Investitionsprogramm Ganztag

Kommunen kritisieren die Förderung per Zufall

Weil das Investitionsprogramm Ganztag mehrfach überzeichnet ist, müssen ab Wochenmitte Beamte in allen vier Regierungspräsiden zu einem ungewöhnlichen Verfahren greifen und per Los entscheiden, welche Anträge geprüft werden. „Diese Mittelvergabe nach dem Zufallsprinzip ist ein Offenbarungseid“, schreibt der Städtetag Baden-Württemberg an alle Mitglieder.

Die Große Koalition im Bund hatte 2018 beschlossen, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung einzuführen.

dpa/SZ Photo/Stephan Rumpf)

Stuttgart. Seit Monaten warnen die Kommunalen Spitzenverbände davor, dass der 2018 angekündigte und 2021 von Bund und Ländern beschlossene Rechtsanspruch auf den Besuch einer Ganztagsgrundschule ab 2026 kaum umsetzbar ist. Gemeindetagspräsident Steffen Jäger hat bereits mehrfach sogar für eine Verschiebung plädiert. Auch der Landkreistag sieht sich durch das überraschende Vorgehen der Landesregierung bestätigt.

Und Norbert Brugger, der langjährige Bildungsdezernent im Städtetag, macht in seinem Rundbrief die Erläuterungen des Kultusministeriums zum weiteren Vorgehen öffentlich: Weil eine derart große Anzahl an Anträgen eingegangen sei, müsse eine Reihung vorgenommen werden. „Die Reihenfolge dieser Anträge wird seitens der Regierungspräsidien durch Losverfahren festgelegt“, heißt es weiter. Das Verfahren finde in Kalenderwoche 32 ab dem 8. August statt.

Vorgehen ist „ein aus der Not geborener erster Schritt“

Für Brugger steht fest, dass dieses Vorgehen „nur als ein aus der Not geborener erster Schritt verstanden werden kann“. Denn: „Zur angemessenen finanziellen Unterstützung aller Kommunen bei der Rechtsanspruchsumsetzung sind und bleiben Bund und Land verpflichtet, weil sie diesen Anspruch beschlossen haben.“

Alle drei Verbände legen Wert auf die Feststellung, „von Anfang an gegenüber dem Land betont zu haben, dass die Bundesmittel bei weitem nicht zur Deckung des Förderbedarfs ausreichen“. Jetzt, da das Ergebnis des Antragsverfahrens vorliege, sie „der Handlungsbedarf unwiderlegbar“. Das Land müsse schnell klären und erklären, wann und wie die weitere Förderung erfolgt.

Schulträger wollten zunächst in Vorleistung gehen

Jäger erinnert daran, dass die kommunale Seite angesichts der Überzeichnung des Förderprogramms bereits angeboten habe, dass für fehlende Fördermittel von Bund oder Land die Schulträger zunächst in Vorleistung gehen. Sie bräuchten jedoch zum Zeitpunkt des Maßnahmenbeginns die Gewissheit, verlangt der Gemeindetagspräsident weiter, dass die Fördermittel in den Folgejahren fließen werden: „Denn in Zeiten knapper Haushalte ist bereits das Aufbringen des Eigenanteils ein immenser finanzieller Kraftakt.“

Der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Alexis von Komorowski verlangt, dass jetzt das Land seine Verantwortung wahrnimmt und für die fehlenden Fördermittel einspringt. Es dürfe nicht sein, dass die Kommunen in allen Bereichen, von den Krankenhäusern über die Geflüchtetenaufnahme bis hin zur Ganztagsbetreuung, zu Ausfallbürgen des Landes werden.

Bund hatte Rechtsanspruch 2018 beschlossen

Die Große Koalition im Bund hatte 2018 beschlossen, den Rechtsanspruch einzuführen. In Baden-Württemberg war und ist der Nachholbedarf besonders groß, weil Ganztagsangebote über 46 Jahre seit Ende der Sechziger nur als Modell möglich und nicht gesetzlich verankert waren.

Weil 2011 nur 15 Prozent der Grundschulen Ganztagsangebote hatten, wollte Grün-Rot ein Programm auflegen, nachdem bis 2020 alle im Ganztag geführt werden sollten. Die Idee scheiterte damals auch, weil Eltern und Schulträger vielerorts noch Halbtagsschulen mit oder ohne Nachmittagsbetreuung favorisierten. Inzwischen drängt auch Baden-Württembergs Wirtschaft wegen des Fachkräftemangels massiv auf einen Ausbau.

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