hälfte abgerissen oder beschädigt. Bei anderen Parteien – mit Ausnahme der AfD – ist das nicht so.
Deeskalationstraining hilft in brenzligen Situationen
Auf dem Platz bei der Neureuter Badnerlandhalle im Norden der Stadt herrscht einen Tag zuvor eher eine gewisse Behäbigkeit. Platziert haben die Grünen ihren Infostand vor einem Einkaufszentrum. Auch hier sind es mehrere Kandidaten, die sich zusammengefunden haben. Die Spitzenkandidatin für den Ortschaftsrat, Petra Sander, hat sich an diesem Mittag mit der Karlsruher Bundestagsabgeordneten Zoe Mayer prominente Hilfe geholt. „Ich fühle mich nicht unsicher“, erzählt Sander. Wie viele andere bei den Grünen hat sie ein Deeskalationstraining beim Landesverband absolviert, das zeigt, wie man schwierige Gespräche beenden kann.
Gewisse Grundaggression
Was die Ortschaftsrätin bei Gesprächen wahrnimmt, ist eine gewisse „Grundaggression“. Schnell landeten Unterhaltungen bei Bundesthemen. Sie sei öfter in der Hauptstadt und wisse, die Grünenpolitiker dort machten ihre Sache gut. „Aber PR-mäßig ist in der Kommunikation noch Luft nach oben“, sagt sie. Die Verrohung der Sprache führt die Abgeordnete Mayer vor allem auf die Dynamik in den Sozialen Netzwerken zurück. „Da fehlt ganz viel soziale Kontrolle.“ Sie ist überzeugt davon, dass man nur gute Fachpolitik dagegensetzen könne.
Immer wieder Bedrohungslagen
Mit dem tätlichen Angriff, der für den SPD-Europaabgeordneten und Wahlkämpfer Matthias Ecke in Dresden mit einem Krankenhausaufenthalt endete, hat die Qualität der Angriffe auf Politiker in Deutschland ein neues Negativniveau erreicht. In weiteren Fällen gibt es – auch in Baden-Württemberg – immer wieder Bedrohungslagen, bei denen insbesondere Politiker der Grünen daran gehindert werden, eine Rede zu halten oder den Ort einer Veranstaltung zu verlassen.