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Konzeptvergabe: Wie Kommunen Wohnraum mit einem städtebaulichen Mehrwert schaffen

Die Konzeptvergabe ist ein spannendes Modell, wenn Kommunen Baugelände oder Gebäude besitzen, die sie einer privaten Baugruppe oder Genossenschaft zugänglich machen können. Diese besondere Form bietet die Möglichkeit, Wohnraum mit städtebaulichem Mehrwert zu schaffen, bei dem die spätere Rendite eines Investors nicht das Maß aller Dinge ist.
Großfamilie spielt am Tisch

Mit der Konzeptvergabe können Kommunen die Qualität eines Quartiers zugunsten von Familien beeinflussen.

DPA Themendienst/Christin Klose)

KARLSRUHE/ROTTWEIL/OFFENBURG. Als die „MieterInneninitiative Karlsruhe“ (Mika) Mitte der 1990er-Jahre an den Start ging, wurde sie mit viel Skepsis und Ablehnung betrachtet. Die Kommunalpolitik hatte wenig Vertrauen in die Idee, fünf vom Abriss bedrohte ehemalige Kasernengebäude der Wehrmacht in der Karlsruher Nordstadt in eigener Verantwortung umzubauen, um ein Kulturzentrum und günstigen Wohnraum zu schaffen, der gemeinschaftlich genutzt wird. Sogar der Staatsschutz ermittelte damals wegen vermeintlicher linksradikaler Umtriebe. Beirren ließen sich die „Linken“ nicht: Heute gilt das 1999 gestartete Wohngenossenschaftsprojekt als das erfolgreichste in der Fächerstadt.

Soziale Ziele und mehr nachhaltiges Bauen im Blick

Die Zeiten haben sich gewandelt. Heute würde die Mika mit ihren Ideen bei vielen kommunalen Verwaltungen offene Türen einrennen. Gleichzeitig hätte sie Konkurrenten. Denn: Viele private Baugruppen haben ein Interesse daran, ihre ganz eigenen Vorstellungen von Wohnen umzusetzen. Und sehr oft geht es dabei um gemeinschaftliches Leben – möglichst generationenübergreifend und auf Basis von gemeinsamen Beschlüssen. Stadtverwaltungen versuchen, das Interesse von Baugruppen für solche Areale – so sie überhaupt vorhanden sind – zu lenken. Eine Möglichkeit ist die Konzeptvergabe.

Es geht darum, die Vergabe von Grundstücken an der Qualität eines Konzepts auszurichten – mit der Maßgabe, dass der Umbau oder der Neubau langfristig dazu beiträgt, lebendige und vielfältige Quartiere zu schaffen. „Durch Konzeptvergaben können Kommunen städtebauliche Ziele sehr viel konkreter als etwa durch Bebauungspläne erreichen“, verweist Stadtplaner und Projektentwickler Albrecht Reuß vom Büro citiplan GmbH in Pfullingen auf die begrenzten Möglichkeiten der formal notwendigen Planwerke.
Neben gestalterischen Zielen können über eine Konzeptvergabe aus seiner Sicht auch soziale Ziele oder mehr nachhaltiges Bauen verfolgt werden. Genau solche Ziele können von Kommunen als Vorgaben gemacht werden. Baugruppen, die sich dann mit ihren Vorstellungen bewerben, müssen sich an diesen Vorgaben orientieren. Eine Fachjury entscheidet anhand von zuvor festgelegten Wertungskriterien über die Vergabe.

Verwaltung muss alle Bewerber gleich behandeln

Idealerweise bietet sich eine Konzeptvergabe für ein Gelände oder ein Gebäude an, in dessen Besitz die Kommune schon ist oder klar ist, dass sie es erwerben kann. Will sie im Rahmen der Konzeptvergabe weiter veräußern, unterliegt der Kaufpreis für einen Bewerber dem jeweiligen Verkehrswert. Möglich wäre auch ein Erbbaurecht. Während des Verfahrens muss eine Kommune darauf achten, dass sie alle Bewerber gleich behandelt. So kann sie nicht nachträglich Kriterien anpassen und auf einen bestimmten Bewerber zuschneiden, damit dieser zum Zuge kommt. Sind im Anschluss einer Konzeptvergabe Verträge zwischen Baugruppe und Verwaltung zu schließen, unterliegen diese den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Diese Wertungskriterien rücken beispielsweise den Preis, den eine Kommune für ein Grundstück erzielt, etwas weiter in den Hintergrund. Es ist der entscheidende Unterschied zum bloßen Verkauf eines Grundstücks an einen Investor, der möglicherweise lediglich dazu verpflichtet werden kann, einen Architektenwettbewerb umzusetzen.

Beispiel Offenburg: Im Ortsteil Fessenbach hat der Gemeinderat für das ehemalige Gebäude der Winzergenossenschaft eine Konzeptvergabe beschlossen. Bewerben können sich Genossenschaften, private und gewerbliche Bauherren, aber auch Investoren. Sie alle müssen sich Kriterien unterordnen: Es soll Wohneinheiten, aber auch ein Dorfgemeinschaftshaus mit Dorfcafé geben. Auch eine Nutzung mit nicht störendem Gewerbe oder Praxisräumen ist vorgesehen. Gestaltungs- und Nutzungsvorschläge in den Bewerbungen fließen mit insgesamt 55 Prozent in die Bewertung ein. Der Preis, den ein Bewerber für das Gebäude anbietet, schlägt mit 25 Prozent zu Buche. Im zweiten Halbjahr soll eine Entscheidung fallen.

Konzeptvergaben sind für Verwaltungen aufwendig

In Rottweil steht ebenfalls eine Konzeptvergabe an. Anders als in Offenburg werden hier aber vorwiegend Investoren angesprochen, die schon entsprechende Projekte umgesetzt haben. Vorgaben gibt es ebenfalls, die aber weniger konkret gefasst sind: Ein Investor muss bereit sein, geförderten Wohnungsbau mit einem Anteil von mehr als 20 Prozent zu schaffen. Gleichzeitig soll eine „inhaltliche Einbindung am Standort“ und darüber hinaus aufgezeigt werden. Das gilt auch für die Frage, ob ein Konzept beispielsweise in der Lage ist, den Standort zu beleben.

„Natürlich sind Konzeptvergaben mit einem gewissen Aufwand verbunden“, weiß Stadtplaner Albrecht Reuß mit Blick auf die Stadtverwaltungen. Der Bewerbungs- und Planungsprozess muss über viele Monate begleitet werden – von der Entwicklung des Geländes über die Festlegung von Kriterien bis hin zur eigentlichen Vergabe. Immer mehr Büros würden aber entsprechende Dienstleistungen anbieten, gleichzeitig berate dazu auch die Architektenkammer.

Quelle/Autor: Marcus Dischinger

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