Kommunalforum: Kommunen kämpfen mit der Energiewende
Baden-Baden. Immer wenn der Sparkassenverband einmal im Jahr die führenden Kommunalpolitiker im Land zusammen ruft, geht es um Grundsätzliches. Vergangenes Jahr um Digitalisierung – jetzt um die spannende Frage, wie die Energiewende gelingen kann. Und dies kann nur, da sind sich alle einig, vor Ort gelingen.
Die Bürgermeister und Landräte müssen vor Ort die Windräder durchsetzen, die trotz allgemeiner Zustimmung für die Energiewende oft dann doch recht unbeliebt sind. Wenn sie vor der eigenen Haustür stehen. Kein Wunder, findet Armin Nassehi, Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München: „Wir haben kein Problem damit, zwei STunden auf der rechten Spur der Autobahn im Stau zu stehen.“ Aber ein Windrad, das sei neu, unbekannt – und gerade weil die meisten Bürger es als „nötig“ anerkannten, wecke es Ängste.
Und so geschieht etwas, was Nesshi als „Erfindung von Problemen“ bezeichnet: Es geht um irrationale Ängste. Infraschall etwas, wie mancher Bürgermeister klagt – nicht messbar, auch kein echtes Problem, aber ungeheuer mächtig als Angstfaktor. Dass die Wirtschaftslage schwierig ist, darauf verweist schon Sparkassenpräsident Peter Schneider: „Ich habe noch nie einen solchen Einbruch erlebt, beim Wohnungsbau um 60 Prozent.“ Er bietet den Kommunen an, die Investitionen zu finanzieren, auch in den Klimaschutz.
Dazu kommt die überbordende Bürokratie, das Megathema der Landes- und Kommunalpolitik dieser Tage. Davon kann der Hausherr, der Baden-Badener OB Dietmar Späth, ein Lied singen. Er wollte einen Radweg 15 Kilometer quer durch die Stadt bauen: „Nach fünf Stunden Besprechung mit den Behörden kamen meine Straßenplaner zu mir: Es werden immer nur Probleme gesucht.“
Hoffmeister-Kraut: Wir brauchen Vertrauen und Sicherheit
Also – Lösung statt Probleme, wie sieht es aus? Die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) sieht „starke, kreative und wettbewerbsfähige Kommunen“ dafür als wesentlich an. Und arbeitet an den Rahmenbedingungen: Hohe Energiepreise, Stromsteuer, Wasserstoff-Infrastruktur – die Landespolitik hat reichlich zu tun, um die von vielen befürchtete Abwanderung energieintensiver Industrie zu verhindern. „Noch nie war das Betriebsklima so schlecht“, zitiert sie eine Studie. Daher gelte es, „konkret zu werden“, so ihr Diktum. Es brauche „Vertrauen und Sicherheit“.
Die Kommunalpolitiker vernehmen es mit Freude. Frank Mentrup etwa, Karlsruher OB und neuer Präsident des Städtetages, der schon in den ersten Amtswochen als vernehmbare Stimme der Städte wahrgenommen wird. Oder die drei Verbandsgeschäftsführer Ralf Broß (Städtetag), Steffen Jäger (Gemeindetag) und Alexis von Komorowski (Landkreistag).
Jäger Kommunen können Pragmatismus
Jäger sieht die kommunale Politik als Wichtigste an: „Wenn es eine Ebene gibt, die Pragmatismus kann, dann ist es diese.“ An der Notwendigkeit der Klimawende führe kein Weg vorbei. Anstatt sich in aufgeregten Debatten um Klimaschutzziele zu verlieren, müsse vor Ort gehandelt werden. Mit guten Beispielen könne man auch die Bürger überzeugen. Jäger: „Jeder kommunale Euro ist besser investiert als in komplizierten Förderprogrammen.“
Spannende Beispiele aus Kommunen sind also gefordert. Michael Klinger, der Bürgermeister von Gottmadingen im Kreis Konstanz. Er hat das Ziel, zwei Prozent der landwirtschaftlichen Fläche mit Fotovoltaik-Anlagen zu bestücken. „Ein Runder Tisch mit Landwirten dazu ist nicht der vergnügungssteuerpflichtige Teil des Jobs“, sagt er schmunzelnd. Aber es ist ihm gelungen, mit viel Bürgerbeteiligung, „Pragmatisch anpacken, das muss passieren“, so Klingler.
Der Dialog mit den Bürgern ist wichtig
Die Fellbacher Baubürgermeisterin Beatrice Soltys hat eher das Problem, dass wenig Platz in der Kommune im Rems-Murr-Kreis vorhanden ist: „Wir sind eine kompakte Stadt.“ Bei ihr geht es viel darum, alte Gebäude klimafest zu machen. Auch hier das Zauberwort: Dialog mit den Bürgern. „Ist das nicht anstrengend?“, fragt der Wirtschaftsjournalist und Moderator Andreas Franik die Kommunalpolitiker.
Ja, das ist es bisweilen – und der Tonfall wird rauer, die Verunsicherung größer, wie Marco Hampele erzählt, der Leiter des Energiezentrums Schwäbisch Hall: „Wir bekommen viele Fragen zum Gebäude-Energiegesetz, ob man noch schnell eine neue Heizung einbauen soll.“